Pressemitteilung: Bund der Antifaschisten Mecklenburg-Vorpommern fordert NSU-Untersuchungsausschuss auch in Mecklenburg-Vorpommern

14. November 2016

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Der Landesvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten M-V e.V. (VVN-BdA M-V) fordert nach seiner Sitzung am 11.11. in Rostock von SPD und CDU der Feststellung im Koalitionsvertrag, alles erforderliche zu tun, um die Verbrechen des rechtsextremen Terrortrios NSU aufzuklären, auch ernsthafte Taten folgen zu lassen. Bloße Berichterstattungen im Parlament oder Verweise auf den Untersuchungsausschuss im Bundestag reichen nicht aus, um auch die Verbindungen des NSU nach Mecklenburg-Vorpommern und die Verantwortung der hiesigen Sicherheitsbehörden offenzulegen. Der Umstand, dass in MV, anders als in anderen Bundesländern, kein Untersuchungsausschuss im Parlament gebildet wurde, trägt zu der unbefriedigenden Situation bei. So bleibt Mecklenburg-Vorpommern vom Versprechen der Bundeskanzlerin, für vollständige Aufklärung zu sorgen, weit entfernt. Dieser Zustand ist nicht zu tolerieren, auch nicht gegenüber den Angehörigen der Opfer.

Nico Burmeister

Peter Ritter

Landessprecher der VVN-BdA M-V e.V.

 

Filmaufführung „Die Fünf Patronenhülsen“ am 02. Dezember im LiWu Rostock

27. Oktober 2016

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02. Dezember l 17 Uhr l im LiWu, Saal Metropol, Barnstorfer Weg 4

Vor 80 Jahren unterstützten Freiwillige aus der ganzen Welt in den Internationalen Brigaden den Kampf gegen die Franco-Faschisten. Die VVN – BdA Rostock lädt vor diesem Hintergrund zum Besuch des packenden Bürgerkriegsdramas „Fünf Patronenhülsen“ ein.

Die Schauspieler Erwin Geschonnek, Armin Mueller-Stahl, Ernst-Georg Schwill, Manfred Krug, Edwin Marian und viele andere zeichnen ein eindrucksvolles und international wertgeschätztes Porträt des Kampfes der internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg 1936 – 1939.

Die Aufführung des Filmes wird unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung MV. Eintritt ist frei.

 

Solidarität mit den Betroffenen des Brandanschlags in Neubrandenburg!

7. Oktober 2016

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Jeder Angriff ist ein Angriff auf alle – Solidarität mit den Betroffenen des Brandanschlags!

In der Nacht zum Sonntag kam es auf dem Datzeberg zu einem feigen Mordanschlag auf eine syrische Familie und letztlich das ganze Wohnhaus, bei dem vor der Wohnung der Familie befindliche Möbel in Brand gesteckt wurden. Zwölf Menschen mussten durch die Feuerwehr gerettet, drei Kinder sowie ein 60-jähriger Mann im Krankenhaus behandelt werden. Das Feuer griff auf zwei Wohnungstüren über und schnitt allen Bewohner_innen den Fluchtweg ab, der gesamte Treppenflur war komplett verraucht. Die Polizei vermutet einen „fremdenfeindlichen“ Hintergrund der Tat. Fakt ist: Dieser Anschlag hatte nur ein Ziel – er sollte Menschen verletzen und deren Tod wurde billigend in Kauf genommen.

Die Bündnisse Neubrandenburg Nazifrei und Neubrandenburg bleibt bunt deshalb dazu auf, am kommenden Sonnabend, dem 8. Oktober, ein Zeichen der Solidarität mit allen Betroffenen des Anschlags und allen Betroffenen rassistischer Gewalt zu setzen.

Dieser Mordanschlag ist für uns das Ergebnis einer längeren Entwicklung, der viele schon viel zu lang zuschauen. Schon vor Monaten wurden in Neubrandenburg Geflüchtete im Reitbahnviertel attackiert, immer wieder kommt es zu Übergriffen auf nicht-rechte Jugendliche und in ganz Mecklenburg-Vorpommern werden Geflüchtete und ihre Unterstützer_innen Ziele rechter Gewalt. Neonazis organisieren sich jenseits der NPD neu, treten zunehmend aggressiver und selbstbewusster auf, weil geistige Brandstifter, die versuchen, politisches Kapital aus der Unsicherheit mancher zu schlagen, ihnen den Nährboden bereiten.

Damit muss Schluss sein. Schluss mit der Verharmlosung des alltäglichen Rassismus, dem Menschen nicht-deutscher Herkunft und People of Colour ausgesetzt sind. Schluss mit dem Schweigen zu rassistischer Hetze, egal ob sie aus der organisierten Neonazi-Szene oder von der AfD oder auf der Familienfeier kommt. Schluss mit dem Schutz rechter Angreifer_innen durch wegschauen, verharmlosen und verschweigen. Schluss mit der Spaltung der Gesellschaft durch die rassistische Ideologie von Neid und Missgunst.

Schluss mit der Bequemlichkeit. Jeder Angriff ist ein Angriff auf alle.
Am 8. Oktober ein Zeichen setzen gegen Rassismus und rechte Gewalt.

Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus und Krieg

9. September 2016

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Vor 70 Jahren begründeten Überlebende der Konzentrationslager und Zuchthäuser der NS-Diktatur die Tradition , am zweiten Sonntag im September der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

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Gedenken an die OPfer des Faschismus 2012 in Rostock. (Foto: Archiv)

Als Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus und Krieg diese Tradition aufgreifend verbindet der „Tag der Mahnung, Erinnerung und Begegnung“ auch in diesem Jahr das Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes mit wichtigen Debatten der Gegenwart.

Nationalismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit haben Konjunktur. Rechtsextremistisch motivierte Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und Angriffe auf Menschen, die in unserem Land Zuflucht suchten, haben in den letzten Monaten stark zugenommen.

Der eben zu Ende gegangene Wahlkampf war vielfach von Stimmungsmache gegen Flüchtlinge geprägt. Angst und Sozialneid wurden geschürt. Nicht nur durch rechtsextreme oder rechtspopulistische Parteien. Debatten um Burka-Verbote, zu Grenzschließungen und konsequenten Abschiebungen von Flüchtlingen, um Obergrenzen und gegeseitige Schuldzuweisungen trugen wesentlich zur Verunsicherung der Wählerinnen und Wähler bei.
Die dadurch im Land entstandene Intoleranz gefährdet die Demokratie.

Wir respektieren all diejenigen, die vor neuen nationalen und internationalen Herausforderungen Ängste artikulieren, wir setzten uns jedoch konsequent mit denen auseinander, die diese Ängste schüren .
So erwarten wir auch vom neu gewählten Landtag in Mecklenburg-Vorpommern und der künftigen Landesregierung eine den Menschen zugewandte Politik, die die Angst vor einer angeblichen Überfremdung und die Angst vor einem sozialen Abstieg ernst nimmt und wirksam begegnet.

Die Mitglieder der VVN- BdA ( Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) Mecklenburg-Vorpommern erachten es daher als dringend notwendig am „Tag der Mahnung, Erinnerung und Begegnung“ deutlich zu machen, wohin Hass und menschenverachtendes Gedankgut führen können.
Gedenkveranstaltungen finden am Sonntag u.a. in Rostock und in Schwerin statt.

Nico Burmeister
Peter Ritter

Gedenken an die Opfer des Faschismus am 11. September

29. August 2016

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Am zweiten Sonntag im September gedenkt die Vereinigung der Verfolgtes des Naziregimes- Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) Rostock traditionell den Opfern der faschistischen Terrorherrschaft.

Die Kundgebung findet dieses Jahr am 11. September um 10 Uhr am Mahnmal am Rosengarten statt. Neben verschiedenen Redner*innen wird es die Möglichkeit geben, Blumen und Gebinde niederzulegen.

Nico Burmeister, Sprecher der VVN-BdA Rostock erklärt dazu: „In Zeiten, in denen Rechtspopulist*innen und andere Rassist*innen immer stärkeren Zulauf bekommen, ist es besonders wichtig daran zuerinnern, wohin Hass und menschenverachtendes Gedankengut führen können. Am 11. September setzen wir uns für ein buntes und tolerantes Rostock ohne Angst und Hass ein. Seien Sie dabei und kommen Sie zu unserer Kundgebung.“

Die VVN-BdA nimmt Abschied von Prof. Kurt Pätzold

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider

19. August 2016

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Wir müssen Abschied nehmen von einem großen antifaschistischen Geschichtswissenschaftler, Prof. Dr. Kurt Pätzold. Im Alter von 86 Jahren starb er am 19. August 2016.
Geboren am 3. Mai 1930 in Breslau erlebte er als Kind und Jugendlicher die faschistische Herrschaft, aber auch die Folgen des Krieges für die eigene Bevölkerung. Mit seiner Familie kam er 1945 nach Thüringen, wo er mit Antifaschisten in Kontakt kam und sich für einen antifaschistisch- demokratischen Neuanfang engagierte.
An der Friedrich Schiller Universität Jena beschäftigte er sich intensiv mit dem Thema Faschismus und Verantwortung der Konzerne, bevor er an der Humboldt-Universität Berlin sich mit dem Thema „Antisemitismus und Judenverfolgung (Januar 1933 bis August 1935). Eine Studie zur politischen Strategie und Taktik des faschistischen deutschen Imperialismus“ habilitierte. Dieses Thema und die Geschichte der NSDAP und ihrer Repräsentanten begleiteten ihn als Wissenschaftler bis zu seinem Tode. Als Inhaber des Lehrstuhls für deutsche Geschichte wurde er jedoch Anfang der 90er Jahre im Zuge der Abwicklung der Sektion Geschichte 1992 entlassen.

Wir haben Kurt Pätzold in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur als Wissenschaftler, sondern als engagierten Mitstreiter in den geschichtspolitischen Auseinandersetzungen erleben können.
Er mischte sich ein in die Goldhagen-Debatte, kämpfte als Wissenschaftler gegen die Denunziation der überlebenden Buchenwald-Häftlinge durch die Veröffentlichung von Niethammer/ Wannemacher „Die roten Kapos“. In der Debatte um die Ausstellung „Vernichtungskrieg“ und den „Fall Barbarossa“ zeigte er die Verdrängungen bundesdeutscher Geschichtssicht auf.

Wir haben Kurt Pätzold als Gesprächspartner, als Referent auf Kongressen und bei Veranstaltungen erlebt. Dort wurde er für seine wissenschaftlichen, aber auch klaren politischen Perspektiven geschätzt. Trotz zunehmend deutlicher Erkrankung war er bis in die letzten Tage seines Lebens von einer enormen Schaffenskraft geprägt.

Kurt Pätzold hat als Geschichtswissenschaftler der linken und antifaschistischen Bewegung einen enormen Fundus an Wissen und Erkenntnissen zur Verfügung gestellt. Als politischer Mensch hat er sich als Teil der fortschrittlichen Bewegung gesehen und sich vielfältig und engagiert an den kritischen Debatten über das Scheitern der DDR und der anderen sozialistischen Staaten beteiligt. Seine Stimme wird uns allen von nun an fehlen.

Für die VVN-BdA
Dr. Ulrich Schneider
Bundessprecher

Die enthemmte Mitte

geschrieben von Axel Holz

16. August 2016

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Elmar Brähler und Oliver Decker legen eine neue Studie zu rechtsextremen Einstellungen und zu PEGIDA-Anhängern vor.
Über 1.000 Angriffe auf Flüchtlingsheime gab es 2015 in Deutschland. Die Täter sind nicht selten Neonazis, aber immer öfter kommen sie aus der Mitte der Gesellschaft. Die neue Studie der Universität Leipzig zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung geht den dahinter stehenden Einstellungen seit 14 Jahren nach. Der Fokus liegt vor allem auf der Verbreitung rechtsextremer Einstellungen, die seit der letzten Studie vor zwei Jahren leicht angestiegen, insgesamt aber in der Entwicklung etwa konstant geblieben ist. In der Tendenz zeigt sich eine zunehmende Affinität der Bevölkerung für Vorurteile, die sich in den veränderten Titeln der Studie zeigt – von der „Mitte in der Kriese“ in 2012 über deren „Umbruch“ in 2014 zur „Enthemmten Mitte“ in 2016.
In gewisser Weise hatte die Leipziger Studie bereits von zwei Jahren die rechtspopulistische Anfälligkeit großer Bevölkerungsteile vorausgesagt. Die neue Studie zeigt nun keine wesentliche Zunahme rechtsextremer Einstellungen, die an sechs Kriterien gemessen werden und die zusammen ausgeprägte rechtsextreme Haltungen abbilden. Dazu gehören die Unterstützung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Sozialdarwinismus und die Verharmlosung des NS-Regimes. Die meisten Einstellungskriterien haben im einstelligen Bereich eine geringe Verbreitung, die Ausländerfeindlichkeit ist aber mit 22 Prozent ähnlich hoch wie der Chauvinismus mit 17 Prozent. Bezüglich des Vorurteils, das Ausländer nur hier her kämen, um den Sozialstaat auszunützen, stimmen sogar 40 Prozent der Bevölkerung im Osten und 30 Prozent im Westen zu. Zunehmend mehr Menschen stehen dem Islam feindlich gegenüber. „Wie ein Fremder im eigenen Land“ fühlen sich 20 Prozent der Bevölkerung, 40 Prozent wollen Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland verwehren. Gegen Großzügigkeit bei der Prüfung von Asylanträgen sprechen sich 80 Prozent der Befragten aus, 2011 waren es nur 26 Prozent. Diese problematischen Einstellungen finden sich, obwohl fast 52 Prozent der Bevölkerung mit ihrer wirtschaftlichen Lage zufrieden sind. Rechtsextreme Einstellungen sind nach wie vor in allen Bevölkerungsgruppen verbreitet, besonders aber bei ostdeutschen Männern im Alter zwischen 14 und 30 Jahren.
In den vergangenen Jahren wählten Menschen mit rechtsextremen Einstellungen überwiegend die großen Volksparteien CDU und SPD, selten die faschistische NPD. 2014 hatten Forscher die AfD als neuen politischen Anker für rechtsextremes Potential gesehen. Tatsächlich ist diese Prognose eingetreten. Besonders bei Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus findet sich eine große Anfälligkeit in der Wählerschaft der AfD und bei Nichtwählern gegenüber den übrigen Wählern. Das zeigt sich besonders bei der Betrachtung der Islamfeindschaft, die sich in großen Teilen der Bevölkerung findet, bei AfD-Wählern aber bei 86 Prozent liegt.
Die Studie der Leipziger Wissenschaftler untersucht seit Jahren neben klassischen rechtsextremen Einstellungspotentialen auch Vorurteile gegenüber Minderheiten. So lag die Abwertung von Sinti und Roma 2014 bei 58 Prozent. 60 Prozent der repräsentativ Befragten glauben, dass die Mehrzahl der Asylbewerber nicht wirklich verfolgt werde. 36 Prozent lehnten 2014 Ehen zwischen Homosexuellen ab. Zugenommen hat die Vorstellung, dass Homosexualität unmoralisch sei – von 16 Prozent in 2009 auf 25 Prozent in der jüngsten Umfrage. Allein die Demokratie als Idee gewinnt an Zustimmung bei mittlerweile 94 Prozent der Bevölkerung, vor Allem durch einen Zuwachs der Demokratiebefürworter im Osten, deren Anteil etwa 10 Prozent unter dem westdeutschen Niveau liegt. Im Konkreten sieht das aber anders aus: die Demokratie in der Bundesrepublik funktioniert nur in der Augen von 54 Prozent der Westdeutschen und 44 Prozent der Ostdeutschen. Vielleicht ist das das deutlichste Alarmsignal für mehr spürbare Beteiligung der Bevölkerung an demokratischen Prozessen und eine konsequentere Durchsetzung der ausgehandelten Schlussfolgerungen.
Zu den besonderen Untersuchungsgegenständen der Mitte-Studie gehören diesmal die Einstellungen der PEGIDA-Anhänger. PEGIDA-Anhänger vertreten demnach deutlich überdurchschnittlich rechtsextreme und islamfeindliche Haltungen. Dass es sich um eine Protestbewegung handelt, kann die Studie ausdrücklich nicht bestätigen. Das Motiv des politischen Verlusts und Entzugs (Deprivation) im Beziehungsgeflecht der PEGIDA-Anhänger findet die Studie nur sehr schwach ausgeprägt.

NPD und AfD »rechts oben«

12. August 2016

Analyse der rassistischen Mobilisierung in Mecklenburg/Vorpommern

Seit zehn Jahren sitzt die NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, ihrer letzten Landtagsbastion in Deutschland. Für die NPD ist das ein wichtiger Standort, denn von hier aus werden seit der Schließung der NPD-Zentrale in Berlin die Geschäfte der NPD geführt, von hier aus wird die regionale Szene organisiert und finanziert, von hier aus wurde die rechte Szene regional fest verankert, wie es Andrea Röpke in einem ihrer neuesten Bücher beschreibt. Bei der letzten Landtagswahl hatte die NPD im Lande mit 40.075 Stimmen fast ein Drittel ihrer Wähler verloren und mit sechs Landtagsmitgliedern ein Mandat. Nur knapp war ein weiteres Mandat durch einen Nachwahlgang auf der Insel Rügen erhalten geblieben. Das war das Ergebnis einer geringeren Wahlbeteiligung, aber auch einer jahrelangen konsequenten Auseinandersetzung der Medien mit der NPD, der demokratischen Parteien und der politisch aktiven Bündnisse, die vor einem weiteren Erstarken der Nazi-Partei und anderer völkischer Organisationen warnten und gegen sie antraten.

Auch bei den Kommunalwahlen verlor die NPD 2014 40 Prozent ihrer Stimmen. Dennoch sind seitdem weitere Kader der bundesweiten rechten Szene mit und ohne Anwesenheit im Landtag durch die Landtagsfraktion finanziert oder geschult worden. Als Praktikanten firmierten in der Fraktion Vertreter verschiedenster Kameradschaften, Stadt- und Kreistagvertreter der NPD aus Teterow und Rostock und aus den Landkreisen Rostock und Mecklenburgische Seenplatte, wie Adrian Wasner und Norman Runge. Seitdem provoziert die NPD weiter im Landtag und verbreitet ihre rassistischen Thesen, wie es der jetzige Bildungsminister Mathias Mathias Brodkorb über die erste Legislaturperiode der NPD in einem Buch beschrieben hatte. Die demokratischen Parteien im Landtag reagierten mit dem »Schweriner Weg«, der die effektive Arbeitsfähigkeit des Parlamentes erhalten sollte, indem alle Parteien die Anträge der NPD ablehnten und jeweils ein Demokratie-Vertreter sich öffentlich mit der NPD auseinandersetzte. Die Themen und Probleme, die die Menschen im nördlichsten Bundesland beschäftigen, wurden von der NPD selten und meist ohne aktuelle Bezüge angefasst. Stattdessen hetzt die NPD bereits seit Jahren gegen Geflüchtete und Asylbewerber und gegen die staatliche Unterstützung von Demokratieinitiativen. Begleitet wurden diese Angriffe durch eine Anti-Asyl-Tour der Landtagsfraktion, kaum beachtete Mahnwachen und Demos in Güstrow und Ückermünde. Die NPD-Kader blieben dabei meist unter sich. Im Landtag agierte die NPD mit der Herabwürdigung von Demokratie und Demokraten, nicht selten verbunden mit Beleidigungen und Drohungen. Gleichzeitig nutzt sie den Landtag, um Nazistrukturen in der Region zu verstetigen, begleitet von einer massiven Zunahme der Gewalt gegen Flüchtende und Andersdenkende. Der Landtag regierte auf die Attacken der NPD mit Argumenten, Ordnungsrufen und Anzeigen, die auch in Strafverfahren gegen NPD-Abgeordnete mündeten. Neben der Verunsicherung der NPD-Kader durch eine tiefe finanzielle Krise und das drohende Parteienverbot hat die Schweriner Landtagsfraktion auch keine Strategie für ihren Wiedereinzug. Durch die rechtspopulistische Konkurrenz der AfD, die kommunal vielfach mit der NPD gegen die regionale Flüchtlingsunterbringung und gegen Kirchenasyl stimmte, droht zudem eine existenzgefährdende Konkurrenz im Landtagswahlkampf. Seit geraumer Zeit agiert die NPD erfolgreich unter fremder Flagge in rechten Bündnissen, wie MV-GIDA, »Deutschland wehrt sich« oder »Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit« mit teilweise doppelt so hohen Zusprüchen auf 20 anonym eingerichteten Faceboock-Seiten, wie auf den Homepages der NPD und der AfD.

In 16 Demos seit Ende 2014 hatte das NPD-Produkt MV-GIDA bis zu 600 vermeintliche Wutbürger mobilisiert. Neu ist aber auch der Gegenprotest gegen die NPD in vielen Teilen des Landes. Die Landes-AfD tritt im Herbst als Teil rechter Mobilisierung mit einem im Spektrum der AfD erkennbar rechten Landesverband zur Landtagswahl an. Die Medien reagierten bisher mit der Offenlegung der personellen Kontinuitäten und Kontakte zur rechten Szene, mit der Information über wegen Volksverhetzung oder krimineller Geschäfte angeklagter oder verurteilter AfD-Funktionäre und der Ächtung rassistischer Äußerungen. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD-Programmatik, ihrer Rolle bei der Verschärfung von rassistischen Vorurteilen und über den Umgang mit der AfD im künftigen Landtag wird aber bisher wenig geführt.

Colonia Dignidad

geschrieben von Axel Holz

16. Juni 2016

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Das ist der Name eines 300 Quadratkilometer befestigten und abgelegenen Siedlungsareals in Chile, auf dem Paul Schäfer 1961 zusammen mit anderen Deutschen eine christlich-fundamentalistische, autoritäre Sekte geründet hatte. Gegen Schäfer wurde vorher in Deutschland wegen Kindesmissbrauchs ermittelt. In der Siedlung wurden die Einwohner streng nach Geschlecht getrennt. Kinder wurden den Eltern entzogen und viele Jungen von Sektenführer Schäfer missbraucht. Die „Kolonie der Würde“ basierte auf Unterwerfung der Einwohner in einem nahezu militärisch gesicherten Terrain und existierte wirtschaftlich autark auf der Basis eines zwangsweisen, täglich bis zu 17 Stunden währenden Arbeitsregimes und sektenmäßiger Indoktrination der Bewohner. Aber auch auf der Basis der Zwangsarbeit politischer Gefangener des Pinochet-Regimes, von denen allein 1977 112 auf dem Gelände festgehalten und von chilenischen Geheimdienstmitarbeitern der DINA gefoltert wurden, wie der Colonia-Scherge Gerhard Mücke bestätigte. 2005 räumte er vor Gericht ein, dass er 18 bis 21 Leichen Oppositioneller aus Massengräbern verbrannt habe, um Spuren zu beseitigen.
Hier wurden auch illegal Waffen aus Deutschland beschafft und gehortet, das Giftgas Sarin produziert und verbrecherische medizinische Versuche an Häftlingen durchgeführt.

Der Staat im Staate war ein Stützpunkt Chiles für einen möglichen Krieg gegen Peru und Argentinien. Hier befanden sich Sendeanlagen, Flugpisten und Waffen, von denen Fahnder 3,5 Tonnen ausgruben. Nachforschungen des Journalisten Gero Gemballa machten deutlich, dass es mit Paul Schäfer in der Colonia nicht nur einen Täter gab, sondern ein institutionalisiertes Geflecht aus deutschen, chilenischen und internationalen Wirtschafts- und Geheimdienstinteressen. In der Colonia war nicht nur Pinochet mehrfach zu Gast, sondern auch die CSU-Politiker Franz Josef Strauß und Wolfgang Vogelsang. An diesem Interessengeflecht scheiterten Jahrzehnte alle Versuche, die kriminelle Vereinigung auszuschalten. Erste Berichte von Geflüchteten aus dem Jahre 1966 oder später 1986 gegenüber Mitarbeitern der deutschen Botschaft fanden lange kein Gehör.

Um zwei dieser Geflüchteten geht es nun im gleichnamigen Film von Florian Gallenberger mit Daniel Brühl und Emma Watson in den Hauptrollen. Daniel Brühl spielt den kritischen Fotografen Daniel, der die sozialistische Bewegung in Chile dokumentiert und Plakate für Präsident Allende entwirft. Daniel verliebt sich in die Lufthansa-Stewardess Lena, wird während des Pinochet-Putsches 1973 verhaftet, aus dem berüchtigten Stadion in Santiago in die Colonia Dignidad entführt und dort gefoltert. Seine deutsche Freundin erfährt von seinem Aufenthaltsort und versucht ihn zu finden, indem sie sich als christliche Interessentin zur Mitarbeit in der Colonia anbietet. Bisher hat im Film kein Mensch die Colonia lebend verlassen. Tatsächlich findet sie ihren Freund, der sich inzwischen, um den Folterungen zu entgehen, debil verstellt hat und in einer Werkstatt unter Aufsicht gestellt wird. In der Sekte ist Lena dem Misstrauen und Drohungen des Sektenführers Paul Schäfer ausgeliefert, der durch den norwegischen Darsteller der Millenium Trilogie Michael Nyqvist überzeugend dargestellt wird.

Oscarpreisträger Florian Gallenberg hat die Lebensumstände im hermetisch abgeriegelten Lager sogfältig recherchiert. Die Schilderungen ehemaliger Sekten-Opfer über Folter, Teufelsaustreibungen und den Missbrauch von Kindern hatten ihn tief beeindruckt. Paul Schäfers Kontakte in die deutsche Politik werden zum Schluss des Films angedeutet, als Daniel und Lena die Flucht durch Elektrozaun und Selbstschussanlage gelingt und sie nur knapp einer Auslieferung an Paul Schäfer durch Botschaftsangehörige entgehen, als sie bei der deutschen Botschaft Schutz suchen und Folter-Beweise vorlegen. Der Spielfilm hat die Militärdiktatur in Chile und ihre Verflechtung mit Paul Schäfers Sekte öffentlichkeitswirksam in Erinnerung gebracht. Aber auch die Verstrickung der BRD in das Geschäft der mörderischen Sekte. Dies war ein Auslöser dafür, dass Bundesaußenminister Steinmeier die Geheimhaltung der Unterlagen des Auswertigen Amtes hierzu um zehn Jahre zurückstufte.

Sektenführer Schäfer wurde nach zehnjähriger Flucht 1997 in Argentinien verhaftet und starb 2010 in einem Gefängnis in Santiago. Zahlreiche weitere Täter flohen unbehelligt nach Deutschland in einen sicheren Hafen. Darunter findet sich auch der frühere Sektenarzt Hartmut Hopp, der in Chile zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde und sich nach Krefeld absetzte. Er wusste, dass Deutschland seine Staatsbürger nicht ausliefert. Inzwischen wurde Hopp auch des Mordes angezeigt. Die Krefelder Staatsanwaltschaft versucht seit Monaten den chilenischen Antrag auf deutsche Vollstreckung beim Landgericht einzureichen. In Kürze soll es soweit sein. Die deutschen Ermittlungen gegen Hopp sind seit Jahrzehnten ergebnislos und viele Taten inzwischen verjährt.

Stoppt den historischen Revisionismus in Europa

geschrieben von FIR

14. Juni 2016

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71 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg, sieht die FIR mit großer Sorge ernsthafte Probleme in mehreren europäischen Ländern, vor allem in Mittel- und Osteuropa (Polen, Baltikum, Ungarn, der Ukraine und Kroatien et.al.) aufgrund der geschichtsrevisionistischen Tendenzen.

Es ist nicht hinnehmbar, dass Denkmäler der Befreier demontiert oder durch die gegenwärtigen politischen Regierungen zerstört werden wie in Polen, Kroatien und der Ukraine.
Es ist nicht hinnehmbar, dass der heroische Kampf der Partisanen und Widerstandskämpfer denunziert und dessen Bedeutung in der Öffentlichkeit abgewertet wird.
Es ist nicht hinnehmbar, wenn der Faschismus mit dem Kommunismus oder die Führer der antifaschistischen Siege mit NS-Verbrechern verglichen werden.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Nazi-Kollaborateure und SS-Soldaten hoch geehrt werden wie in baltischen Staaten und in der Ukraine und sie als „Freiheitskämpfer“ bezeichnet werden.
Es ist nicht hinnehmbar, dass die heutigen Generationen mit fehlerhaften Informationen und revisionistischen Ansichten über den Kampf des Widerstands konfrontiert werden wie in Polen und Ungarn.

Wir verurteilen alle diese Arten von historischen Revisionismus. Es ist politisch gefährlich, weil diese Geschichtsfälschung oft mit der politischen Akzeptanz der extremen Rechten und offen faschistischer Gruppen und Propaganda, wie in der Ukraine verbunden ist. Wie wir sehen können, gibt es solche Tendenzen auch in Polen oder Ungarn.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände treten ein für die historische Wahrheit über den Kampf des antifaschistischen Widerstands und die Bewahrung der Erinnerung an diejenigen, die gegen Faschismus und Krieg gekämpft haben. Wir erinnern uns an alle Frauen und Männer, die ihr Leben opferten, ihre Gesundheit und ihre Freiheit riskierten, um für die Freiheit ihres Landes und die Befreiung Europas zu kämpfen.

Wir sehen mit Stolz, dass in einigen Ländern die antifaschistischen Widerstandskämpfer und Veteranenverbände in der Lage sind zu diesem Thema die jüngeren Generationen zu mobilisieren, wie wir es in Italien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Russland und einigen anderen europäischen Ländern erleben. Dies sind hoffnungsvolle Signale, dass alle Versuche des historischen Revisionismus ihre politische und antifaschistische Antwort finden.

Wir ermutigen Schulen und Universitäten, Historiker, Pädagogen und antifaschistische Kämpfer, weiterhin jungen Menschen die Geschichte des Kampfes gegen den Faschismus und die reale Geschichte des Zweiten Weltkrieges nahezubringen.

Wir fordern das Europäische Parlament und die politisch Verantwortlichen in allen europäischen Ländern auf, ihren eigenen öffentlichen Erklärungen zu folgen – angesichts der 70. Jahrestag der Tage der Befreiung/ Tage des Sieges – nie wieder solchen Geschichtsrevisionismus zuzulassen und die Ehre der Widerstandskämpfer und der Opfer des Nazismus zu verteidigen.

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