VVN-Mitglied darf nicht als Bürgermeister kandidieren

geschrieben von Axel Holz

5. Februar 2020

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Am 15. März sind in Bayern Kommunalwahlen. Die parteiübergreifende und unabhängige „Bamberger Linke Liste“ hatte bereits im November 2019 das VVN/BdA-Mitglied Stephan Kettner als Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl in Bamberg benannt. Stephan Kettner ist in Bamberg geboren, hat aber österreichische Staatsangehörigkeit. Er wurde im Dezember vom Ordnungsamt darauf aufmerksam gemacht, dass in Bayern nur deutsche Staatsbürger kandidieren dürfen. Herr Kettner hat darauf einen Einbürgerungsantrag gestellt. Nach Prüfung durch den Verfassungsschutz soll ihm jetzt die Einbürgerung und damit die Kandidatur verweigert werden, weil er Mitglied in der VVN/BdA ist. Die VVN/BdA Bamberg sieht in dieser Verweigerung eine erneute und unerhörte Diskriminierung der VVN-BDA durch den bayerischen Verfassungsschutz. Nach dem Entzug der Gemeinnützigkeit – deren Ursache ebenso der bayerische Verfassungsschutz ist, sehen wir dies als erneuten Versuch, Antifaschist*innen in Bayern zu diskreditieren und zu kriminalisieren. Stefan Kettner kandidiert auf der BALI-Liste auch als Stadtrat. Es wird höchste Zeit, dass sich Demokraten von diesem Verhalten distanzieren. Mann kann natürlich auch darauf warten, dass die AfD die Grundrechte ganz abschafft. CSU-Behörden in Bayern leisten offensichtlich schon fleißig die Vorarbeit dafür.

PM 01-02-2019 Soziales Engagement verhindert OB-Kandidatur.

Linke fragt nach Gemeinnützigkeit der VVN-BdA

geschrieben von Axel Holz

5. Februar 2020

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Die Gemeinnützigkeit politisch aktiver demokratischer Vereinigungen ist Thema einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (19/16520). Die Bundesregierung soll unter anderem angeben, ob sie die Einschätzung der Linksfraktion teilt, dass der Entzug der Gemeinnützigkeit der Bundesvereinigung VVN-BdA politisch falsch sei, den Rechtsextremisten helfe und gegebenenfalls durch bundesgesetzliche Initiativen korrigiert werden müsse.

Gemeinnuetzigkeitr_BT_1916520

27. Januar 1945 – vor 75 Jahren wird das Vernichtungslager Auschwitz befreit

geschrieben von FIR

24. Januar 2020

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Der Januar 1945 ist geprägt durch die Tage der Befreiung des polnischen Territoriums durch die sowjetische Armee in Zusammenarbeit mit den Kräften der Anti-Hitler-Koalition.
Am 17. Januar wurde die polnische Hauptstadt Warschau befreit, am 19. Januar die südpolnische Stadt Krakau. Wenige Tage später, am 27. Januar 1945, gelang es der 60. Armee der I. Ukrainischen Front, deren Oberkommandierender Marschall I.S. Konew war, das Vernichtungslager Auschwitz zu befreien.

Auschwitz steht bis heute als Symbol für die unfassbare Monstrosität der faschistischen Vernichtungspolitik. In das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz wurden vom Sommer 1940 bis Januar 1945 über 1,3 Mio. Menschen aus ganz Europa, Juden, Sinti und Roma, politische Gegner und andere Ausgegrenzte verschleppt, mindestens 1,1 Mio. wurden in den Gaskammern, durch Erschießungen oder durch „Vernichtung durch Arbeit“ für den IG Farben Konzern und andere Rüstungsbetriebe ermordet.

Am Vormittag des 27. Januar 1945 erreichte die 322. Infanteriedivision der 60. Armee der 1. Ukrainischen Front unter dem Oberbefehl von Generaloberst Pawel A. Kurotschkin zuerst das Hauptlager von Monowitz. Einheiten der Waffen-SS und der Wehrmacht leisteten noch erbitterten militärischen Widerstand, so dass über 230 sowjetische Soldaten bei der Befreiung von Auschwitz ihr Leben ließen. Im Laufe des Tages stießen die Soldaten der Roten Armee nach Auschwitz und Birkenau vor.
Im Stammlager, in Birkenau und Monowitz trafen sie nur noch etwa 7.000 Häftlinge an. Noch in den ersten Tagen nach der Befreiung starben zahlreiche Häftlinge an Entkräftung. Unter den Befreiten befanden sich über 200 Kinder im Alter bis zu 15 Jahren, zumeist Zwillinge, die als Versuchsobjekte für SS-Ärzte vorgesehen waren. Auf dem Gelände selber fanden die sowjetischen Soldaten etwa 600 Tote – Lagerinsassen, die von SS-Männern noch unmittelbar vor ihrem Abzug erschossen worden waren.
Die Überlebenden von Auschwitz formulierten Anfang März 1945 in einer Botschaft: „Wir, die geretteten ehemaligen Häftlinge, verdanken unsere Rettung der tapferen Roten Armee und bitten die internationale Öffentlichkeit und ihre Regierungen hiervon Kenntnis zu nehmen und in unserem Namen hierfür Dank abzustatten.“

Seit über einem Jahrzehnt wird – auf Beschluss der Vereinten Nationen – der 27. Januar weltweit als Internationaler Gedenktag für die Opfer des Holocaust begangen. Auch die FIR und ihre Mitgliedsverbände nehmen dieses Datum vielfach zum Anlass, der Opfer der Vernichtungspolitik zu gedenken und gleichzeitig an die Befreier zu erinnern.

Es ist in unseren Augen daher ein Skandal, wenn gerade auch zum 75. Jubiläum dieser heroischen Leistung im Zweiten Weltkrieg insbesondere die polnische Regierung glaubt, die Befreiung des eigenen Territoriums von der faschistischen Barbarei durch die Kräfte der Anti-Hitler-Koalition glaubt ignorieren zu müssen. Nicht die Regierung oder die Stadtverwaltung, sondern Veteranen des Krieges und antifaschistische Verbände gedachten am 17. Januar 2020 der Befreiung von Warschau. Und bei der internationalen Gedenkfeier am 27. Januar in Auschwitz selber ist zwar der deutsche Bundespräsident Steinmeier, aber nicht der Vertreter des russischen Staates eingeladen.

Die FIR und ihre Mitgliedsverbände werden die Befreiungsleistungen der Kämpfer der Roten Armee als Teil der Anti-Hitler-Koalition niemals vergessen – gerade nicht am 27. Januar 2020.

Droht die Zerschlagung der VVN-BdA Bundesvereinigung durch die Finanzämter?

geschrieben von VVN-BdA

23. Januar 2020

Am 6. Januar 2020 wurde der thüringischen Landesvereinigung (TVdN-BdA e.V.) der VVN-BdA vom Finanzamt Erfurt die Gemeinnützigkeit erneut bescheinigt. Allerdings macht das Erfurter Finanzamt zur Auflage, dass der Thüringer Landesverband an die Bundesvereinigung keine Mittel mehr abführen darf. Damit sind die der Bundesvereinigung zustehenden Anteile am Beitragsaufkommen gemeint. Darüber hinaus fordert das Finanzamt Erfurt nun „aus gemeinnützlichkeitsrechtlicher Sicht“, dass der Thüringer Verband „bei der nächsten Mitgliederversammlung“ seine Satzung zu ändern habe – was offenbar bedeutet, dass der Mittelfluss sogar satzungsmäßig unterbunden werden soll. Sollte der Thüringer Verband dieser Auflage nicht folgen, wird ihm mit Aberkennung der Gemeinnützigkeit gedroht, denn – so die Begründung – gemeinnützige Vereine dürfen nur an andere „steuerbegünstigte Körperschaften“ Mittel weitergeben. Hintergrund ist, dass der Bundesvereinigung am 4.11.2019 vom Berliner Finanzamt für Körperschaften 1 die Gemeinnützigkeit entzogen worden ist, wogegen diese Widerspruch  eingelegt hat. Am 16. Januar forderte das Finanzamt Saarbrücken die Landesvereinigung im Saarland auf, binnen drei Wochen zu erklären, wie sie künftig mit der Mittelweitergabe an die nunmehr  nicht mehr gemeinnützige Bundesvereinigung verfahre. Sollte die Aberkennung der Gemeinnützigkeit Rechtskraft erlangen ist also mit ähnlichen Auflagen wie in Thüringen in anderen Bundesländern zu rechnen. Dies würde den Verlust der Haupteinnahmen der Bundesvereinigung und damit das Aus für den Verband bedeuten. Unser Landesverband Thüringen wird gegen diese Auflage Einspruch einlegen und beantragen, die Angelegenheit bis zur Entscheidung über den Einspruch der Bundesvereinigung gegen den Berliner Bescheid ruhen zu lassen. Der Anwalt wird auch zur Anfrage im Saarland entsprechend Stellung nehmen. Es bleibt dabei: Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben!

Cornelia Kerth, Dr. Axel Holz

Bundesvorsitzende

 

Elke Pudszuhn

Vorsitzende TVdN-BdA

Antifaschist Anton Steinhübel verstorben

12. Januar 2020

Foto Axel Holz, Beisetzung von Anton Steinhübel auf dem Platz der OdF in Schwerin

Am Heiligabend 2019  ist der Antifaschist und unser langjähriges VVN-Mitglied Anton Steinhübel im Alter von 97 Jahre verstorben. Er war das letzte noch lebende Mitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) in Mecklenburg-Vorpommern. Von November 1944 bis Mai 1945 war er Divisionsbeauftragter des NKFD in sowjetischer Kriegsgefangenschaft und setzte sich für ein schnelle Beendigung des Krieges und den Aufbau eines antifaschistisches Deutschland ein. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland trat er der KPD bei und beteiligte sich aktiv am antifaschistischen Aufbau in Mecklenburg. Im Jahre 2017 hatte die VVN-BdA an zwölf Orten in MV die Ausstellung „Deutschland muss leben, deshalb muss Hitler sterbe“ gezeigt, in der auch die Arbeit des NKFD vorgestellt wurde. Bei der Eröffnung der Ausstellung am 18.06.2017 zum Tag des offenen Landtages hat Anton Steinhübel als Zeitzeuge im Schweriner Schloss über seine Zeit im NKFD berichtet. Am 10.01.2020 fand die Trauerfeier für Anton Steinhübel in Schwerin statt. Er wurde bei Anwesenheit von VVN-Vertretern auf dem Platz der Opfer des Faschismus beigesetzt.

Höchstrichterliches aus Bayerns Verfassungsschutzamt

geschrieben von Ulrich Sander

12. Januar 2020

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Wir leben in einer Zeit der Revitalisierung des KPD-Verbortsurteils und der Wiederbelebung der NSDAP mittels Bundesverfassungsgericht: Die NPD wurde nicht verboten, nur das Verstopfen ihrer Finanzquellen in Aussicht gestellt. Da alles, was gegen rechts geschieht, auch immer und vor allem gegen links angewendet werden muss, kommt es nun zur Praktizierung einer zehn Jahre alten und bisher vergessenen Gesetzesbestimmung. Nicht gegen die Faschisten, sondern gegen die Antifaschisten. Faschistische Netzwerke in Polizei und Bundeswehr bleiben gemeinnützig, bleiben straffrei. Die NPD bleibt unbehelligt.

Marko G., ein mutmaßlicher Anführer der rechten Terroristengruppe „Prepper Nordkreuz“, wurde kürzlich in Schwerin auf freien Fuß gesetzt. Lediglich des illegalen Waffenbesitzes war er schuldig, bekam Bewährung. Nun kann der Polizeiausbilder weiter seinen Naziladen in Schwung halten, der Todeslisten aufstellt und per Internetnetzwerk koordiniert wird – bereit, am Tag X in Aktion zu treten. Ähnliche Gruppen arbeiten um den als islamischen Gewalttäter getarnten Oberleutnant Franco Albrecht, um die Polizisten des 1. Innenstadtpolizeireviers in Frankfurt/Main, um Hanibal Andrés Verein Uniter e.V., ferner um Teile vom Kommando Spezialkräfte. Es existieren AfD-Offiziersgruppen mit ihrem Militärprogramm in der AfD im Bundestag. Der 1,3 Millionen starke Feuerwehrverband und Reservistengruppen werden von NPD- und AfD-Kräften durchdrungen.
Wie geht man nun gegen links vor? Die Abgabenordnung (AO), die Regelungen zum Steuer- und Abgabenrecht enthält, regelt auch die Kriterien für die Gemeinnützigkeit von Vereinen. Mit dem Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) vom 19. Dezember 2008 ist die Abgabenordnung diesbezüglich neu gefasst worden. Seitdem gilt § 51 (3): „Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.“

Unschuldsvermutung für die VVN-BdA? Fehlanzeige!

Die VVN-BdA wird im bayerischen VS-Bericht mit verlogenen Behauptungen über ihre Verfassungsfeindlichkeit aufgeführt. Der VVN-BdA fällt nun die Aufgabe zu, sich der Unterstellung von Linksextremismus zu erwehren. Wie soll das gehen? Sie ist schuldig durch Anklage. Eine Umkehrung der Unschuldsvermutung. Der Verfassungsschutz entscheidet.
Im Bundestag wird das Jahressteuergesetz am 25. September 2008 beraten. In der Diskussion bemerkt niemand die Fußangeln gegen die Antifaschisten. Eduard Oswald (CDU/CSU) sagt: „Für mich steht an erster Stelle der Ausschluss extremistischer Vereine von der Gemeinnützigkeit. Künftig gilt: Wenn eine politische Stiftung oder Körperschaft augenscheinlich extremistisches Gedankengut fördert, dann kann sie keine Steuervergünstigung erhalten.“
Die Gerichte gehen, wie der Fall Marko G. zeigt, gegen rechte Netzwerke milde gestimmt vor. Allerdings kam es in Dortmund zu einigen Strafprozessen mit Urteilen gegen rechte Volksverhetzer und Antisemiten. Doch die Verwaltungsgerichte erweisen sich als Helfer der Rechten. Sie genehmigen rechte Aufmärsche, auch wenn volksverhetzende Inhalte unabweisbar sind. Lange vorbei sind Erklärungen von Verwaltungsgerichten wie diese aus Münster „Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren“ (OVG NRW Az 5 B B 585/01),

Der Verfassungsschutz führte den Richtern die Hand

Der Gipfel der Parteinahme gegen Antifaschisten wurde vom bayerischen Oberverwaltungsgericht in München im Februar 2018 erreicht, das die Darstellungen des bayerischen VS gegen die VVN-BdA für sakrosankt erklärte, eine Anfechtung des Urteils nicht zuließ und somit wie eine höchstrichterliche Instanz auftrat. Der Münchner Rechtsanwalt Hans E. Schmitt-Lermann hat den Spruch des Gerichtes, die schriftlichen und mündlichen Begründungen genau analysiert. Er berichtet:

Die 22. Kammer des Verwaltungsgerichts München hatte im Jahr 2014 ihren vom bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2018 bestätigten Spruch gefällt, obwohl klar war, dass nun der neuen Abgabenordnung (AO) zufolge, ein Tsunami gegen die VVN-BdA auch außerhalb Bayerns losbrechen würde. Inhaltlich bekennt sich das VG München offenherzig als einseitig rechtskonservativer Meinungsträger mit deutlichem Bedauern, noch nicht den wissenschaftlichen und politischen Mainstream erobert zu haben. Die diskriminierende Einordnung der VVN unter die „extremistisch beeinflussten Organisationen“ im bayerischen Landesverfassungsschutzbericht unterstützte die Kammer in der mündlichen Verhandlung sowie in der Urteilsbegründung also vornehmlich damit, dass „Antifaschismus“ ein kommunistischer und damit verfassungsfeindlicher Kampfbegriff immer war und blieb; er war kein realer und schützenswerter Ordnungsfaktor mit irgendwelchen Verdiensten, sondern immer offener oder latenter Ordnungsfeind. 30 Prozent der VVN-BdA Funktionäre seien DKP-Mitglieder. Anders als im handelsrechtlichen Gesellschaftsrecht, könne man politisch durchaus schon mit 30 Prozent ein „beherrschendes Unternehmen“ sein. Außerdem seien in der VVN-BdA bekannte Mitglieder der DKP und der Partei „Die Linke“ anzutreffen, die ebenfalls im bayerischen Verfassungsschutzbericht wegen verfassungsfeindlicher Tendenzen aufgeführt sei.

Die Tatsache, dass der Faschismus sich als „konsequente Gegenbewegung gegen den Marxismus“ definierte und allein der strafrechtlich erfasste Anti-Hitler-Widerstand zu 85 aus Kommunisten und 10 Prozent anderen Klassenkampf-Linken bestand (Dr. Jürgen Zarusky , Institut für Zeitgeschichte. Microfiche-Sammlung) und die SPD nie eine andere Faschismus-Theorie als eine aus dem Kapitalismus hergeleitete entwickelt hat, dürfe heute keine entlastende Rolle mehr spielen.

Das KPD-Verbot wird bekräftigt

Hans E. Schmitt-Lermann fasst weiter zusammen: In der VVN-BdA sei Marxismus-Leninismus im Sinne des KPD-Verbotsurteils anzutreffen und sie sei damit verfassungswidrig. Denn das KPD-Verbot von 1956 gelte immer noch. Der Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung der Kommunisten werde eigentlich vom zwingenden Legalitätsgrundsatz nicht getragen. So sei es auch „unbehelflich“, dass Gerhard Schröder als amtierender Bundekanzler auf der Feierstunde in Buchenwald zum sechzigjährigen Gedenken am 10. April 2005 den vom CDU-Mitgründer Eugen Kogon mitverfassten „Schwur von Buchenwald“ einschließlich der tragenden Forderung, den Faschismus „mit seinen Wurzeln auszurotten“, als eines der „Basisdokumente unserer Demokratie“ rühmte. Mit “Wurzeln” sei – dem Herrn Bundeskanzler vielleicht nicht bewusst – auch „unsere Freie Wirtschaftsordnung“ gemeint.

Weiter das Gericht: Es sei zwar nicht zu bestreiten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht sogar auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges aus einem außenpolitisch motivierten „Sühnegedanken“ heraus geweigert habe, die VVN als verfassungsfeindlich zu verurteilen (Beschluss v. 5.12.1962, DÖV 1963,321 ff.). Derlei sei heute aber schlicht zu ignorieren.

Zweierlei Maß für Fink und Gauck

Die bayerische Verwaltungsgerichtsbarkeit stellte weiter fest: Dass der ehemalige VVN-Vorsitzende und Theologe Prof. Fink sich in einem Gespräch einer Jugendgruppe geöffnet hatte, die der VVN nach Art des Straßenkämpfers und nachmaligen Außenministers Josef Fischer den verfassungsfeindlichen Vorwurf gemacht hatte, sie würde sich beim Kampf gegen neonazistische Kräfte ausschließlich auf den Staat und etablierte politische Institutionen verlassen. Nicht, dass die VVN sich in bestimmten Kreisen diesen Ruf erworben habe, sei von Bedeutung, sondern dass Prof. Fink – ob aus geistlich-jugendpflegerischen Gründen oder nicht – dem mit höchst unzureichender Schärfe entgegengetreten sei; er habe vielmehr die eigenständigen Aktivitäten und Kampfformen hervorgehoben, ohne die Grenzen des Demonstrationsrechts zum Maßstab zu nehmen. Auf Äußerungen des Hl. Vaters dürfe er sich da nicht berufen, auch wenn er Geistlicher sei.
Außerdem habe er „Stasi-Kontakte“ gehabt; dass ein anderer Amtsbruder und Präsident namens Joachim Gauck „IM Larve“ gewesen sei (LG Rostock), falle nicht ins Gewicht, da letzterer später als Leiter der nach ihm benannten „Gauck-Behörde“ mit der Abwicklung dieser Dinge betraut worden sei, während Fink sich ohne sichtbare Reue der VVN-BdA mit ihrem höchst fragwürdigen „Antifaschismus“ zugewandt habe. Es geben keinen Stasi-Fall „Fink-Gauck“, sondern nur den „Fall Fink“; alles andere sei eine Beschädigung des Hohen Amtes des Bundespräsidenten.

„Verfassungsfeindliche“ Losungen gegen rechts

Weiter wird vom höchsten bayerischen Verwaltungsgericht behauptet, dass die von der VVN-BdA verantwortete Losung „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“ bereits ein klarer Aufruf zu verfassungswidriger Gewalt sei. In der Folge sei es in Dresden zur Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Demonstrationsfreiheit der VVN nicht genehmer Gruppen, darunter der NPD, gekommen, nämlich zur Gewalt in Form von „Blockaden“. Nicht zuletzt der VVN-BdA sei es also zuzuschreiben, wenn der Bundestagspräsident Thierse und der heutige Ministerpräsident Ramelow und viele Prominente blockiert hätten, was das „unparteiische“ Gericht sichtlich verärgerte. Den bedenklichen Aufruf des Bundeskanzlers Gerhard Schröder zum „Aufstand der Anständigen!“ habe die VVN mit antifaschistisch-verfassungsfeindlicher Tendenz zu nutzen gewusst. Ein Bundeskanzler, ein Parlaments- und ein Ministerpräsident sollten vorsichtiger sein.

NS-Geheimdienstgeschichte? Tut nichts zur Sache

Dies gelte auch für die Gegendemonstration gegen das Traditionstreffen der Gebirgsjäger, die gegen griechische Partisanenrefugien eingesetzt waren. Die Proteste auf dem Hohen Brenten bei Mittenwald habe die VVN zumindest in Wort und Schrift unterstützt. Wenn ein Verein der Nazi-Verfolgten und ihrer Sympathisanten dasselbe Steuerprivileg genieße wie ein soldatischer Traditionsverband, der nie Anlass zu Ermittlungsverfahren geboten hat, dann habe dies der Verfassungsschutz seit der entsprechenden Neufassung des § 51 Abgabenordnung mit seinen nachrichtendienstlichen Mitteln zu unterbinden, also das Steuerprivileg zu entziehen.

Das Verwaltungsgericht betonte, dass es in diesem Verfahren nicht um den Nachweis gehe, dass der Verfassungsschutz erheblich mehr „Schnittstellen“ mit dem Rechtsradikalismus aufzuweisen habe als etwa die VVN-BdA mit dem Linksradikalismus, und dass in der Publizistik des Verfassungsschutzes zum Antifaschismus ausschließlich Vertreter des „Geschichtsrevisionismus“ zu Wort kämen. Im rein wissenschaftlichen und politischen Meinungsstreit mögen VVN und VS gleichberechtigt sein. Hier aber sei die Meinung des VS eben „amtlich“, da er zu einer Art „Fachbehörde für Verfassungsfeindliches“ geworden sei. Niemand denke mehr an sein angeblich „tiefbraunes“ Gründungspersonal.

Unwichtig sei auch, dass sich inzwischen zwar Ministerien, Fakultäten aller Fachrichtungen, Fach- und Berufsverbände und fast alle Großfirmen einer Anstrengung befleißigten, die früher über Jahrzehnte nur die VVN gefordert und z.T. durchgeführt habe: nämlich die NS-Vergangenheit dieser Institutionen und Konzerne aufzuarbeiten. Aber die VVN habe das getan, als das noch als verfassungsfeindlich galt, was zeige, dass die VVN selbst unter Verfolgungsdruck keinerlei Respekt vor herrschenden Verfassungsgrundsätzen gehabt habe.

VS Bayern soll tonangebend sein

Rudolf van Hüllen (langjähriger Mitarbeiter von VS und Hans-Seidel-Stiftung), der sich den Kampf gegen die „Vergangenheitsbewältigung als Strategie linker Verfassungsfeinde“ im Allgemeinen und gegen die VVN-BdA im Besonderen zur Lebensaufgabe gemacht hat, bedauert seit Jahren, dass der bayerische Landesverfassungsschutzbericht mit seiner Denunzierung der VVN-BdA „bisher allein geblieben“ ist, und erhoffte sich in Bayern – offenbar in Anlehnung an die „Ordnungszelle Bayern“ der Zwischenkriegszeit – einen
„Durchbruch“. Mit seinen Polemiken, die z.T. wörtlich im vorliegenden Urteil aufscheinen, konnte er einen Mosaikstein für seine Sache verbuchen.

Die von der Innenministerkonferenz unter Volker Bouffier beschlossene „Ersatzlösung für ein NPD-Verbot“, die „finanzielle Austrocknung“ von vom Verfassungsschutz benannten „extremistischen Vereinen“ durch Entzug der steuerlichen Gemeinnützigkeit trifft nun zu allererst die führende und traditionsreichste antifaschistische Vereinigung. Zum anderen führen die aufgedeckten Verstrickungen des „Verfassungsschutzes“ in die Verbrechen des sog. „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) nicht zu seiner Beschränkung und Kontrolle, sondern zur seit langem beanspruchten Hochrüstung seiner Bespitzelungsmöglichkeiten – gegen die politische Linke.

Schlussfolgerung des Experten

Hans E. Schmitt-Lermann kommt zu dem Schluss: „In der Verhandlung vom 2.Oktober 2014 war zu spüren, dass sich hier ein Gericht starkem Druck ausgesetzt sah. Eigene politische Parteilichkeit tat ein Übriges.“ Er fordert: „Der angelegte `Münchner Maßstab` darf nicht in Berlin, Düsseldorf u.a. angewandt werden, namentlich
– das ‚Gewaltmonopol für Geschichtsrevisionisten‘,
– die Denunzierung eines kapitalkritischen Antifaschismus als staatsfeindlich
– die wörtliche Übernahme der Polemik des Rudolf van Hüllen und die schlüssige Verunglimpfung hochgeehrter Antifaschisten, namentlich: Max Mannheimer, Ernst Grube, Esther Bejarano in offener Konfrontation mit der Rede des konservativen Bundespräsidenten von Weizsäcker 1985: Wir ehren den Widerstand der Kommunisten!“

Es entwickelt sich bereits eine Solidaritätsbewegung, um die VVN-BdA zu befähigen, politisch, wissenschaftlich und rechtlich dagegen anzukämpfen, aktuell in Berlin. Dies zum Schutz der Verfassung. Und auch dies:

Die Unterstützung der Petition https://www.openpetition.de/petition/online/die-vvn-bda-muss-gemeinnuetzig-bleiben

Zur Debatte um die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA

geschrieben von Axel Holz

9. Januar 2020

Mehrere Wochen Presseberichte in ganz Deutschland zum Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA durch das Berliner Finanzamt und über 50 Soli-Erklärungen haben bewirkt, das der Vollzug der Vollstreckung durch das Finanzamt ausgesetzt wurde und auch für 2020 ausgesetzt wird. Unser Widerspruch liegt dem Finanzamt vor. Linke haben in Bremen, Berlin, Brandenburg, MV und Bremen parlamentarische Initiativen zum Erhalt der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA gestartet. Auf dem SPD-Parteitag im Dezember 2019 hat sich die SPD für den Erhalt der Gemeinnützigkeit der VVN eingesetzt. Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus zeigte sich in einer Email besorgt über den Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA. Auch die Grünen im Landtag Bayern haben uns unterstützt. Weiteres bleibt abzuwarten. Heute haben wir die Information aus dem Bürgerbüro von Minister Scholz erhalten. Er sei vom Entzug der VVN-Gemeinnützigkeit durch das Berliner Finanzamt überrascht gewesen und habe inzwischen um eine genaue Darstellung des Sachverhalts gebeten. Auch habe das Finanzamt den Vollzug des Steuerbescheides gegen die VVN zunächst ausgesetzt – auf unseren Antrag und Widerspruch hin. Wir hoffen, dass Herr Scholz nun auch die Abgabenordnung ändert. Ihre Änderung von 2009 ermöglicht erst den Entzug der Gemeinnützigkeit, wenn ein Landesamt für Verfassungsschutz über eine Organisation berichtet. 2019 hatte das Bundesfinanzministerium die Abgabenordnung weiter verschärft und von betroffenen Organisationen den Beweis des Gegenteils verlangt. Diese rechtsstaatlich fragwürdige Regelung gehört abgeschafft. Wir sind froh darüber, dass die Debatte um die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA auch die Diskussion um eine inhaltlich moderne Reform des Gemeinnützigkeitsrechts befördert hat, die die Zivilgesellschaft als unerlässlichen Bestandteil der Gesellschaft und als wichtigen Ausdruck des demokratischen Diskurses stärkt.

SPD-Parteitag solidarisch mit VVN-BdA – Stärkung von zivilem Engagement erforderlich

geschrieben von Axel Holz

2. Januar 2020

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Der SPD-Parteitag hat im Dezember 2019 einen sehr klaren Initiativantrag zur Gemeinnützigkeit beschlossen. Darin heißt es unter anderem: „Zu einer lebendigen Demokratie gehört eine starke Zivilgesellschaft. Wir wollen zivilgesellschaftliches Engagement stärken. Das Urteil des Bundesfinanzhofs zu attac und die Aberkennung der Gemeinnützigkeit haben für Verunsicherung bei vielen Vereinen und Organisationen geführt. Wir wollen für Rechtssicherheit sorgen und gemeinnützigen Organisationen weiterhin ermöglichen, sich im Rahmen ihrer Zwecke politisch zu engagieren. Wir müssen auch klarstellen, dass z.B. der Aufruf eines Sportvereins zu einer Demonstration gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit möglich ist.“

Zudem erklärt sich die SPD solidarisch mit der VVN-BdA und fordert, dass allein die Erwähnung in Verfassungsschutzberichten nicht ausreichen soll, um die Gemeinnützigkeit abzuerkennen:

„Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen solidarisch an der Seite der VVN/BDA und wollen die Gemeinnützigkeit für die VVN/BdA und anderer Vereine, die die Grundwerte des Grundgesetzes gegen antisemitische, rassistische, nationalistische und neofaschistische Angriffe verteidigen, erhalten“, heißt es in einem auf dem Parteitagangenommenen Antrag.

 

Jüdische Gemeinde Dresden protestiert gegen Entzug der Gmeinnützigkeit von VVN-BdA

geschrieben von Dr. Nora Goldenbogen, André Lang, Dr. Herbert Lappe, Johanna Stoll

2. Januar 2020

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Wir, die Unterzeichner dieser Stellungnahme, sprechen im Namen unserer während der Schoah verfolgten und ermordeten Familienangehörigen.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten ist weit mehr als irgendein Verein. Sie war und ist von der ersten Stunde nach 1945 an bis heute ein Symbol für ungebrochenen Widerstand gegen den Faschismus. Heute, bei der wachsenden Bedrohung unserer Demokratie und Rechtsextremismus ist dieses Symbol unverzichtbar. Es erinnert an diejenigen, die unter Einsatz ihres Lebens während der NS-Zeit gegen den Faschismus kämpften.

In einer Zeit, wo vermehrt Antisemitismus uns Juden verunsichert, wo Rassismus und Fremdenhass zunehmen, würde mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA unseres Erachtens ein völlig falsches gesellschaftliches Signal gesetzt.

Wir fordern deshalb, dass diese Entscheidung vollständig zurückgenommen wird.

Dr. Nora Goldenbogen (Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden)

André Lang, Dr. Herbert Lappe, Dr. Sigurd Goldenbogen, Johanna Stoll (Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Dresden)

Schwierige Befreiung vom Nazi-Vater

geschrieben von Axel Holz

2. Januar 2020

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Buchcover, Studienverlag Innsbruck

Bewundernd schaut ein zwölfjähriger blonder Junge zu seinem Vater auf dem Foto auf, der ihn wiederum von der Seite stolz und fordernd anblickt. Es ist das Umschlagsbild auf Jens-Jürgen Ventzkis Buch „Seine Schatten, meine Bilder. Eine Spurensuche“, das der österreichische Studienverlag mit Unterstützung des österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und der Stadt Wien bereits 2011 herausgebracht hat. Nun wurde das Buch auf einer Lesereise in Mecklenburg-Vorpommern in Rathäusern und Schulen vorgestellt, organisiert von den Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin, einer Gedenkstätte, die sich ideenreich gedenkstättenpädagogisch dem ehemaligen KZ Wöbbelin widmet und zugleich ein Museum über den umstrittenen Dichter Theodor Körner enthält.

Das Buch ist eine sogenannte Täterbiografie. Der ehemalige Verlagsleiter Jens-Jürgen Ventzki führt darin eine Auseinandersetzung mit seinem Vater Werner Venzki, dem ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Lodz, das die Nazis „Litzmannstadt“ nannten und in dem sich eines der ersten Gettos befand, in dem Juden interniert und weiter zur Vernichtung nach Auschwitz deportiert wurden. Venzki war auch Gauamtsleiter, Reichsredner, SS-Mann und später führender Funktionär im Bundesvertriebenenministerium. In der BRD stritt er seine Verbindung zum Getto in Lodz ab und entlastete andere SS-Offiziere aus dem Vorzimmer von Adolf Eichmann. Bis zum Lebensende blieb er zusammen mit seiner Frau ein überzeugter NS-Anhänger, Antisemit und Polen-Hasser. Er beschwerte sich kurz vor seinem Tod darüber, dass er in seiner Entnazifizierungsakte „nur“ als Mitläufer beurteilt wurde.

Das Buch berichtet nicht nur über eine vaterlose Gesellschaft vieler Kinder und Jugendlicher nach dem zweiten Weltkrieg, sondern auch über die merkwürdige Abwesenheit der überlebenden Väter. Die hatten ihre Mitwirkung im NS-Regime oft verdrängt. Ihre Kinder ahnten oft lange nichts davon oder wollten nichts davon wissen. So auch Jens-Jürgen Venztki über seinen Vater Werner Ventzki. Der Jurist Werner Ventzki, in Pommern geboren und mit der Region Posen eng verbunden, gehörte zur jungen Garde überzeugter Nationalsozialisten. Zunächst als Leiter eines Wohlfahrtsamtes im Gauamt Stettin tätig, wird er durch Himmler gefördert und wechselt in den Mustergau Warteland über, wo er Aufgaben bei der Zwangsumsiedlung der polnischen und jüdischen Bevölkerung übernimmt. Als Oberbürgermeister von „Litzmannstadt“ ist er auch für das dortige Getto zuständig. Fotos zeigen seine Anwesenheit im Getto zusammen mit SS-Führer Himmler. Er meldete sich 1943 zur Waffen-SS und wurde an der Ostfront eingesetzt. Nach dem Krieg wurde er in Schleswig-Holstein entnazifiziert, einem Sammelbecken für Altnazis. Nach einer Kariere im Vertriebenenministerium starb er achtundneunzigjährig im Jahre 2004.

Jens-Jürgen Ventzki, der den humorvollen Vater als Kind schätzt und zu ihm als ehemaligen Oberbürgermeister aufblickt, stößt in seiner Familie bei näherem Nachfragen auf eisiges Schweigen. In den neunziger Jahren wird er in einer Ausstellung mit einem Dokument und der Handschrift seines Vaters konfrontiert. Es bezieht sich auf die Kleidung der in Chelmno ermordeten Juden, von den Nazis „Kulmhof“ genannt. Aber erst 2001 folgt er fünfzigjährig den Spuren seines Vaters, ein Prozess, der ihn bis heute begleitet. In seiner Familie stieß er dafür auf Unverständnis und Ausgrenzung. Ventzki geht dem verräterischen Dokument nach, dass seinen Vater als Nazi-Täter offenbart. Darin heißt es: „Auf Ihr Schreiben vom 8.5.1942 wegen der gebrauchten Textilien habe ich mit dem Leiter der Gettoverwaltung eingehend gesprochen …Ich nehme an, dass es möglich sein wird, Ihnen auch direkt etwas zur Verfügung zu stellen.“ Im Anschluss verweist Werner Ventzki bürokratisch auf eine fällige Entschädigung für die entstandenen Kosten zur Reinigung der Kleidung der ermordeten Juden. Jens-Jürgen Ventzki geht den Spuren seines Vaters systematisch nach und bereist seine Geburtsstadt, wo sortierte Akten über seinen Vater bereits auf ihn warten. Er findet Kontakt zu Überlebenden des Gettos „Litzmannstadt“ und stößt auf vertrauensvolle Hilfe, die ihm einen hoffnungsvollen Weg zum Umgang mit der Last der Geschichte zeigen. An Hand von Dokumenten, Erinnerungen, Literatur- und Archivstudien in Lodz, Berlin, Ludwigsburg und Jerusalem zeichnet er den Lebensweg seines Vaters nach. Bereits als Amtsleiter im Wohlfahrtsamt beginnt Werner Ventzki über die vermeintlich unnützen Menschen zu fabulieren, die nicht dem Volkswohl dienten. Später trägt er als Oberbürgermeister von Lodz die Oberaufsicht für jene, die nach Auschwitz zur Vernichtung geschickt werden. Während Getto-Leiter Hans Biebow in Polen zum Tode verurteilt wird, macht Werner Ventzki im Westen Karriere. Ein Beispiel für tausende ähnliche Fälle. Das Buch dokumentiert, wie notwendig es auch noch heute ist, sich seiner Geschichte zu stellen und wie quälend und widersprüchlich es dabei sein kann, diesen Anspruch  in der eigenen Familie konsequent zu verfolgen.

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