Rechte Gewalt – Problem erkannt?

geschrieben von Axel Holz

19. Oktober 2019

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Nach Jahren der Verharmlosung rechter Gewalt scheint sich nun etwas in den deutschen Justiz- und Innenbehörden zu tun. Rechtsextremen Vorfällen in Sicherheitsbehörden soll nun mit einem speziell dafür eingesetzten Behördenstellvertreter beim MAD begegnet werden, dem 400 zusätzliche zivile Mitarbeiter unterstehen. Gegen einen gewaltorientierten Prepper  der Gruppe „Nordkreuz“ und ehemaligen SEK-Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern wurde mittlerweile Anklage erhoben und zwei Mitglieder der „Oldschool Society“ wurden in Dresden zu Haftstrafen verurteilt. Nach der Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen rechtsextremen Flüchtlingshasser soll nun das BKA 400 zusätzliche Stellen für die Bekämpfung von Hasskriminalität erhalten. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz will mit 90 weiteren Stellen und nunmehr 300 Beamten zukünftig stärker rechtsextreme Einzeltäter ins Auge fassen und nicht mehr nur auf Organisationen, Vereine und Parteien setzen. Es hatte fast etwas von einer unheimlichen Vorhersehung , als am Vorabend des Terroranschlages von Halle Generalbundesanwalt Peter Frank  mit der Bundesjustizministerin und Staatsanwälten aus den Ländern im Innenhof des Deutschen Historischen Museums über die Bekämpfung rechter Gewalt debattierte und der höchste Ankläger des Landes von vermeintlich einsamen Wölfen redete, die in Wahrheit ein wachsendes  Rudel bildeten. Nach den Morden in Halle forderte die Bundestagsabgeordnete der Linken Martina Renner dazu auf, die Einzeltäterperspektive rechter Gewalt zu überwinden und die rechten Netzwerke stärker in den Blick zu nehmen. Die Innenminister haben nun mit einem Zehn-Punkte-Plan auf die Nazi-Gewalt in Halle reagiert. Man wolle Synagogen besser schützen, rechtsextreme Veranstaltungen unterbinden und Vereinsverbote prüfen. Bei Hetze und Straftaten sollen Internetportale entsprechende Kommentare nicht nur zukünftig in 24 Stunden löschen, sondern die persönlichen Bestandsdaten an die Sicherheitsbehörden melden. Durch eine Änderung des §188 im Strafgesetzbuch sollen auch Kommunalpolitiker besser gegen Verleumdung geschützt werden. Allein im ersten Halbjahr 2019 gab es knapp 700 Angriffe auf Politiker und Mandatsträger. Bisher waren zahlreiche Spießgesellen des NSU davongekommen, Hans-Georg Maßen verharmloste rechte Umtriebe in Chemnitz und bei rechter Gewalt gab es per se nur „Einzeltäter“. Wird es einen neuen Umgang mit rechter Gewalt geben? Das bleibt zu hoffen. Aber dazu muss sich auch das Denken in den involvierten Behörden ändern.

Landesmitgliederversammlung der VVN-BdA MV am 07.09.2019 in Rostock

geschrieben von Axel Holz

8. September 2019

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Sprecher und Vorstand der VVN-BdA MV


Der Landesverband der VVN-BdA hat seit unserer letzten Landesmitgliederversammlung im Herbst 2018 in Schwerin zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt, obwohl unsere Mitgliederzahl gesunken ist. Einige Mitglieder unseres Landesverbandes sind verstorben, darunter unsere langjährige Landesvorsitzende Ursula Mahnke und der langjährige Leiter des Rostocker VVN-Büros Jürgen Weise. Wir werden ihr Andenken in Ehren halten.

Im vergangenen Jahr haben die VVN-Mitglieder in unserem Bundesland an zahlreichen Gedenkveranstaltungen an die NS-Opfer in allen Landesteilen teilgenommen oder sie selbst organisiert, so zum 27. Januar zur Gedenkveranstaltung der Stadt in Schwerin, zum Tag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai, zum zweiten Sonntag im September und zum 9. November zur Erinnerung an die antisemitischen Nazi-Pogrome von 1938. Aber auch den 1. Mai, den Weltfriedenstag am 1. September oder den Flaggentag am 8. Juli zum weltweiten Bündnis „Atomwaffen abschaffen“ hat die VVN in Schwerin mitgestaltet, ebenso wie in Schwerin den diesjährigen Ostermarsch.

Traditionell haben wieder zahlreiche VVN-Mitglieder an der Nordkonferenz in Heideruh mit den Schwerpunkten zur Studie „Flucht ins Autoritäre“ und „Netzwerke der neuen Rechten“  teilgenommen sowie an der 10. Fahrradgedenktour, die diesmal von Schwerin zur KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen führte. Auch der Aktionstag der Landesinitiative „Wir – Erfolg braucht Vielfalt“ wurde von der VVN in Schwerin mitgestaltet. Beim jährlichen Sachsenhausengedenklauf war die VVN mit der Eröffnungsrede und der Teilnahme am 10-km-Lauf wieder präsent.

Zahlreiche Ausstellungen wurde von der VVN in unserem Land im vergangenen Jahr gezeigt. Darunter ist eine kritische Ausstellung zur AfD, die auf mehreren Gewerkschaftsveranstaltungen in Rostock und Neubrandenburg sowie in Crivitz gezeigt wurde, wobei Wolfgang Methling die Ausstellung in Rostock eröffnet hatte. Mehr als drei Monate wurde durch die VVN die Ausstellung „Deutschland muss leben, deshalb muss Hitler fallen“ zum „Nationalkomitee Freies Deutschland“ in der Kirche in Neustrelitz gezeigt. Jeweils zwei Wochen hat die VVN in Rostock und in Schwerin die Ausstellung „Der antifaschistische Widerstand in Europa 1922-1945“ gezeigt, die in Rostock FIR-Generalsekretär Dr. Ullrich Schneider eröffnet hat. Seit Anfang September wird eine Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ in der Schweriner VHS gezeigt, zu der Peter Ritter eingeführt hat.

In Stralsund hat die VVN darüber hinaus der Schlacht um Stalingrad als Wende im zweiten Weltkrieg mit einer eigenen Veranstaltung gedacht und beim Gedenken zum 8. Mai den Marine-Ataché der russischen Botschaft Fregattenkapitän Nikolai Moniakov zu Gast. Zum NSU-Prozess wurde von der VVN in Stralsund im Nachgang zum Konzert “Rock-gegen-Rechts“ der Film „Ein Todesfall in Thüringen“ in Zusammenarbeit mit zahlreichen Vereinen gezeigt und anschließend mit Regisseur Jan Smendek in der Jakobi-Kirche diskutiert.

Wir können getrost sagen, dass die VVN in Mecklenburg-Vorpommern beim Aufklären über den  Faschismus, seine Ursachen und Erscheinungsformen aktiv ist und das Gedenken an die NS-Opfer an vielen Orten aufrechterhält. Aber auch mit unseren Ausstellungsangeboten zu historisch-politischen Fragen als Beitrag einer wissenschaftlichen antifaschistischen Erinnerungs- und Gedenkkultur sowie aktuell-politischen Themen wie Rassismus, Rechtsterrorismus und Rechtpopulismus sind wir auf der Höhe der Zeit. Nicht zuletzt haben Mitglieder unseres Landesverbandes auch in der VVN-Mitgliederzeitung antifa über die neofaschistischen Netzwerke „Nordkreuz“ und „Hanibal“ aufgeklärt. Wir sollten diese aktive Arbeit in den genannten unterschiedlichen Bereichen auch im kommenden Jahr gezielt fortsetzen.

Eröffnung der NSU-Ausstellung am 03.09.2019 in Schwerin

geschrieben von Axel Holz

4. September 2019

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MdL Peter Ritter zieht Schlussfolgerungen aus der Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses im Lantag MV


Ich begrüße Sie herzlich zur Eröffnung der Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ in der VHS „Ehm Welk“ in Schwerin.

Trotz eines jahrelangen Prozesses gegen die rassistischen Täter an zehn in Deutschland lebenden Migranten und einer Polizistin sind neben Beate Zschäpe nur wenige Helfer verurteilt worden. Es besteht weiterhin Aufklärungsbedarf über das Netzwerk der Nazis, das in die Morde verstrickt ist.

Die Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ beleuchtet neben den Biografien der zehn Mordopfer, den Bombenanschlägen sowie zahlreichen Banküberfällen auch die Neonaziszenen, aus denen der NSU hervorging. Analysiert werden zudem Gründe, warum die Mordserie so lange unaufgeklärt blieb. Mit den in fünfzehn bekannten Raubüberfällen geraubten 600.000 Euro finanzierte die Terrorgruppe unter anderem die Morde, Bombenanschläge und das Leben im Untergrund. Die Ausstellung beschäftigt sich auch ausgiebig mit rassistischen Vorurteilen der Mordermittler in allen Mordfällen an den migrantischen Opfern und mit dem V-Mann-Netzwerk, das tief in die Nazi-Szene um den Thüringer-Heimatschutz und den NSU verstrickt ist.

Wir danken zugleich der Ausstellungsmacherin Birgit Mair und dem „Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung e.V.“ in Nürnberg, das die Ausstellung bereitgestellt hat. Birgit Mair ist Pädagogin, Journalistin und Antirassismus-Trainerin. Die Gewerkschafterin ist aktiv in der antirassistischen Arbeit gegen Rechte und die Hardcore-Naziszene tätig. Erst kürzlich wurde sie bei ihren Recherchen von einem AfD-Mann körperlich bedrängt, berichtet die ver.di-Zeitung PUBLIK. Sie werde nicht aufhören, sich zu positionieren und sich mit der antisozialen Politik der AfD kritisch auseinanderzusetzen. Dabei wünschen wir ihr viel Erfolg!

Axel Holz

Zum Antikriegstag 2019: Abrüstung statt Aufrüstung – eine neue internationale Friedenspolitik ist nötig!

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider

30. August 2019

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Aus Anlass des 80. Jahrestages der Überfalls Hitlerdeutschlands auf Polen am 1.September 1939, der den militärischen Beginn des Zweiten Weltkriegs markiert, ruft die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten zu Initiativen für eine neue internationale Friedenspolitik auf.

Wir erleben mit großer Sorge, dass besonders durch das Handeln der NATO und insbesondere der USA Errungenschaften der Entspannungspolitik vergangener Jahrzehnte zerstört werden. Die dauerhafte Stationierung von NATO-Kampfeinheiten nahe der russischen Westgrenze steht im Widerspruch zu den Vereinbarungen Anfang der 90er Jahre. Die Kündigung des INF-Vertrages durch die Trump-Administration und die Testreihe mit neuen Mittelstreckenraketen sind ein weiterer sichtbarer Ausdruck der Verschärfung internationaler Spannungen. Die Vereinten Nationen und ihre Institutionen werden nur noch „bei Bedarf“ zur Konfliktlösung in Betracht gezogen.
Im Mittleren und Nahen Osten versuchen sich die USA und ihre Verbündeten als „Weltpolizei“, die keinerlei Rücksicht auf die Souveränität der einzelnen Staaten nehmen. Selbst internationale Verträge werden einseitig gekündigt, wenn es den Interessen der USA zu dienen scheint. Dabei werden souveräne Staaten gedrängt, sich als „Erfüllungsgehilfen“ den Vorstellungen der US-Administration unterzuordnen, wie es am Beispiel der Beschlagnahme eines iranischen Tankers sichtbar wurde.
Solches Handeln wird mit einem vorgeblichen „Kampf gegen den Terrorismus“ legitimiert, erhöht aber faktisch die Gefahr militärischer Eskalation. In Lateinamerika werden gezielt militärische Drohszenarien aufgebaut, um die Politik eines „regime changes“ zu fördern. Aber auch in Europa haben wir auf dem Balkan und in der Ukraine militärische Konfliktfelder, die weit über die jeweiligen Regionen hinaus zu einem Flächenbrand werden können.

Die Überlebenden des zweiten Weltkrieges und die Kämpfer um die Befreiung ihrer Länder von der faschistischen Barbarei forderten 1945: „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ . Sie wollten „eine neue Welt des Friedens und der Freiheit“. Dieses Vermächtnis muss heute mehr denn je mit Leben erfüllt werden.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände setzen sich daher für eine neue internationale Friedenspolitik ein. Dazu gehören insbesondere die Verpflichtung aller Staaten, statt neuer Waffensysteme und Aufrüstung durch internationale Vereinbarungen eine tatsächliche Rüstungsbegrenzung und Abrüstung zu schaffen.
Die Gefahr atomarer Waffensysteme kann durch die Unterstützung des von den Vereinten Nationen 2017 ausgehandelten Atomwaffenverbotsvertrags verringert werden.
Dem Völkerrecht und dem Recht der Souveränität von Staaten muss wieder Geltung verschafft werden.
Die politische Wirksamkeit der Vereinten Nationen muss wieder gestärkt werden, indem deutlicher als in den vergangenen Jahren Wege nicht-militärischer Konfliktlösungen unter der Kontrolle der UNO beschritten werden.
Als „Botschafter des Friedens“ – ernannt von den Vereinten Nationen – appelliert die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten an Friedensinitiativen, Parteien, Gewerkschaften und Kritiker der Globalisierung, sich in Aktionen, Abstimmungen und Erklärungen für eine neue internationale Friedenspolitik einzusetzen. Die FIR ruft ihre Mitgliedsverbände dazu auf, sich mit ihren historischen Erfahrungen daran zu beteiligen.

UNTEILBAR mit 40.000 Demonstranten am 21.08.2019 in Dresden

geschrieben von Axel Holz

29. August 2019

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Lichtenhagen-Gedenktafel verschwunden

geschrieben von Axel Holz

29. August 2019

 

Bereits zum dritten Mal ist die Metallplatte am Rostocker Rathaus zum Gedenken an die Schande von Lichtenhagen verschwunden. Allerdings wurde die Platte inzwischen wiedergefunden und der Täter gefasst, hieß es auf Anfrage einer VVN-Aktivistin im Rostocker Rathaus. Nun soll eine technische Möglichkeit gefunden werden, die das Abschrauben unmöglich machen soll. Die VVN-BdA bleibt dran.

Der Zwischenfall hat eine Vorgeschichte. Nach den rassistischen Gewalttaten in Rostock-Lichtenhagen, die 1992 medial um die ganze Welt gingen, hatte eine Gruppe der „Söhne und Töchter der deportierten Juden Frankreichs“ um Beate Klarsfeld eine Gedenktafel am Rostocker Rathaus angebracht. Die Tafel wurde sofort entfernt, während die Polizei 43 Aktivisten unter Einsatz massiver Gewalt festnahm. Zwanzig Jahre später erinnerte die Stadt Rostock zusammen mit 6.000 Akteuren der Zivilgesellschaft mit einer Demonstration an die rassistischen Übergriffe in Rostock. Der damalige Juso-Vorsitzende Sascha Voigt kritisierte zuvor, dass CDU-Innenminister Lorenz Caffier die Demonstration des breiten Bündnisses als gewalttätig und linksextremistisch diffamiert hatte. Eine Vorbereitungsgruppe hatte zugleich mit der Stadtverwaltung vereinbart, dass die besagte Erinnerungstafel zum Jahrestag des Gedenkens erneut am Rathaus angebracht werden sollte. Die Vorsitzende der VVN-BdA, Cornelia Kerth, hatte dann die Tafel unter den Augen tausender Demonstranten und zahlreicher Pressevertreter erneut angeschraubt. Doch bereits am 5. Dezember desselben Jahres war die Gedenkplatte von Nazis über Nacht entfernt worden. Stattdessen prangte an der Wand ein Schild mit den Worten „Für immer Deutschland“. Noch im Dezember 2012 wurde die Gedenkplatte von Antifaschisten und Rostocker Politikern erneut montiert. In gewisser Weise wurde so mehrfach an die Lichtenhagener Gewaltexzesse erinnert und eine Diskussion um ein festes Mahnmal befördert. Ende 2016 war es dann soweit, als Ministerpräsidentin Manuela Schwesig die erste von fünf weißen Marmor-Stelen des Künstlerkollektivs „Schaum“ enthüllte – zur Erinnerung an fünf Tage und das Versagen von Politik, Medien, Gesellschaft und Staatsgewalt sowie die rassistische Selbstjustiz.

Ausstellung „Deutschland muss leben, deshalb muss Hitler fallen“ in Neustrelitz

geschrieben von Axel Holz

23. Juli 2019

Die Ausstellung „Deutschland muss leben, deshalb muss Hitler fallen“ ist vom 15.05.-01.09.2019 ist in der Stadtkirche  Neustrelitz zu sehen. Die Ausstellung der Gedenkstätte deutscher Widerstand wird in Kooperation mit der VVN-BdA Schwerin-Westmecklenburg und der Landeszentrale für Politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern gezeigt. Bereits im ersten Monat nach der Eröffnung haben über 900 Kirchen-Besucher die Ausstellung besucht.  Zahlreiche Gäste waren der Einladung zur Eröffnung der Ausstellung am 15. Mai gefolgt. Neben der Begrüßung durch Pastor Feldkamp sprach Pröpstin Britta Carstensen  zum 75. Jahrestag des Hitlerattentats über Widerstand gestern und heute.  Diplom-Landwirt Gerhard Fischer informierte über die Wanderung der Ausstellung durch 14 Orte in Mecklenburg-Vorpommern. Mit Orgelmusik und einem Imbiss wurde die Veranstaltung abgerundet.

Interessenten haben bis zum 1. September die Möglichkeit die Ausstellung zu besuchen.

Veranstaltung am 30. August zum Weltfriedenstag in Ribnitz-Damgarten

geschrieben von Marianne Linke und Eckart Kreitlow

23. Juli 2019

am 30.08.2019 – nahe dem Vorabend des Weltfriedenstages – führen wir eine gemeinsame Veranstaltung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA- Gruppe Stralsund) und des Heimat- und Bildungsvereins Ribnitz-Damgarten e. V. im Begegnungszentrum Ribnitz-Damgarten durch. Die Veranstaltung beginnt um 17.00 Uhr aus Anlass des 80. Jahrestages des verbrecherischen Überfalls des faschistischen Deutschlands auf Polen.
Unser Gast dieses Friedensgesprächs ist der Osteuropa-Experte und Ex-ARD-Korrespondent Reinhard Lauterbach.
Ihr seid herzlichst eingeladen! Bringt Freunde, Nachbarn und Familie mit!
Marianne Linke und Eckart Kreitlow

Vor 75 Jahren: Wir erinnern an das Attentat deutscher Offiziere auf Adolf Hitler

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider

20. Juli 2019

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Vor 75 Jahren, am 20. Juli 1944, versuchte eine Gruppe von Offizieren der deutschen Wehrmacht Adolf Hitler mit einem Bombenanschlag zu töten. Sie hatten versucht, wenn auch erst 5 Minuten vor 12, angesichts der drohenden militärischen Niederlage des deutschen Faschismus die – aus ihrer Sicht – schlimmste Katastrophe für ihr Land abzuwenden, indem sie Hitler beseitigen wollten und mit einer neuen Regierung Friedensverhandlungen mit den Westalliierten planten. Unterstützt wurden diese Offiziere durch Frauen und Männer des Kreisauer Kreises. Dies waren Angehörige der alten Eliten, bürgerliche und christliche Nazigegner, selbst Mitarbeiter in Ministerien, die ebenfalls den Krieg als verloren ansahen und für einen Neuanfang auf nichtfaschistischer Grundlage eintraten.
Das Attentat von Claus Graf von Stauffenberg war nicht erfolgreich, das Unternehmen „Walküre“, das die Entmachtung der SS und der faschistischen Organisationen erreichen sollte, scheiterte. Die Verschwörer, die Angehörigen des Militärs und die zivilen Angehörigen des Kreisauer Kreises, wurden verhaftet, wegen Hoch- und Landesverrat angeklagt und hingerichtet, ihre Familienangehörigen in Sippenhaft genommen.
Wir wissen heute: Wären die Attentäter des 20. Juli 1944 erfolgreich gewesen, hätte das in den folgenden Monaten Millionen Menschen in ganz Europa das Leben gerettet, nicht nur Soldaten, die an der Front ums Leben kamen. Gerettet worden wären viele Opfer der Deportationszüge in die Vernichtungslager, die Häftlinge in den Konzentrationslagern, die am Ende des Krieges auf Todesmärsche geschickt wurden, die Zivilisten, die im Zuge des Bombenkrieges und bei der faschistischen Rückzugsform „verbrannte Erde“ ihr Leben oder ihre Lebensgrundlage verloren, nicht zu vergessen die Millionen Flüchtlinge, die vor den Schrecken des Krieges ihre Heimat verlassen mussten.

Wir erinnern daran, dass bis Ende der 50er Jahre selbst diese Nazigegner in der Bundesrepublik Deutschland als „Vaterlandsverräter“ beschimpft wurden. Heute wird in der ganzen BRD zur Erinnerung an die Frauen und Männer des 20. Juli 1944 geflaggt, in einem Festakt im Bendler-Block (Verteidigungsministerium) wird öffentlich ihr Mut gewürdigt. Gleichzeitig wird an diesem Tag in Kassel ein neofaschistischer Aufmarsch genehmigt, der faktisch den jüngsten Mord an dem nordhessischen Regierungspräsidenten Dr. Lübcke durch einen Neofaschisten verhöhnt.

Die FIR würdigt den Mut und die Tat eines Claus Graf von Stauffenberg und der anderen Angehörigen des Militärs vom 20. Juli 1944. Die Erinnerung an diesen Widerstand verpflichtet uns heute mit den Mitteln des gesellschaftlichen Handelns allen neofaschistischen Umtrieben aktiv entgegenzutreten, wie es das Kasseler Bündnis von über 100 Organisationen, Initiativen und gesellschaftlichen Kräften am 20. Juli 2019 unter Beweis stellt.

Verlorene Mitte – Feindselige Zustände

geschrieben von Axel Holz

2. Juni 2019

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Rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung haben tendenziell abgenommen. Aber neue rechte Mentalitäten in der Mitte der Gesellschaft gefährden die Demokratie.

Seit 2002 untersucht eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aller zwei Jahre die politischen und sozialen Einstellungen und prüft, wie fragil und gespalten die gesellschaftliche Mitte ist, die bisher stets als Garant für Stabilität und feste Normen galt. Im Mittelpunkt steht dabei, wie weit rechtsextreme, rechtspopulistische und menschenfeindliche Einstellungen in die Mitte der Gesellschaft eingedrungen sind. Haben Polarisierungen und Konflikte die Norm von der Gleichwertigkeit aller Gruppen verschoben? Ist die demokratische Mitte geschrumpft oder verloren?

Antworten gibt die neue Studie über rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/2019 mit dem Titel „Verlorener Mitte – Feindselige Zustände“. Sie zeigt zunächst, dass rechtsextreme Einstellungen in der Gesamtbevölkerung nicht zugenommen haben, allerdings in einigen Subgruppen. Auffallend ist der Anstieg rechtsextremer Einstellungen bei den Jüngeren, bei Einkommensstärkeren und bei Gewerkschaftsmitgliedern mit Blick auf spezifische Dimensionen wie Antisemitismus und Chauvinismus. Auch hat der Antisemitismus bei Frauen zugenommen, so dass sich die bisher wahrgenommenen Einstellungsunterschiede nach Soziodemografie nivellieren.

Die Entwicklung rechtsextremer Einstellungen wird in der Studie an sechs Kriterien mit den immer gleichen Fragen gemessen. Auf den Gebieten Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Verharmlosung des NS-Regimes, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus uns Sozialdarwinismus haben sich die Werte von 2002 bis 2018 deutlich verringert – mit einem leichten Anstieg von 2016 bis 2018. So ist über 16 Jahre tendenziell der Hang zum Chauvinismus von 18,3 auf 12,5 Prozent um ein Drittel gesunken. Die Fremdenfeindlichkeit hat sich im gleichen Zeitraum von 26,9 auf 8,9 Prozent um fast zwei Drittel verringert. Insbesondere beim Antisemitismus findet sich bei den Befragten nicht selten eine Zurückweisung oder Ablehnung, während gleichzeitig nationalchauvinistischen und fremdenfeindlichen Positionen umso stärker zugestimmt wird.

Das klingt alles sehr gut und scheint im Widerspruch zum Titel der aktuellen Studie zu stehen. Woran wird dann die „verlorene Mitte“ festgemacht, die von Experten ohnehin ungern als extrem eingeschätzt wird, weil sich damit der Begriff Extremismus selbst überflüssig mache? Darauf gibt ein Aufsatz von Alexander Häusler und Beate Küpper in der Studie Auskunft. Rechtsextreme Einstellungen finden derzeit nicht mehr so viel Zustimmung wie andere antidemokratische Einstellungen, darunter Anti-Establishment-Einstellungen, Unterstellung eines Meinungsdiktats, Islamverschwörung, nationale Rückbesinnung, Ethnopluralismus und Antifeminismus. In der Bundesrepublik wurden rechtsextreme Erscheinungsformen lange Zeit als gesellschaftliche Randphänomene wahrgenommen. Sie fokussierten sich auf Wahlerfolge der traditionellen Rechtsaußenparteien, auf Aufmärsche neonazistischer Kameradschaftsnetzwerke und auf neonazistisch motivierte Gewalttaten.  Mittlerweile hat sich die Grauzone der neuen Rechten im Spannungsfeld zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus zu einem realpolitischen Prozess ausgewachsen, der die Mitte der Gesellschaft zunehmend erfasst. Rechtsextreme Kleinparteien verlieren an Bedeutung oder verschwinden zu Gunsten der rechtspopulistischen AfD. Milieuübergreifende Straßenmobilisierung durch „Pegida“ oder die „Identitären“ verändern das rechte Bewegungsfeld, das zunehmend von einer sozialen und organisatorischen Durchmischung von vormals getrennt agierenden Protestmilieus geprägt ist. Rechtspopulistische Wahlerfolge und rechte Straßenmobilisierung münden zunehmend in autoritär strukturierte und teilweise gewaltaffine Formern rechter Selbstermächtigung.

Unter neurechtem Einfluss erodiert die Abgrenzung zwischen Konservatismus und Rechtextremismus. Mit sozialpopulistischer Demagogie gelang der AfD ein Einbruch in das Lager ehemals linker Wähler und die Mobilisierung von Nichtwählern. Anders als bei den Neonazis wird hier die demokratische Ordnung formell nicht in Frage gestellt, aber durch einen Rückgriff auf den ultranationalistischen Mythos eine Radikalisierung nach rechts und damit eine Revision der Verfassungswirklichkeit bzw. einzelner Normen angestrebt. Dabei gehen die Rechtpopulisten von einer ethnisch bedingten Ungleichheit der Menschen aus, verlangen nach ethnischer Homogenität der Völker, lehnen das Gleichheitsgebot der Menschenrechts-Deklaration ab, betonen den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum, unterordnen den Bürger unter die Staatsräson, lehnen den Wertepluralismus liberaler Demokratie ab und wollen Demokratisierung rückgängig machen. Über völkisch-autoritären Populismus wird der alte harte Rechtsextremismus in modernem, soften Gewand verpackt.

Der AfD gelingt es, verschiedene Phänomene des Rechtsaußenspektrums zu repräsentieren und in die Parlamente zu tragen. Wer meint, mit diesen Kräften einen Dialog führen zu wollen, sollte nicht glauben, sie mit freundlichen Argumenten auf den Pfad der Demokratie führen zu können, kommentieren die Autoren der Studie. Sie erinnern daran, dass die Nationalsozialisten nie die absolute Mehrheit erlangen konnten und auch niemals formal die Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt haben. Dennoch konnten sie ihr autoritäres Herrschaftssystem etablieren, bei dem viele mitgemacht und mitgejubelt haben.

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