Widerstand am Kriegsende

geschrieben von Axel Holz

20. Juni 2025

Zum Kriegsende stellten sich zahlreiche Menschen den NS-Zerstörungsbefehlen entgegen und versuchten, die sinnlose Verteidigung ihrer Heimatorte zu verhindern. Einigen Widerständlern wurde im Nachkriegsdeutschland bereits früh gedacht, andere blieben lange Zeit vergessen. Die Ausstellung „1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende“ in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand erinnert an diese Menschen und an ihren Mut angesichts der Todesdrohungen der NS-Führung. Im September 1944 hatten alliierte Truppen die Grenze Deutschlands bei Aachen überschritten und die rote Armee rückte im Oktober in Ostpreußen ein. Trotz dieser militärischen Übermacht rief die NS-Führung zum Kampf bis „zum letzten Blutstropfen“ auf. Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung sollte jeder Ort verteidigt werden. Strategische Verbindungen, Brücken und Industrieanlagen sollten einem Befehl zu Folge zerstört werden. Wer sich dem widersetzte oder Kritik am Regime äußerte riskierte den Tod.

An vielen Orten in Deutschland stellten sich aber Einzelne und ganze Gruppen den Zerstörungsbefehlen der Nazis entgegen. Sie entwaffneten Mitglieder des Volkssturms, setzten Bürgermeister und NS-Funktionäre ab, Namen Kontakt zu den Alliierten ab, hängten weiße Laken heraus, bauten Verteidigungsanlagen ab oder protestierten gegen die Sinnlosverteidigung der Nazis. In einigen Orten forderten die Einwohner öffentlich eine kampflose Übergabe der Städte und Dörfer, darunter viele Frauen. Das Spektrum der Widerstandhandlungen kurz vor Kriegsende reichte von spontaner Verweigerung bis hin zu Aktionen politische NS-Gegner, die Nazis-Führer vor Ort zu entmachten. In einigen Fällen gelang die friedliche Übergabe an alliierte Truppen, nicht wenige Akteure mussten ihren Mut wenige Tage vor Kriegsende mit den Leben bezahlen.

Widerstand in Dachau

Besonders tragisch ist das Schicksal einiger Dachauer Häftlinge, von denen elf Häftlingen am 25. April 1945 mit Hilfe der ehemaligen Häftlinge Georg Scherer und Walter Neff die Flucht aus dem KZ gelang. Eine zweite Gruppe um den Sozialdemokraten Jakob Schmied beriet seit Anfang April darüber, wie eine Verteidigung der Stadt verhindert werden könne. Von der Existenz der Gruppe ehemaliger KZ-Häftlinge erfuhren sie erst am Vorabend des Aufstands. Am 28. April hörten sie im Radio die Aufrufe der „Freiheitstaktion Bayern“, die zwei Sender in München und Islaming besetzt hatte und zum Aufstand aufrief. Die Sprecher der etwa 400 Personen um eine Dolmetscher-Kompanie erklärten die Regierungsübernahme, forderten dazu auf, NS-Funktionäre zu entmachten und verlasen ein demokratisches 10-Punkte-Programm. Die Rundfunkaufrufe führten in Bayern zu fast 80 weiteren Aktionen, an denen etwa 1.000 Menschen beteiligt waren. Rudolf Hübner, der Kampfkommandant von München, organisierte noch am selben Morgen die Niederschlagung des Aufstandes. Einer der Organisatoren, der Adjutant des Befehlshabers im Wehrkreiskommandos VII, Günther Carraciola-Delbrück, wurde umgehend verhaftet und wie viele weitere Beteiligte von SS-Leuten ermordet, darunter auch die aus dem KZ geflohenen Häftlinge Erich Hubmann, Anton Hackl und Fritz Dürr. Ermordet wurden auch der Dachauer Arbeiter Johann Pflügler und einige Volkssturmangehörige, die sich der Widerstandsaktion angeschlossen hatten. Am Folgetag besetzten Soldaten der US-Armee Dachau und befreiten das Konzentrationslager. Bereits am 14. September 1947 wurde auf dem Rathausplatz eine Gedenktafel für die Opfer des Aufstands angebracht.

Zahlreiche lokale Aktionen

Ähnliche Aktionen gab es in weiteren Orten Deutschlands. Oft wurden Gedenkorte für die Opfer des Widerstandes durch Angehörige oder lokale Initiativen erst spät errichtet, die mittlerweile häufig durch die Bürgermeister der betroffenen Orte zum Gedenken genutzt werden. In Greifswald gelang es dem Stadtkommandanten Rudolf Petershagen mit Unterstützung des Universitätsprofessors Carl Engel, des Wehrmachtsobersts Otto Wurmbach und des Klinikdirektors Gerhard Katsch am 30. April, die Stadt kampflos an die Rote Armee zu überbergeben. Glück hatten auch zahlreiche Frauen in Pfullingen, die am 20. April mit dem Abbau von Panzersperren begannen, um die sinnlose Verteidigung der Stadt und den Tod weiterer Menschen zu verhindern. Anschließend zogen sie zum Protest spontan vor das Rathaus. Noch am 13./14. April hatte der Reutlinger Anzeiger die Bekanntmachung des Gauleiters veröffentlicht, in der er beim Abbau von Panzersperren und dem Hissen weißer Fahnen die Todesstrafe androhte. Der Pfullinger Kampfkommandant floh vor dem Protest aus dem Rathaus und die Protestlerin Sofie Schlegel beschloss, den französischen Truppen in weißem Kleid mit weißer Fahne entgegenzugehen. Über den „Pfullinger Frauenaustand“ informiert seit 2023 eine Erinnerungsstele am Pfullinger Rathaus.

Revision der Geschichte verhindern

Nicht in der Ausstellung enthalten ist die Aktion einer informellen Gruppe in Güstrow, der auch die Ukrainerin Slata Kowalewskaja angehörte. Die Gruppe hatte zum Kriegsende die friedliche Übergabe der Stadt an die Rote Armee arrangiert. Im Güstrower Anzeiger und der Welt wurde eine Studie des Rostocker Historikers Dr. Ingo Sens gewürdigt, die den angeblichen Mythos von der kampflosen Übergabe der Stadt Güstrow am 2.Mai 1945 widerlegen sollte. Die VVN hatte sich gegen den Revisionismus dieser Studie gewandt, die die ukrainische Ehrenbürgerin der Stadt abwerten sollte. Die Stadtvertretung in Güstrow hatte 2020 auf Antrag von SPD, Linken und Freien Wählern die beauftragte Studie mehrheitlich als unwissenschaftlich abgewiesen. Die Erinnerung an Widerstand zum Kriegsende ist heute ebenso notwendig wie die Abwehr der Versuche, die mutigen Taten der Widerständler zu relativieren oder gar zu nivellieren.

Gedenken in Güstrow an Liselotte Herrmann und Erinnerung an den Überfall auf die Sowjetunion

20. Juni 2025

In Güstrow wurde am 20. Juni am Denkmal vor der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege der Ermordung der Kommunistin, Studentin und Mutter Liselotte Herrmann am 20.06.1936 gedacht sowie des Überfalls auf die Sowjetunion durch die Wehrmacht am selben Tag im Jahre 1941. Wilfried Schubert würdigte vor 30 Teilnehmenden die Leistung der Sowjetarmee bei der Befreiung vom Faschismus und kritisierte den Ausschluss Russischer Vertreter von den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus in Deutschland und Europa. Gleichzeitig warnte er vor neuer Kriegstüchtigkeit und Aufrüstung, wie sie derzeit betrieben werde. Einen dauerhaften Frieden könne es in Europa nur mit Russland und nicht gegen Russland geben. Dazu seien alle Anstrengungen zur Friedensherstellung zu konzentrieren unter Berücksichtigung der Interessen aller beteiligten Seiten.

Eröffnung des neuen Gedenkortes für Verfolgte des Naziregimes in Rostock

27. Mai 2025

In Rostock wurde nach 23 Jahren Kampf der VVN-BdA für einen zentrealen Gedenkort aller von den Nazis Verfolgten und auf dem Neuen Friedhof Begrabenen am 24. Mai 2025 ein neuer Gedenkort auf dem Neuen Friedhof in Rostock eingeweiht. An der Eröffnung nahmen über 100 Gäste teil, darunter neben der Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger auch Landtagsabgeordnete und Mitglieder des Rostocker Senats. Die Einweihung wurde mit der szenischen Lesung „Stimmen der Verfolgten“ von Lydia Wilke und Paul Lücke eröffnet. Danach begrüßte Oberbürgermeisterin Eva Maria Kröger die Anwesenden. In einem Redebeitrag schilderte Hannelore Rabe von der VVN-BdA das tragische Schicksal einer Überlebenden, die ihr weiteres Leben von der frühen Trennung von ihrer Familie als Kind gezeichnet war. Der Kunsthistoriker und stellvertretende Direktor des Staatlichen Museums Schwerin, Dr. Gerhard Graulich, ordnete die Architektur des neuen Denkmals am neuen Gedenkort ein. Die Veranstaltung wurde mit dem Stück „Rückblick“ des Musik-Ensembles Schmidt4Brasz umrahmt. Im Zentrum des neuen Gedenkortes befindet sich das Denkmal „Zwei Stehende“ der Künstlerin Julia Hansen.

Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger, Hannelore Rabe und die Architektin des neuen Denkmals „Zwei Stehende“, die Künstlerin Julia Hansen

Gedenken zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus in Rostock

13. Mai 2025

Zum Vorabend des 80. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus luden die Rostocker Basisorganisation der VVN-BdA gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung MV zu einer Gedenkveranstaltung in das Peter Weiss Haus ein. Unter dem Motto: „Wie Rostock nach dem Ende von Krieg und Faschismus wieder zu leben begann“ fand eine Lesung aus der Rostocker Chronik zu den Monaten ab Mai 1945 statt. Die etwa 100 Anwesenden gedachten der Leistungen jener Antifaschisten und Verfolgten des Naziregimes, die sich unmittelbar nach der Befreiung Rostocks durch die Rote Armee am 1. Mai 1945 in den Dienst des Neuaufbaus der Stadt und einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung stellten. Nach der Lesung fand ein lebhaftes Gespräch statt, in welchem der Bezug der Befreiung vom Faschismus durch die Rote Armee und des Kriegsendes vor 80 Jahren zur aktuellen angespannten internationalen Lage hergestellt wurde. Der Gedanke “Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ bestimmte die Meinungsäußerungen der Redner unterschiedlichen Alters.

Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2025 in Schwerin

geschrieben von Axel Holz

8. Mai 2025

Vor 80 Jahren haben die Alliierten Streitkräfte den Zweiten Weltkrieg militärisch beendet und die bedingungslose Kapitulation Deutschlands erzwungen. Dieser Krieg Hiltlerdeutschlands hatte über 60 Millionen Opfer gefordert – Soldaten und Zivilisten, Frauen, Kinder und Alte. Darunter befinden sich auch sechs Millionen jüdische Opfer der systematischen und industriellen Vernichtung aus ganz Europa, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Menschen mit Behinderungen, politische Gefangene und Widerständler, Sinti, Roma, Christen und andere religiöse Menschen. Auf dem Vormarsch der Alliierten wurden Hundertausende Häftlinge in den KZs oder auf Todesmärschen, aber auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter befreit.

Das militärisch erzwungene Kriegsende ermöglichte die Befreiung des zuvor besetzten Europas und Deutschlands vom Faschismus in seinen nationalen Ausprägungen als Nationalsozialismus, italienischem Faschismus oder als faschistische Diktaturen in Ungarn, Rumänien oder Kroatien bzw. als Befreiung von faschistischer Okkupation. Auch die Deutschen wurden von einer Diktatur befreit, in der brutale Gewalt gegen Andersdenkende  und Ausgegrenzte herrschte und die Menschen ihrer demokratischen und Freiheitsrechte beraubt wurden.

Diese Befreiung wurde von vielen Deutschen zunächst als Zusammenbruch wahrgenommen und es dauerte im Westen Deutschlands noch Jahrzehnte, bis Bundespräsident von Weizsäcker 1985 erstmals von einem Tag der Befreiung sprach. Selbst zu diesem Zeitpunkt gab es immer noch heftige Widerstände in Teilen der Bevölkerung gegen diese Einschätzung, die durch die konservative Geschichtsdebatte im sogenannten Historikerstreit und eine aktive Naziszene befördert wurden.

Heute gibt es in Deutschland eine aktive Erinnerungskultur, in der alle Opfergruppen der Nazi-Diktatur einen Platz und würdige Anerkennung erfahren. Die Erinnerung an die Naziverbrechen und insbesondere den Holocaust gehört zur deutschen Staatsräson.

Dennoch kritisieren Persönlichkeiten wie Michel Friedmann zurecht, dass trotz KZ-Gedenkstätten, Schulunterricht, politischer Bildung und Mahnreden immer noch zu wenig getan wird, um Antisemitismus, Nationalismus und der Ausgrenzung einzelner Menschengruppen aktiv und wirksam im Alltag entgegenzuwirken. Dies ist umso tragischer, weil die Zeit drängt.

Denn mittlerweile tragen ein Drittel der Wähler im Osten eine geforderte Wende in der Erinnerungskultur mit, nämlich weg vom Gedenken an die NS-Opfer oder nehmen sie billigend in Kauf. Politiker, für die die Nazi-Diktatur nur ein „Fliegenschiss der Geschichte“ war, das Holocaustdenkmal ein „Denkmal der Schande“ statt der Erinnerung und Mahnung ist, finden in Teilen der Bevölkerung offensichtlich bedenkenlose Zustimmung. Die Ausgrenzung von Menschengruppen wird vielfach wieder hingenommen oder sogar vorangetrieben.

Deshalb ist es heute wichtiger denn je,  das Gedenken an das  größte Verbrechen der deutschen Geschichte –  an Holocaust, KZ-System und Vernichtungskrieg –  wach zu halten, ansprechend zu vermitteln und im Gedächtnis des Landes und der Menschen zu verankern. Deshalb bleibt es wichtig, die mörderischen Erfahrungen der Ausgrenzung von Menschen für mehr Toleranz und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit  immer wieder zu thematisieren und ins Bewusstsein zu heben.

Die neue Broschüre zu den Gedenkorten der Todesmärsche zum Kriegsende in Mecklenburg-Vorpommern kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Sie informiert umfassend, kann Zuversicht geben und zur Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte motivieren.

Davon zeugen die bisher ungebrochene aktive Erinnerungskultur des Landes in Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur aber auch die Unterstützung  und Pflege der Erinnerungsorte des Todesmarsches durch zahlreiche Kommunen und Einzelpersonen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus – Blumen für die ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen

7. Mai 2025

Gedenkort Am Grünen Tal in Schwerin

Gedenken anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus in Schwerin

geschrieben von VVN-BdA Schwerin-Westmecklemburg

2. Mai 2025

wir laden im Namen der Osteuropa Freundschaftsgesellschaft MV e. V., dem Deutsch-Russischen Kulturzentrum KONTAKT e.V., dem Verein für kulturelle Jugendarbeit und Integration Kuljugin e. V., dem Friedensbündnis Schwerin und der VVN-BdA Westmecklenburg-Schwerin herzlich zum Gedenken aus Anlass des 80. Jahrestages der Befreiung vom Hitler-Faschismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa am Dienstag, dem 08.05.2024 um 17.00 Uhr, auf den Ehrenfriedhof am Platz der OdF ein. Es sprechen der Landtagsabgeordnete Henning Förster sowie Kerstin Voigt, Axel Holz und Heinz Schmidt. Das Ablegen der Gebinde und Blumen zum ehrenden Gedenken an die Opfer von Faschismus und des Zweiten Weltkrieges bildet den Abschluss der Gedenkveranstaltung.

Gedenken zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus in Rostock

2. Mai 2025

am 8. Mai 1945 wurde Deutschland vom Nationalsozialismus befreit. Damit ging das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte zu Ende.

Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung richtet die Hanse- und Universitätsstadt Rostock eine offizielle Gedenkfeier aus. Die Feierlichkeiten finden am 8. Mai 2025 ab 16 Uhr auf dem Sowjetischen Ehrenfriedhof auf dem Puschkinplatz statt. Es spricht Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger. In einer szenischen Lesung werden Erinnerungsberichte aus den Tagen der Befreiung Rostocks vorgetragen und Musikerinnen und Musiker der Norddeutschen Philharmonie werden die Veranstaltung musikalisch rahmen. Im Anschluss können Blumen und Kränze am Denkmal abgelegt werden.

Weitere Veranstaltungen:

Am 8. Mai 2025 findet ab 20 Uhr die  Uraufführung: Gedenkoratoriums „Wir, die Lebenden“ in der St. Nikolai Kirche. Das Oratorium zum Gedenken an den Tag der Befreiung von Eckart Reinmuth und Karl Scharnweber collagiert vier Sprechtexte und fünf Chorgesänge und wird an diesem Abend uraufgeführt. Dr. Heinrich Prophet, Präsident der Rostocker Bürgerschaft, wird die Veranstaltung eröffnen. Bei der Veranstaltung handelt es sich um eine Kooperation zwischen dem Institut für Text und Kultur der Universität Rostock, dem Kempowski-Archiv Rostock, dem Volkstheater Rostock und der St.-Johannis-Kantorei Rostock. Eintrittskarten und weitere Informationen:

Widerstand im Glauben

geschrieben von Axel Holz

10. April 2025

Die US-Produktion „Bonhoeffer“ in der Regie von Todd Komarnicki läuft seit Mitte März in den deutschen Kinos und ist umstritten. Das liegt auch daran, dass es der Regisseur mit der historischen Wahrheit nicht ganz so genau nimmt und diese Abweichungen als künstlerische Freiheit verkauft. Wenn aber dabei herauskommt, dass Bonhoeffer angeblich mit Churchill in Verbindung stand und an Attentatsplänen auf Hitler direkt beteiligt war, entspricht das nicht der Wahrheit. Bonhoeffer kannte über Hans von Dohnanyi solche Pläne, war aber nicht an deren Umsetzung beteiligt. Im Film wird Bonhoeffer zum Kriegsende von den Nazis hinter einer Scheune auf einem Feld erhängt. Tatsächlich fand die Hinrichtung am 9. April 1945 nackt im Konzentrationslager Flossenbürg statt, wie dies in der Verfilmung des Stoffs mit Ulrich Tukur aus dem Jahr 2000 gezeigt wird, ohne dabei die Würde des Opfers zu verletzen. Der Film hat aber auch Stärken darin, wie das Ringen Bonhoeffers mit seinen Entscheidungen und seinem Glauben dargestellt und seine Zweifel und Schwächen vermittelt werden. Auch wenn einige Details von Bonhoeffers Aufenthalt in den USA erfunden sind, macht der Film seine tiefe Betroffenheit über den dort herrschenden Rassismus deutlich. Ein afroamerikanischer Freund hatte ihn mit nach Harlem in die Kirche mitgenommen und auch später eine gemeinsame Reise in den besonders rassistischen Süden der USA der dreißiger Jahre organisiert. Dass Bonhoeffer in einem Jazzclub gleich am Klavier mit exzellenter Begleitung brilliert, sei dahingestellt. Entscheidend ist für die filmische Verarbeitung, dass Bonhoeffer durch seine Berührung mit dem amerikanischen Rassismus auch gegen die Diskriminierung und Entrechtung der Juden in Deutschland besonders gewappnet war.

Vereinnahmung durch fundamentalistische Evangelikale

Der Film „Bonhoeffer“ wurde durch christliche-nationalistische Kreise in den USA vereinnahmt. Das war der entstellenden Vermarktung durch die rechtsevangelikale Firma Angel Studios geschuldet. In den USA erschien der Film unter dem Titel „Priester, Spion und Attentäter“ mit einem Porträt von Bonhoeffer auf dem Plakat, das ihn mit einer Waffe zeigte. Diese Gewaltinszenierung habe mit dem pazifistischen Denken Bonhoeffers nicht das Geringste zu tun, kritisierten die Nachfahren seiner sieben Geschwister in einem Brief. Auch die Produktionsfirma, Regisseur Komarnicki und die Schauspieler des Films schlossen sich dieser Kritik an. Die Produzenten betonen inzwischen auch auf ihrer Homepage, dass der Film keinerlei Verbindung mit der umstrittenen Bonhoeffer-Biografie von Eric Metaxa habe, die Bonhoeffer mit rechtem und nationalistischem Gedankengut in Zusammenhang bringt. Bonhoeffer stand genau für das Gegenteil – für Freiheit, für Liberalität und gegen Ausgrenzung. Aus seiner christlichen Prägung heraus war er überzeugt, dass alle Menschen gleich sind und wandte sich gegen jeglichen Mißbrauch der Macht. Nationalistische Sprüche wie „America first“ wären nie über seine Lippen gekommen, wie der Trump-Anhänger Metaxa in seiner Bonhoeffer-Biografie den Theologen verzerrend umdeutet.

Bessere Alternative

Es stellt sich die Frage, warum der Stoff um Bonhoeffer neu verfilmt wurde, zumal die amerikanisch-deutsch-kanadische Verfilmung „Dietrich Bonhoeffer – die letzte Stufe“ vom Jahr 2000 mit Ulrich Tukur als Bonhoeffer die Latte für eine qualifizierte Verfilmung hoch gelegt hatte. Auf dem Monte-Carlo TV Festival gewann dieser Film ebenfalls wie auf dem Filmfest München einen Preis. Er war unter intensiver Einbeziehung von Bonhoeffer-Experten entstanden und bringt das Denken, die Theologie und den Glauben Bonhoeffers viel klarer auf die Leinwand als die Neuverfilmung. Die Verfilmung unter der Regie von Eric Till in Kooperation mit dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg stellt auch deutlicher dar, wie es zum Faschismus gekommen war und wie die ganze Gesellschaft von den Nazis vergiftet wurde.

Bonhoeffer hatte sich in der Bekennenden Kirche mit anderen Pfarrern gegen den Missbrauch des Glaubens durch die deutschen Kirchen gewandt, die sich weitgehend an die Nazis angepasst hatten. Die deutsche Kirche müsse sich auf Gottes Wort allein berufen, nicht auf eines Mannes Wort und insbesondere nicht auf das Wort des Führers, wird von Bonhoeffer im Film mutig von der Kanzel gerufen. Sich gegen die Nazis zu stellen, erforderte Mut. Dabei wird Bonhoeffer aber in der Neuverfilmung mit zu viel Pathos versehen und zu einer Art Heiligenfigur stilisiert. Das ist dem Film durchaus abträglich. Zu Recht hat der Regisseur hingegen seinen Film „eindeutig als antifaschistisch und antinationalistisch“ bezeichnet.

80 Jahre Selbstbefreiung des KZ Buchenwald

geschrieben von Ulrich Schneider

8. April 2025

Am ersten April-Wochenende kamen auf Initiative der FIR, der belgischen
„National Confederation of Political Prisoners“ (CNPPA) und des
belgischen War Heritage Instituts etwa 500 junge Menschen zu einem
Internationalen Jugendtreffen in der Gedenkstätte Buchenwald zusammen.
Gemeinsam mit dem Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos
(IKBD). den deutschen Lagergemeinschaften Buchenwald-Dora und „Paint
it read“ erinnerten sie an die Selbstbefreiung des Lagers vor 80
Jahren am 11. April 1945. Teilnehmende aus zehn europäischen Ländern
von Portugal bis Ungarn, die größte Gruppe aus verschiedenen Teilen
Belgiens, beschäftigen sich mit der Erinnerung an die Häftlinge und
Überlebenden des Lagers.

Der gemeinsame Höhepunkt des Treffens war der Gedenkgang der Jugend vom
Obelisken über den Gedenkweg und die Blutstraße zum Mahnmal. Dort
fanden an den nationalen Säulen eindrucksvolle Gedenkveranstaltungen
statt, bevor auf dem Platz vor dem Glockenturm die „Kundgebung der
Jugend“ Statements in verschiedenen Sprachen vorgetragen wurden.
Abschließend legten die Jugendlichen viele hundert Blumen an der
eindrucksvollen Plastik von Fritz Cremer und an anderen Orten in der
Gedenkstätte nieder.
Mit ihrer gemeinsamen Teilnahme an der Kundgebung des IKBD auf dem
Appellplatz ehrten sie das politische Vermächtnis der Überlebenden,
wie es sich im „Schwur von Buchenwald“ ausdrückt: „Vernichtung
des Nazismus mit seinen Wurzeln“ und „Schaffung einer neuen Welt des
Friedens und der Freiheit“. Das ist eine Aufgabe auch für heute und
morgen.

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