Geflüchtete integrieren – Rassismus entlarven!

20. Mai 2016

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Die gewerkschaftliche Fachtagungsreihe Ratschlag gegen Rechts setzte mit einem anspruchsvollen, zweitägigen Programm ein deutliches Zeichen für die tatkräftige Solidarität mit Geflüchteten und Menschen in existentieller Not. Dazu gehört gleichermaßen der Kampf gegen die aktuellen rassistischen, rechtsradikalen Bewegungen und Parteien wie Pegida und AfD.

Die Ausführungen des Politologen und Rechtsextremismus-Forschers, Prof. Dr. Hajo Funke, machten deutlich, dass die „Entfesselung des Ressentiments“, also die radikalisierte rechte Hetze und Gewalt in unserer Gesellschaft dringend eine „Offensive zur Verteidigung des Rechtsstaates“ benötigt. Der Wissenschaftler machte klar, dass Pegida und AfD sowohl „grundgesetzwidrige Haltungen“, als auch rechtsradikale Positionen vertreten. Die AfD sei eine „rechtsradikale Partei, die sich rechtspopulistischer Positionen“ bediene. Die Zunahme der rassistischen Ausgrenzung und der rechtsextremen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft sei unter anderem die Folge einer verfehlten, teilweise verlogenen Ost-West-Politik sowie einer andauernden Politik des Sozialabbaus und der sozialen Ungerechtigkeit. Insofern brauche es neben der Rechtsstaatsoffensive dringend auch eine soziale Offensive in der Politik. Nur eine Politik, die sich in dieser Hinsicht als glaubwürdig erweist, könne der „Entfremdung zur Demokratie“ in weiten Teilen der Bevölkerung entgegenwirken.

Auch der Soziologe, Andreas Kemper, konstatiert in seinem detailreichen Vortrag zur Entstehung, Struktur und Programmatik der AfD, dass es verharmlosend sei, diese Partei nur als rechtspopulistisch zu bezeichnen.

Anhand europäischer Strategiepapiere belegt der Soziologe, Martin Dolzer, der als Journalist sowie als Abgeordneter und Sprecher für Europa- und Friedenspolitik der LINKEN in Hamburg seit vielen Jahren im Kontext Flucht und Asyl recherchiert und arbeitet, dass die Europapolitik eine gezielte Abschottung gegen Geflüchtete betreibt, während die Fluchtursachen, also Kriege systematisch befördert werden, weil es dabei um die Verteilung von Ressourcen, also europäische Wirtschaftsinteressen geht. In der Diskussion zeigten sich alle Teilnehmenden darin einig, dass Friedenspolitik auch für die Gewerkschaften wieder mehr in den Fokus rücken müsse.

In der Podiumsdiskussion berichtete Peter Bremme, Landesfachbereichsleiter ver.di Hamburg, wie sich GewerkschfterInnen auch für papierlose Geflüchtete stark machen, die angesichts des ramponierten Asylrechts trotz Not von Abschiebung bedroht sind. Bremme will Integration von Geflüchteten in Arbeit unter anderem mit der Musterbetriebsvereinbarung „Integration von Flüchtlingen in das Arbeits- und Betriebsleben“ anregen.

Ulrike Seemann-Katz vom Flüchtlingsrat MV kritisierte unter anderem die Asylpolitik. Mit dem Hinweis auf die umfassende politische Festlegung hinsichtlich so genannter „sicherer Herkunftsländer“ und die vielen weiteren praktischen Hemmnisse für Menschen in Not spitzte sie zu: Der Slogan der Kanzlerin „Wir schaffen das!“ bedeute in Wahrheit „Wir schaffen das – Asylrecht ab!“

Über 100 Teilnehmende aus Norddeutschland verfolgten die Hintergrundberichte und Analysen der ExpertInnen, auch wieder zum Thema NSU. Sie beteiligten sich an den lebhaften Diskussionen und Foren, versorgten sich mit umfangreichen Info-Material zu den Themen Flucht, Asyl, Rassismus und Neofaschismus. Neben der Pro Asyl-Ausstellung „Asyl ist Menschenrecht“, die bundesweit von DGB und IG Metall unterstützt wird, gab es Info-Stände von Netzwerk Arbeit für Flüchtlinge (NAF), der Landeszentrale für politische Bildung MV, der Ehrenamtsstiftung sowie natürlich des Betrieblichen Beratungsteams.

Veranstalter waren DGB Nord und ver.di Nord in Kooperation mit der IG Metall, der Otto-Brenner-Stiftung, der Landeszentrale politische Bildung MV und der Ehrenamtsstiftung MV. Konzept und Organisation erfolgten maßgeblich durch den Arbeitskreis Antirassismus/Antifaschismus von ver.di Nord.

Für eine offene Gesellschaft! Kein Krieg – nirgends!

4. Mai 2016

Aufruf des Aktionsbündnisses 8. Mai Demmin zum Naziaufmarsch am 8. Mai 2016

Viele, die nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus wollen; viele, die Menschen, gleich welcher Herkunft, willkommen heißen; viele, die Unterstützerkreise für die Geflüchteten aufgebaut haben; viele, die für eine freie, friedliche und offene Gesellschaft eintreten – sie, wir wollen den öffentlichen Raum nicht denjenigen überlassen, die Hass, Angst und Sündenböcke schaffen.

Etwas mehr als acht Jahrzehnte erst ist es her, dass die Machtergreifung der Nazis Krieg, Zerstörung, Vernichtung über Europa brachte und Millionen Menschen in die Flucht trieb. Auch heute ist Krieg der wichtigste Grund, zu fliehen. Mit Waffenexporten und wirtschaftlichen Interessen ist Deutschland mit verantwortlich für die aktuellen Kriege, die wieder Millionen Menschen in die Flucht treiben. Falls es diesen gelingt, Stacheldraht an den Grenzen und das Mittelmeer lebend zu überwinden, suchen sie Schutz bei uns. Doch für viele Geflüchtete werden die europäischen Grenzen immer undurchlässiger, andere begegnen hier auf den Straßen Misstrauen und Gewalt.

Bedrohlich ist der Aufmarsch der Neo-Nazis jedes Jahr am 8. Mai in Demmin. Sie geben vor, den Opfern der sowjetischen Besetzung zu gedenken. Dabei negieren sie, dass die deutschen Faschisten Krieg und Vernichtung über Europa gebracht haben. Diese Verdrehung der Geschichte benutzen sie, um mit Hassparolen gegen alles Fremde anzugehen.

Wehren wir den Anfängen – stellen wir uns entgegen!

70 Jahre OdF- Denkmal in Rostock am Rosengarten

4. Mai 2016

Vor 70 Jahren, am 5. Mai 1946, wurde in Rostock als einer der ersten größeren Städte Deutschlands nach dem Ende des Krieges, am Rosengarten ein Denkmal „Für die Opfer des Faschismus“ eingeweiht. Das geschah nicht auf Anordnung von „oben“, sondern auf Forderung und Initiative des OdF-Ausschusses der Stadt. Auf Anordnung der Alliierten waren in allen Besatzungszonen Deutschlands bei den örtlichen Behörden Ausschüsse für die Opfer des Faschismus(OdF) als Vertretung der Opfer und Verfolgten des Naziregimes, die überlebt hatten, zu bilden, meist angesiedelt bei den Sozialämtern. In Rostock war der Ausschuß eine „Dienststelle des Oberbürgermeisters“. Leiter des Rostocker Ausschusses war Kurt Gramm, der, als Jude verfolgt, die Naziherrschaft überlebte. Entworfen wurde das Denkmal vom Architekten Hans Stridde, dessen jüdische Ehefrau ebenfalls Opfer der Nürnberger Rassengesetzgebung der Nazis war.
Das Denkmal war Symbol für den Beginn der erforderlichen Auseinandersetzungen mit der Nazizeit und rückte das Schicksal der Opfer des Naziregimes; aber auch den Widerstand gegen den Faschismus in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Bis 1989 war der Platz des Denkmals für viele Rostocker der zentrale Platz für dieses Gedenken; besonders am 2. Septembersonntag des Jahres, dem „Tag der Opfer des Faschismus“. Dieser Tag war der erste gesamtdeutsche Gedenktag, erstmalig begangen im September 1945 im damals noch ungeteilten Berlin. Organisiert wurde er vom noch Gesamtberliner Magistrat im Sportstadion Berlin – Neukölln, das eigens zu diesem Anlass nach dem Berliner Arbeitersportler und 1944 hingerichteten Antifaschisten Werner Seelenbinder umbenannt wurde. Träger des ODF-Tages wurde die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN), die bis 1948 in allen Besatzungszonen Landes- und Kreisvereinigungen bildete. 1947 beschloß die gesamtdeutsche Interzonenkonferenz der VVN, diesen Tag jährlich am 2. Septembersonntag zu begehen. Dieser antifaschistische Konsens wurde selbst ein Opfer des beginnenden „Kalten Krieges“ und zerbrach endgültig mit den Gründungen zweier deutscher Staaten 1949. Die VVN in der alten BRD wurde verboten und antifaschistische Aktivitäten wurden kriminalisiert. Erst 1996(!) ordnete ein damaliger Bundepräsident an, den 27. Januar, den Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee, zum offiziellen Gedenktag für die “Opfer des Nationalsozialismus“ zu machen.
In Rostock bemühten sich nach 1990 vor allem die „Interessenvertretung der Verfolgten des Naziregimes“ (IVVdN) und der „Bund der Antifaschisten“ (BdA) – heute zusammengeschlossen in der Organisation VVN – BdA – gemeinsam mit vielen Anderen für die Weiterführung des antifaschistischen Gedenkens und gegen das Vergessen. In dieser Zeit fielen abfällige Bemerkungen über einen „verordneten Antifaschismus“, den es in der DDR gegeben hätte. Ich halte solche Formulierungen für sehr dümmlich. Was ging und geht in den Köpfen von Menschen vor, die meinen, sie hätten den Antifaschismus als „verordnet“ gefühlt ? Abgesehen davon, dass es Verordnungen und Beauflagungen der alliierten Besatzungsmächte zum Umgang mit dem Naziungeist und dessen Überresten tatsächlich gab und auch solche Dokumente, wie der vielzitierte „Schwur von Buchenwald“ Erwartungen und Anforderungen stellten : Denjenigen, die die Naziherrschaft in Lagern, Zuchthäusern oder als Zwangsarbeiter überlebten, denen mußte Antifaschismus nicht verordnet werden, sie haben ihn gelebt. Und die meisten von denen, die vor den materiellen und geistigen Trümmern dieses Regimes standen, waren froh, neuen Halt in und Wegweiser aus diesem Chaos zu finden, allen voran die jungen Leute. Wir wußten nur eines: „Das neue Leben muß anders werden“, wie es Louis Fürnberg gedichtet hat und wir es gesungen haben – freiwillig und aus Überzeugung. Der deutsche Faschismus freilich, der mußte nicht „verordnet“ werden. Der hatte und hat seine tiefen Wurzeln im „alldeutschen“ und „großdeutschen“ Chauvinismus mit seinen Theorien vom „Deutschland, Deutschland, über Alles in der Welt“, vom „Volk ohne Raum“ und „Heim ins Reich“, vom „Deutschtum im Ausland“ und „Nach Ostland will wi gahn“ und dem Weitermarschieren, „bis Alles in Scherben fällt“. Und dieser verfluchte deutsche Faschismus hatte und hat seine Wurzeln in einer unmenschlichen Rassentheorie, die einteilt in Angehörige der „arischen“ oder „nordischen“ „Herrenrasse“ und in „slawische“ oder „jüdische“ bzw. „jüdisch-bolschewistische Untermenschen“; einteilt in „wertes“ und „unwertes“ Leben. Letzteres war zu vernichten – und das wurde nicht nur propagiert sondern auch praktiziert – industriell organisiert.
Wie kann man angesichts dessen Antifaschismus nicht verinnerlichen, sondern als „verordnet“ fühlen? Wahr ist – und aber auch gleichzeitig anfechtbar – dass der Antifaschismus in der DDR mit den Jahren sehr eingeengt wurde auf den Widerstand der Antifaschisten aus der Arbeiterbewegung. Dafür gab es sicher Gründe. Zum einen waren diejenigen, die auf der anderen Seite der Klassengesellschaft standen und an Krieg, Rüstung, Eroberungen und Ausbeutung fremder Länder und Völker verdienten oder verdienen wollten, die, welche den Aufstieg der Nazis – wenn nicht gar ermöglicht – aber nachweislich zielgerichtet gefördert haben. Zum anderen ist ebenso nachweisbar, dass die Zahl der Widerstandskämpfer der Arbeiterklasse – ich betone, dieser Widerstandkämpfer, nicht die aller Opfer –, die dem Naziterror zum Opfer fielen, am größten war. An sie und ihren Kampf soll auch weiterhin erinnert werden, wie z. B. in diesem Jahr an Ernst Thälmann, der am 16. April vor 130 Jahren geboren wurde und unter den Bedingungen seiner Zeit gegen den Faschismus kämpfte und Vielen als Sinnbild des Widerstandes Mut und Kraft gab. Wir gedenken anläßlich des 8o.Jahrrstages des Beginns des Bürgerkrieges im Juli 1936 der Antifaschisten, die in Spanien gegen den Faschismus – auch gegen den deutschen – kämpften und ihr Leben ließen. Der Gedenkstein Hans Beimlers im Rostocker Überseehafen erinnert auch heute noch daran und soll es auch weiter tun. Keiner von all denen soll vergessen werden.
Heute bringt eine neue gefährliche rechtsradikale Entwicklung weltweit schon wieder Menschen massenhaft Krieg, Tod, Flucht und Vertreibung, soziale Not und Verelendung.- aus politischen, rassistischen und auch aus Profitgründen und alle Menschen können Opfer werden, wenn wir nicht wachsam sind, wie Julius Fucik dazu aufrief.. Deshalb ist es erforderlich, aller Opfer zu gedenken und uns an ihr Schicksal zu erinnern. Wir dürfen aber auch heute nicht nachzulassen, ihr Vermächtnis zu erfüllen und so Viele wie möglich gegen Gefahren und Unheil zu mobilisieren – Widerstand, das lehrt die Geschichte, ist möglich, muß aber auch organisiert werden. Und noch etwas wird uns gelehrt: nicht nur die Opfer nicht vergessen, sondern auch die Täter nicht – und das nicht erst 7o Jahre später, sondern heute schon.
Vor einiger Zeit meinte ein Journalist in einer großen Tageszeitung, das Gegenteil von Faschismus sei nicht Antifaschismus, sondern funktionierende Demokratie. Mir klingt da der rheinische Singsang-Tonfall eines gewissen Goebbels in den Ohren: „Wir werden die Herren Demokraten diesmal mit ihren eigenen Waffen schlagen und mit Hilfe ihrer Demokratie ganz legal an die Macht kommen“ – was dann ja auch mit großen Mehrheiten bei den Reichstagswahlen 1932 / 33 geschah. Die jüngsten Landtagswahlergebnisse weisen da erschreckende Spuren auf. Demokratie – ja; aber nicht als Sprungbrett für die, die sie abschaffen werden, wenn sie die Macht dazu haben – ein „Blick nach Polen“ sollte uns aufrütteln, mit allen Mitteln und mit allen demokratischen Kräften sich mit solchen Antidemokraten auseinanderzusetzen. Und in diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Flüchtlingsproblematik: nicht diejenigen sind zu bekämpfen, die aus Not und Verzweiflung und aus Angst vor Verfolgung ihre Heimat verlassen und in eine völlig ungewisse Zukunft fliehen, bekämpft werden müssen die Ursachen, die zu solchen Verzweiflungsaktionen führen – und die Verursacher dazu!

Rede zur Eröffnung des Sachsenhausengedenklaufes am 1. Mai 2016 in Schwerin

1. Mai 2016

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Liebe Sportlerinnen und Sportler,
heute eröffnen wir den 51. Sachsenhausengedenklauf. Seit einigen Jahren übernehme ich die Eröffnung, also auch schon eine Tradition.
Aber warum treffen wir uns hier jedes Jahr von Neuem?
Einerseits um an das schlimmste Kapitel der deutschen Geschichte zu erinnern, an den deutschen Faschismus, den es ja neben dem italienischen ebenso spezifisch gab, wie den spanischen unter Francisko Franco, den kroatischen unter Ante Pevelic oder den rumänischen Ion Antonescu. In vielen europäischen Ländern gab es gleichzeitig faschistische Parteien, sogar in den USA, von wo aus viele die Nazis in Deutschland bewunderten. Spezifisch deutsch war wiederum, dass aus einer Ideologie eine Bewegung und ein Staat wurde, der einen verbrecherischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg begann. Daran sollte man schon erinnern, nicht nur an unsere Stärken als Deutsche, an Schiller und Goethe, an 1848, an die Reichsgründung als Nation 1870 oder das Jahr 1918, das uns die Republik, demokratische Grundrechte für alle und die Regeln der Demokratie gebracht hat. Und zum düstersten Kapitel deutscher Geschichte gehört eben auch der Todesmarsch aus Sachsenhausen, der für 6.000 der ca. 20.000 KZ-Häftlinge auf diesem Wege tödlich endete. Warum soll man daran erinnern, wenn das alles doch mittlerweile über 75 Jahre her ist und die Deutschen gute Demokraten geworden sind? Darauf hat die Auschwitz-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch vor einigen Jahren bei der Feier zum Holocaustgedenktag in Rostock den anwesenden Politikern eine überraschende Antwort gegeben. Sie sagte, was sie in Auschwitz erlebt habe, dass sei immer wieder möglich.
Deswegen gehört zur Demokratie nicht nur die freie Meinungsäußerung, sondern mit gleichem wenn nicht höherem Gewicht der Schutz der Persönlichkeitsrechte vor Diskriminierung. Diskriminierungen von Minderheiten begleiten unseren Alltag, soweit wir zurückdenken können. Viel wird dagegen getan, vieles ist zum Schutz von Minderheitenrechten auch im öffentlichen Bewusstsein erreicht worden. Denken wir an Frauenrechte, an einen zunehmend entspannten Umgang mit Homosexualität, an den weitgehend respektvollen Umgang mit Migranten, an die Verankerung des Sozialstaatsgedenkens der Verfassung bei den Bürgern und bei fast allen Parteien.
Es könnte sein, dass sich dies alles gerade ändert. Dabei geht es nicht nur um die rassistische Mobilisierung, die früher die NPD übernahm und heute PEGIDA und die AFD anführt und der allein 2015 über 1.000 Anschläge auf Asylbewerberheime als geistige Brandstifter zuzuschreiben sind. Wenn man genau hinschaut, und das haben viele Arbeiter und Arbeitslose in Sachsen-Anhalt offensichtlich nicht gemacht, geht es eben nicht um heimatlose Konservative, denen viele aus Frust protestierend hinterherlaufen. Denn die Köpfe der neuen rechtspopulistischen AfD agieren nicht nur rassistisch sondern auch voraufklärerisch. Sie würden das Rad der Geschichte gern um 100 Jahre zurückdrehen. Das sind nicht nur Ruhe suchende Bürgerliche, die gern in eine Zeit zurückkehren wollen, als es kaum Muslime in Deutschland gab, in der sich Schwule zu verstecken hatten, in der sich Frauen überwiegend nur um Kinder und Haushalt zu kümmern hatten und Nachrichten über Kriege in aller Welt kaum jemand kümmerten. Sagen wir es klar, hier sollen Grundrechte scheibchenweise eingeschränkt werden.
Jetzt geht es nicht nur darum, Minderheiten weiter zu schützen und Vorurteile abzubauen. Nun muss auch der alte Bismarcksche Sozialstaat verteidigt werden, den die AfD durch Privatisierung gern abschaffen möchte, etwa durch Streichung des Arbeitgeberbeitrages in den Sozialversicherungssystemen. Jetzt geht es darum, Grundrechte zu sichern, wie das Sozialstaatsgebot, die Religionsfreiheit, die Gleichstellung von Mann und Frau und auch das Asylrecht, dass schon einmal hunderttausende Deutsche in anderen Ländern in Anspruch genommen haben, als ihnen in Deutschland Verfolgung oder Vernichtung drohte.
Die AfD ist eine kleine Partei, die viele Anhänger hat, eine erheblich bürgerliche Unterstützung genießt und keine Geldprobleme zu haben scheint. Wenn wir nicht höllisch aufpassen, wenn wir nicht als Demokraten erkennbar aktiv werden, könnte Frau Lasker-Wallfisch eines Tages Recht behalten.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Landtagswahlen und AfD

geschrieben von Axel Holz

29. April 2016

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Wie viele Analysen zur AfD, sind auch Aussagen dieser Studie durch die neueren Entwicklungen in der AfD bereits mit der Veröffentlichung überholt. Zumindest die Wahlprognosen der Studie, die zwischen Dezember 2015 und Ende Januar 2016 erarbeitet wurde, werden mit den tatsächlichen Landeswahlergebnissen der AfD zwischen 12 und 24 Prozent deutlich übertroffen. Dennoch versucht die Studie systematisch zu beleuchten, was den Zuspruch der AfD in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ermöglicht und fördert, was die Partei fordert, wie sie auf regionale Besonderheiten reagiert, wie es um Organisation, Personal und Kandidaten der Partei steht und wie die Partei gegen die erheblichen politischen Widerstände aus der Gesellschaft reagiert. Ein Verdienst der Studie ist, dass sie die besonderen regionalen Bedingungen und die Geschichte der regionalen Parteienlandschaft beleuchtet und damit das unterschiedliche Vorgehen der AfD in den drei Ländern in den Fokus nimmt. So spare man im rheinland-pfälzischen Wahlprogramm radikale Forderungen weitgehend aus und versuche den Korridor rechtskonservativer Forderungen nicht zu überschreiten. In Baden-Württemberg sehen die Autoren bei der AfD ein deutlich schärferes Bedrohungsszenario europäischer Werte durch den Islam, ohne dass nationalistische Chiffren dominierten. Ganz anders positioniere sich der Landesverband der AfD in Sachsen-Anhalt, der sich völkisch-nationalistisch und nicht selten biologistisch geriere. Während im Westen zielstrebig die rechtskonservative Lücke im parteipolitischen Raum besetzt werde und teilweise liberale Forderungen zum Wählerfang dienten, setze man im Osten auf die Aktionen des Straßenprotestes im Schulterschluss mit „Anti-Asyl-Initiativen“ und marschiere auch offen mit extrem rechten Gruppierungen. Die Ansprache im Westen erfolge mit Bürgerdialogen, Vortragsabenden und Info-Tischen. Viele Kandidaten verfügten über Radikalisierungspotentiale. In allen Ländern stammten zahlreiche Kandidaten der Kreis- und Landeseben aus extrem rechten Gruppierungen oder haben Kontakte zu ihnen. Eine Abgrenzung von Neonazis, wie sie in der Lucke-Partei noch nach außen propagiert wurde, findet nicht statt oder werde unterbunden. Die bunt zusammengewürfelte Truppe berge bereits für die zukünftige Fraktionsarbeit organisatorische und personelle Konflikte. Mit einem Auseinanderbrechen der Partei wie bei der DVU oder der Schill-Partei sei aber eher nicht zu rechnen, weil die rechte Mobilisierung trotz der Kritik durch Parteien, Medien und Zivilgesellschaft zu klappen scheint und das Mobilisierungsthema „Asylchaos & Eurokrise stoppen“ der AfD über Monate und Jahre Stoff für rechtspopulistische Mobilisierung biete. Trotz regionaler Unterschiede identifizierten die Autoren auch zentrale Gemeinsamkeiten der AfD, die sie in einem rechtspopulistischen Politikstil, in einem rigorosen Freund-Feind-Bild und in der Verachtung der etablierten Politik sehen. Angriffspunkte der AfD seien die Asylpolitik der Bundesregierung, ein angeblicher Verlust der traditioneller lebensweltlichen Ordnung der Familie und das Fehlen eines vermeintlich einigenden Heimatbewusstseins, angeblich in Folge von Zuwanderung. Die Auseinandersetzung mit diesen Klischees führt die Studie ebenso wenig, wie sie Rassismus als zentralen Identifikationspunkt der AfD herausarbeitet. Auch die ausgrenzende Wirkung von rückwärtsgewandten Werten der AfD, die Offenlegung der Verfassungswidrigkeit zahlreicher Forderungen gegen das grundsätzliche Recht auf Asyl, gegen die Religionsfreiheit, gegen gleiche Rechte von Männern und Frauen findet kaum Eingang in die Studie. Die geistesgeschichtliche, organisatorische und personelle Genesis der AfD-Kernforderungen, die unterschiedlich offen in Landes- und Bundesprogramm Eingang finden und voraussichtlich an Einfluss gewinnen werden, wird nicht aufgezeigt. Dazu war der methodische Ansatz der Studie wohl zu eng gefasst worden. Zustimmen kann man der Einschätzung, man dürfe nicht darauf vertrauen, dass sich die AfD-Fraktionen im parlamentarischen Betrieb allein demaskieren, aufreiben und pulverisieren würde. Erfahrungen zeigten, auch im Parlament könne man erfolgreich gegen “Altparteien“ wettern, im Namen des Volkes wüten und Diskurse vergiften. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD müssen Parteien, Zivilgesellschaft und Presse wohl erst noch gemeinsam leisten.

Rechts oben

geschrieben von Axel Holz

29. April 2016

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Rassistische Mobilisierung ist das Thema einer Studie über Demokratie und Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern
Seit zehn Jahren sitzt die NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, ihrer letzten Landtagsbastion in Deutschland. Für die NPD ist das ein wichtiger Standort, denn von hier aus werden seit der Schließung der NPD-Zentrale in Berlin die Geschäfte der NPD geführt, von hier aus wird die regionale Szene organisiert und finanziert, von hier aus wurde die rechte Szene regional fest verankert, wie es Andrea Röpke in einem ihrer neuesten Bücher beschreibt. Bei der letzten Landtagswahl hatte die NPD im Lande mit 40.075 Stimmen fast ein Drittel ihrer Wähler verloren und mit sechs Landtagsmitgliedern ein Mandat. Nur knapp war ein weiteres Mandat durch einen Nachwahlgang auf der Insel Rügen erhalten geblieben. Das war das Ergebnis einer geringeren Wahlbeteiligung, aber auch einer jahrelangen konsequenten Auseinandersetzung der Medien mit der NPD, der demokratischen Parteien und der politisch aktiven Bündnisse, die vor einem weiteren Erstarken der Nazi-Partei und anderer völkischen Organisationen warnten und gegen sie antraten. Auch bei den Kommunalwahlen verlor die NPD 2014 40 Prozent ihrer Stimmen. Dennoch sind seitdem weitere Kader der bundesweiten rechten Szene mit und ohne Anwesenheit im Landtag durch die Landtagsfraktion finanziert oder geschult worden. Als Praktikanten firmierten in der Fraktion Vertreter verschiedenster Kameradschaften, Stadt- und Kreistagvertreter der NPD aus Teterow und Rostock und aus den Landkreisen Rostock und Mecklenburgische Seenplatte, wie Adrian Wasner und Norman Runge. Seitdem provoziert die NPD weiter im Landtag und verbreitet ihre rassistischen Thesen, wie es der jetzige Bildungsminister Mathias Mathias Brodkorb über die erste Legislaturperiode der NPD in einem Buch beschrieben hatte. Die demokratischen Parteien im Landtag reagierten mit dem „Schweriner Weg“, der die effektive Arbeitsfähigkeit des Parlamentes erhalten sollte, indem alle Parteien die Anträge der NPD ablehnten und jeweils ein Demokratie-Vertreter sich öffentlich mit der NPD auseinandersetzte. Die Themen und Probleme, die die Menschen im nördlichsten Bundesland beschäftigen, wurden von der NPD selten und meist ohne aktuelle Bezüge angefasst. Stattdessen hetzt die NPD bereits seit Jahren gegen Geflüchtete und Asylbewerber und gegen die staatliche Unterstützung von Demokratieinitiativen. Begleitet wurden diese Angriffe durch eine Anti-Asyl-Tour der Landtagsfraktion, kaum beachtete Mahnwachen und Demos in Güstrow und Ückermünde. Die NPD-Kader blieben dabei meist unter sich. Im Landtag agierte die NPD mit der Herabwürdigung von Demokratie und Demokraten, nicht selten verbunden mit Beleidigungen und Drohungen. Gleichzeitig nutzt sie den Landtag, um Nazistrukturen in der Region zu verstetigen, begleitet von einer massiven Zunahme der Gewalt gegen Flüchtende und Andersdenkende. Der Landtag regierte auf die Attacken der NPD mit Argumenten, Ordnungsrufen und Anzeigen, die auch in Strafverfahren gegen NPD-Abgeordnete mündeten. Neben der Verunsicherung der NPD-Kader durch eine tiefe finanzielle Krise und das drohende Parteienverbot hat die Schweriner Landtagsfraktion auch keine Strategie für ihren Wiedereinzug. Durch die rechtspopulistische Konkurrenz der AfD, die kommunal vielfach mit der NPD gegen die regionale Flüchtlingsunterbringung und gegen Kirchenasyl stimmte, droht zudem eine existenzgefährdende Konkurrenz im Landtagswahlkampf. Seit geraumer Zeit agiert die NPD erfolgreich unter fremder Flagge in rechten Bündnisse, wie MV-GIDA, „Deutschland wehrt sich“ oder „Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit“ mit teilwiese doppelt so hohe Zusprüchen auf 20 anonym eingerichteten Faceboock-Seiten wie auf den Homepages der NPD und der AfD. In 16 Demos seit Ende 2014 hatte das NPD-Produkt MV-GIDA bis zu 600 vermeintliche Wutbürger mobilisiert. Neu ist aber auch der Gegenprotest gegen die NPD in vielen Teilen des Landes. Die Landes-AfD tritt im Herbst als Teil rechter Mobilisierung mit einem im Spektrum der AfD erkennbar rechten Landesverband zur Landtagswahl an. Die Medien reagierten bisher mit der Offenlegung der personellen Kontinuitäten und Kontakte zur rechten Szene, mit der Information über wegen Volksverhetzung oder krimineller Geschäfte angeklagter der verurteilter AFD-Funktionäre und der Ächtung rassistischer Äußerungen. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD-Programmatik, ihrer Rolle bei der Verschärfung von rassistischen Vorurteilen und über den Umgang mit der AfD im künftigen Landtag wird aber bisher wenig geführt.

7. Aktionsfahrradtour am 21.04 – 24.04.2016

17. April 2016

„Unterwegs auf Straßen und Plätzen für Menschlichkeit und Frieden , gegen Neofaschismus“

unter diesem Motto führt die VVN-BdA Westmecklenburg-Schwerin seit 2010 eine Aktionsfahrradtpur als Gedenk- und Deminstrationstour auf den Streckenführungen der Todesmärsche durch.

Die Tagesetappen sind zwischen 35 km und 55 km lang. Mit dieser jährlich in der zweiten Aprilhälfte stattfindenden Radtour fördern wir die Erinnerung und das Gedenken an die Opfer der Todesmärsche, von Faschismus und Krieg.

Sie leistet einen Beitrag zur politischen-historischen Bildung an authentischen Orten durch Wahrnehmung und Auseinandersetzung auf verschiedenen Ebenen. Ein wesentlicher Bestandteil sind die Gespräche mit Bürgern und Bürgerinnen sowie Bündnissen gegen Rechtsextremismus.

Sie möchte zu einem stetigen persönlichen Engagement für Humanismus und und Demokratie ermutigen. Für die Verbreitung der Idee einer weltoffenen und multikulturellen Gesellschaft wird geworben, wie sich für Abrüstungsschritte und eine zivile Außen- und Sicherheitspolitik eingesetzt wird.

Diesjährige Tourroute: Schwerin – Grevesmühlen – Lübeck – Mölln – Hamburg

Nähere Informationen gibt es auf dem Flyer der VVN-BdA Westmecklenburg-Schwerin.

Aufruf zur Kampagne Aufstehen gegen Rassismus

13. April 2016

 

Fast täglich greifen Rassisten und Rassistinnen Flüchtlingsheime an, islamfeindliche Übergriffe nehmen zu. Erschreckend viele Menschen nehmen an fremdenfeindlichen und rassistischen Demonstrationen teil. Pegida hetzt gegen Geflüchtete und Muslime und Musliminnen.

Währenddessen wird die „Alternative für Deutschland“ (AfD) zunehmend zum Sammelbecken für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. An vielen Orten ist die AfD Zentrum der extremen Rechten geworden. Abgeordnete der AfD verbreiten Nazi-Parolen und hetzen gegen Andersdenkende.

Die AfD ist zu einer ernsthaften Gefahr geworden, für all jene, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen.

 

Deine Stimme gegen rechte Hetze

Wir wollen dem ein Ende machen. Wir greifen ein, wenn Rassistinnen und Rassisten Menschen in unserer Mitte attackieren. Menschenverachtender Stimmungsmache gegen Geflüchtete, Musliminnen und Muslime, Roma und Romnija, Sinti und Sintiza, Jüdinnen und Juden treten wir entgegen.

Wir wehren uns gegen Mordanschläge und Pogrome gegen Geflüchtete. Mit Aufforderungen wie zum Schusswaffengebrauch gegen Geflüchtete an der Grenze wird die AfD zum Stichwortgeber für solche Übergriffe.

Wir sind viele. Wir heißen Geflüchtete willkommen. Wir stehen auf gegen den Rassismus von Pegida, AfD, NPD & Co. Wir erheben unsere Stimmen, um in die gesellschaftlichen Debatten einzugreifen, gegen rechten Populismus.

Wir wenden uns gegen Obergrenzen und Grenzschließungen, die Wasser auf den Mühlen der Rassistinnen und Rassisten wären. Wir stehen für eine offene und gerechte Gesellschaft. Wir lassen nicht zu, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden. Wir wollen Solidarität, Zusammenhalt und ein besseres Leben für alle!

 

Unsere Alternative ist Solidarität

Wir werden weiterhin Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen. Asyl ist Menschenrecht.

Wir wollen verhindern, dass Rassistinnen und Rassisten Raum für ihre Hetze bekommen.

Wir werden uns stark machen für gleiche politische und soziale Rechte für alle Menschen.

Wir werden uns der AfD überall entgegenstellen, ob auf der Straße oder in den Parlamenten.

Überall wo die Rassistinnen und Rassisten von AfD und Co. demonstrieren, sprechen oder auf Stimmenfang gehen, werden wir präsent sein und klar und deutlich sagen: Wir stehen auf gegen Rassismus! Keine Stimme für rechte Hetze!

 

Dem Verbreiten von Hass setzen wir eine bundesweite antirassistische Aufklärungskampagne entgegen: im Stadtteil, in der Schule, an der Uni, im Betrieb, im Theater, im Konzertsaal – überall!

Wir setzen auf die Aktivität von Vielen. Gemeinsam werden wir klarstellen: Rassismus ist keine Alternative!

 

Zauberlehrlinge: Aus dem Katastrophengebiet zwischen Links und Rechts

9. März 2016

Es sollte eigentlich nicht schwer sein, zwischen »Rechten« und »Linken« unterscheiden zu können. Ziele und Wertvorstellungen beider politischer Lager sind nicht nur grundverschieden, sondern gegensätzlich. Totalitarismus- und Extremismustheoretiker sehen das bekanntlich anders. Ihr Hauptziel besteht darin, Weltanschauung und politische Praxis der Linken mit den Verbrechen des Nazismus zu verbinden und damit generell in den Ruch des Verbrechens zu bringen. »Querfront« ist nun die Zwillingsschwester dieser Doktrin. Sie ist der Versuch, Rechts und Links tatsächlich in eine Arbeitsbeziehung zu bringen oder gar zusammenzuführen. Querfront soll demnach nicht nur möglich, sondern auch noch gut sein.

Mit demselben Begriff werden allerdings zwei verschiedene Phänomene bezeichnet, die zwar häufig gleichzeitig auftreten, letztlich aber gegeneinander gerichtet sind. Seit dem Ersten Weltkrieg lassen sich für Deutschland mindestens ein Dutzend Situationen benennen, in denen in der Regel gleichzeitig Versuche gegenseitiger Kontaktaufnahme, Beeinflussung, Übernahme und Infiltration rechter und linker Politik stattgefunden haben. Idealtypisch lassen sie sich wie folgt beschreiben:

a) Teile der rechten Bewegung integrieren in besonderem Maße Begriffe der politischen Linken und versuchen zugunsten einer gemeinsamen Feindorientierung gegen »den Westen« mit der Linken Kontakte und Beziehungen einzugehen.

b) Phasenweise versuchen Teile der linken Bewegung die Anhängerschaft der rechten Massenbewegung zu erreichen, zu beeinflussen und zur eigenen Bewegung herüber zu ziehen. Dabei werden Begriffe der Rechten wie »nationale Befreiung« usw. aufgenommen. Man stellt sich als eigentlichen Sachwalter der Nation dar.

Da immer schon Russland im Zentrum des Interesses beider Strömungen gestanden hat, ist es auch nicht verwunderlich, dass die sowjetische und erst recht die russische Außenpolitik ein waches Auge auf sie hatte und sie seit einigen Jahren auch aktiv fördert und nutzt.

Verkompliziert wird das Wechselspiel dadurch, dass einzelne Akteure von der einen auf die andere Seite gewechselt sind. Die Bewegungsrichtung von Links nach Rechts ist die häufigere. Das historisch erste Beispiel dafür – Benito Mussolini – war auch gleich das politisch gravierendste.

Historische Beispiele
Die Ursprünge der rechten Infiltrationsversuche finden sich direkt im Herrschaftsapparat des deutschen Kaiserreichs, nämlich der Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung. Dort wirkte während des Ersten Weltkrieges der Publizist Arthur -Moeller van den Bruck, nach 1918 zentrale Figur des deutschen antidemokratischen Konservatismus, der sogenannten »Konservativen Revolution«. Sein früher Tod 1925 verhinderte seine direkte Kompromittierung durch das NS-Regime, das aber immerhin seine Vokabel »Das Dritte Reich«, Titel seines Hauptwerkes, in sein Repertoire aufnahm. Moeller glaubte an die »russische Seele« und feierte ihre Brutalität, Autoritätshörigkeit und ihre antiwestlichen Reflexe und ließ sich auch von der Sowjetisierung nicht davon abbringen. Gerade in dieser wollte er einen spezifisch »russischen Sozialismus« sehen, einen Bruder und Kampfgefährten des von ihm angestrebten preußischen oder »deutschen Sozialismus«. Den ideologischen und geopolitischen Hauptfeind des von ihm vertretenen deutschen Imperialismus sah Moeller im »Westen«, damals Großbritannien und Frankreich. (Siehe auch antifa 1/15: »Alte Assoziationen. Warum Teile der deutschen Rechten gerade pro-russisch sind«)

Moellers Avancen blieben nicht unerhört und fanden1923 in einem öffentlichen Diskurs zwischen Moeller und Karl Radek ihre ideologiegeschichtlich sozusagen idealtypische Ausprägung. Der kommunistische Politiker Radek (1939 im Gulag umgekommen) war 1923 Vertreter der Komintern für Deutschland. Im Juni hielt er eine vielbeachtete Rede »Leo Schlageter, der Wanderer ins Nichts«, die auch in der rechten Presse Deutschlands veröffentlicht wurde. Sie richtete sich ausgehend vom Schicksal des von den Franzosen hingerichteten Freikorpsmanns Leo Schlageter, direkt an die deutschen Rechtsradikalen, insbesondere die Freikorpskämpfer. Er suchte, diese für die proletarische Revolution zu gewinnen, indem er sie als »mutige Soldaten der Konterrevolution« ansprach, die es verdienten »männlich-ehrlich gewürdigt« zu werden.

Was heute an Radeks Rede verwundert und erschüttert, ist das offene Buhlen um den bewaffneten und terroristischen Arm der deutschen Rechten, dem zu diesem Zeitpunkt immerhin bereits die beiden Gründer der KPD zum Opfer gefallen waren.

Radek bagatellisierte die Schuld und das Interesse des Deutschen Reiches am Ersten Weltkrieg. Ausgerechnet General Ludendorff, de facto Militärdiktator während des Krieges, stellte er als Söldling des Westens dar. Schieber und Spekulanten und das Ententekapital werden als Feinde benannt. Die »patriotischen Kreise Deutschlands« mögen sich entscheiden, ob sie »die Sache der Mehrheit der Nation« zu der ihrigen machen wollen, um eine Front gegen das »ententistische« und – hier sollte für Moeller das Problem bestehen – auch gegen das deutsche Kapital zu bilden.

Moeller antwortete in Zeitungsartikeln, die wiederum auch in einer KPD-Broschüre abgedruckt wurden, ablehnend und beide wandten sich ernüchtert voneinander ab. Der Grundkonflikt wurde deutlich und hat sich seitdem vielfach wiederholt. Es besteht ein auch durch viele Worte nicht aufhebbarer Grundkonflikt der Wertehierarchien. Ist für Moeller die Nation das höchste Gut und die Klasse ihm untergeordnet, ist es bei Radek genau andersherum.

Mit der Erörterung zahlreicher weiterer Beispiele – in diesem Zusammenhang insbesondere bedeutsam die Versuche sogenannter »nationalrevolutionärer« Neofaschisten, auf die Friedens- und Umweltbewegung der 1980er Jahre in der alten Bundesrepublik einzuwirken – könnte man lange fortfahren. Man käme allerdings immer wieder zu denselben beiden Ergebnissen. Jedes Mal endete das Projekt in einem Desaster für die Linke, was diese ebenso zuverlässig nicht daran hinderte, es einige Zeit später erneut zu versuchen.

Aktuelle Anknüpfungspunkte
In der Gegenwart ist es das Thema »Frieden« in Kombination mit »Russland-Solidarität« und »Souveränität für Deutschland«, mit dem sowohl offene Neonazis wie die NPD als auch rechtspopulistische Straßenbewegungen, als eben auch die sogenannten »Mahnwachen für den Frieden« zu punkten versuchen. Im Fokus der rechten Infiltrationsversuche steht die Friedensbewegung oder genauer gesagt – seien wir ehrlich – die ausgezehrten Reste der traditionellen Friedensbewegung.

Um diese »Mahnwachen« bzw. dieselben Akteure und Strömungen, die nach dem Scheitern ihres ersten Anlaufes gerade versuchen, in die Kampagnen gegen »Drohnen« einzudringen, tobte bekanntlich ein harter Kampf. In diesem hat sich die VVN-BdA von Anfang an eindeutig gegen jede Einflussnahme nationalistisch-rechtsgestrickter Akteure gewehrt. als auch die Bereitschaft diverser Politiker des linken Spektrums, mit eben diesen Akteuren zusammen zu arbeiten, kritisiert.

Hier tritt wiederum ein erheblicher Wertekonflikt zutage. Mancher ist bereit, zugunsten der Losung »der Feind meines Feindes ist mein Freund« grundlegende Anliegen des Antifaschismus – die Achtung der Menschenrechte und die Niederringung faschistischer Ideologie und Politik – hintan zu stellen. Die VVN-BdA ist dazu nicht bereit.

Es ist nun an der Zeit, einige der Rechts-Links-Annäherungsversuche nüchtern zu betrachten. Im Vordergrund zahlloser Berichte und Kritiken standen bislang informelle Netzwerke aus Autoren, Online-Medien und Aktivisten. Tatsächlich bilden aber auch zwei traditionelle Organisationen wichtige Knotenpunkte, nämlich die »Freidenker« und die eng mit ihnen verbundene »Arbeiterfotografie«.

Organisationen und Strukturen
Der Verband der »Freidenker«, insbesondere dessen Bundesverband, ist einer der vehementesten Vertreter einer Zusammenarbeit mit Mahnwachen und ähnlichen Akteuren. Eigentlich ein Verband der Konfessionslosen und linken Kirchenkritiker, verhält er sich unter der Führung seines Vorsitzenden Klaus Hartmann seit einigen Jahren eher wie eine Art Partei mit allgemeinpolitischem Anspruch. Wenn es um Antifaschismus geht, vertritt der Verband dieselbe dogmatische Verengung, wie sie anhand des Duos Witt-Stahl/Sommer beschrieben wurde (siehe antifa-Ausgabe 5/15: »Ein Stahlgewitter«). Aus zahlreichen Orten wird berichtet, dass Freidenker-Aktivisten die VVN-BdA systematisch abwerten, was sich mit schriftlichen Äußerungen aus ihren Reihen deckt.

Das Verbandsmagazin »Freidenker« lässt nun anhand der Ausgabe 1/15, die unter dem Titel »70 Jahre Befreiung von Faschismus und Krieg« steht, eine Zusammenschau zu. Bereits der Umschlag macht deutlich, dass es dem Verband wichtig ist, als antifaschistisch zu gelten. Die Vorderseite ziert das Wolgograder Denkmal zum sowjetischen Sieg in Stalingrad und die Rückseite das Fritz-Cremer-Denkmal in Buchenwald, ergänzt mit den häufig zitierten Auszügen aus dem Schwur von Buchenwald. Der notwendige Hinweis, dass es eben nur Auszüge sind, fehlt allerdings, was angesichts des Heftinhaltes keine sprachliche Lappalie ist. Würde man den ganzen Text heranziehen und nicht nur die Sätze aus denen man Bestätigung für das eigene Anliegen zu finden meint, würde man bemerken, dass der Schwur sich ausdrücklich bei den »verbündeten Armeen« bedankt. Als einziger namentlich genannter Politiker wird US-Präsident Roosevelt herausgehoben als »des grossen Freundes der Antifaschisten aller Länder, eines Organisatoren und Initiatoren des Kampfes um eine neue demokratische, friedliche Welt.«

Der Aufmacher »Verständigung statt Konfrontation«, gibt eine Einschätzung der gegenwärtigen globalen Lage und leitet eine politische Strategie ab. Demnach besteht ein »neuer Systemkonflikt« zwischen den »USA und anderen imperialistischen Zentren« einerseits und Ländern, die einen »neuen Typ von relativ fortschrittlichem ›Staatskapitalismus‹ verkörpern« andererseits. Dazu wird insbesondere das Russland Putins gezählt, aber auch jeder Staat, der sich »der imperialistischen Aggression« erwehrt.

Die USA würden im Gegensatz zu Russland von einer »parasitären Schicht der Finanzoligarchie« beherrscht, eine Begrifflichkeit die gleich fünfmal auftaucht. Abgesehen davon, dass die Autoren das russische Oligarchentum ignorieren, ist hier das Bemerkenswerte die Unterscheidung zwischen »gutem« und »schlechtem« Kapital. Auf der Seite des guten Kapitals sollen dem Text zufolge die »Kräfte der nationalen Selbstbehauptung« stehen, die die »Lebensinteressen der Völker« verteidigen. Für Deutschland wird die Wiedergewinnung der »Volkssouveränität« gefordert in Kontrast zur NATO, die aus Deutschland »raus« solle.

Zur Frage der NPD, der wichtigsten neofaschistischen Organisation Deutschlands, wird nur behauptet, dass diese »geheimdienstlich« gesteuert sei. Wichtig ist den Autoren die Entschuldung der »Massen« bezüglich ihrer Beteiligung am historischen Faschismus. Für die Gegenwart fordern die Autoren, die sich ansonsten für klare »Freund-Feind-Unterscheidungen« stark machen, dass man sich mit »Rechtspopulisten« »politisch auseinandersetzen« solle.

Zusammengefasst ergibt dies eine Weltsicht, die in frappierendem Kontrast zum Anliegen eines antifaschistischen Verbandes steht. Es wird die klare Möglichkeit zum Andocken von Anhängern mit weit rechts stehenden Ansichten eröffnet.

Eine bemerkenswerte Affinität entwickeln diverse Freidenker-Autoren, die häufig gegen einen deutschen »Polizeistaat« polemisieren, in Schrift, Wort und Tat zur Zeit insbesondere und ausgerechnet gegenüber dem Assad-Regime. »Syrien – Der gefährliche Mythos einer ›friedlichen Revolution‹« titelt ein Beitrag ihrer Homepage und entschuldet in Verdrehung der Tatsachen das jahrzehntealte Diktatoren-Regime von seiner wesentlichen Verantwortung für den syrischen Bürgerkrieg.

Wenn sich Freidenker etwas mehr mit der Realität des deutschen Neofaschismus beschäftigen würden, hätte ihnen auffallen können, dass sich das Assad-Regime größter Sympathien bei NPD und anderer Neofaschisten erfreut. Erst kürzlich kehrte z.B. der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt von einer Reise nach Damaskus zurück, zu der er eine offizielle Einladung der syrischen Regierung erhalten hatte und die er mit ganz ähnlichen Argumenten unterstützt, wie die linken Assad-Freunde.

Das verbandspolitische Ergebnis ist für die Freidenker einerseits eine starke Einengung ihres Bündnisspektrums, andererseits aber auch ein Zuwachs an besonders aktiven Mitstreitern, die an der Verschärfung des eingeschlagenen Kurses erheblich mitwirken. Verloren gegangen ist dabei die Fähigkeit, offenkundig irrationale und wahnhafte Personen abzuwehren.

Zu nennen ist insbesondere der 2008 aus Island zugewanderte Elias Davidsson, der auf die Leugnung des Islamismus im Allgemeinen und des Terroranschlags vom 11. September im Besonderen spezialisiert ist. Das tat er nicht nur im Rahmen der Freidenker, sondern beispielsweise auch bei der Burschenschaft Normannia-Nibelungen und zwar auf demselben Podium wie das Mitglied der ehemaligen Wehrsportguppe Hoffmann und verurteilte Neonazi-Terrorist Odfried Hepp, Anfang der 1980er verantwortlich für Bombenanschläge auf US-Soldaten.

Gleichfalls umtriebig zeigte sich der Freidenker-Aktivist Hartmut Barth-Engelbart. Dieser verbreitet z.B. die Meinung, die Amerikaner hätten den »antifaschistischen Widerstand« in Deutschlands Innenstädten bombardiert, um das deutsche Kapital zu retten. Gleichzeitig kann er nicht »Israel« schreiben, ohne drei negative Adjektive hinzuzufügen.

Übernahme der »Arbeiterfotografie«
Weiter noch als die »Freidenker« ist ein anderer aus dem kulturellen Milieu der Arbeiterbewegung stammender Verband gegangen, nämlich der »Bundesverband Arbeiterfotografie« mit Sitz in Köln. Organisatorisch geschwächt, ist es leider dazu gekommen, dass die Kontrolle über Homepage, Zeitschrift und den guten Namen des Verbandes von den Kölnern Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann usurpiert werden konnte.

Im Ergebnis sahen sich u.a. Mitglieder der VVN-BdA, die dem Verein angehörten gezwungen, diesen zu verlassen und 2011 mit »r-mediabase« ein neues fortschrittliches Foto-Portal zu gründen. (siehe: http://www.r-mediabase.eu) Auch das Ehrenmitglied Gabriele Senft, eine der bekanntesten Fotografinnen der linken Szene, hat sich in einem offenen Brief vom 21.6.14 ausdrücklich von der Arbeiterfotografie distanziert. Sie schrieb: »Die Forderungen der sogenannten ›neuen Friedensbewegung‹ um Jürgen Elsässer, Ken Jebsen und Lars Mährholz, sowie auch die seit längerem von der ›NRhZ‹ zur Verfügung gestellte Möglichkeit für Elsässer, seine rechtspopulistischen Gedanken zu äußern und die Bestrebungen, rechts und links zu verwischen und nun sogar die NPD zu neuen ›Friedensengeln‹ umzudeuten, das hat mir gezeigt, dass es überfällig ist, ohne Rücksicht auf persönliche Gefühle, klare Position zu beziehen.«

Fikentscher und Neumann pflegen ein manichäisches Weltbild, in dem die USA als das allumfassend Böse dastehen. Diesem Dogma wird alles andere untergeordnet, was dazu führt, dass sie sich an die Seite des früheren iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, Libyens damaligen Diktator Gaddafi, Syriens Diktator Baschar al-Assads, aber auch des der FPÖ-Chefs Jörg Haider stellten. Dessen Unfalltod erklärten sie auf hanebüchene Weise mit einer Geheimdienstverschwörung. Überhaupt ist der Begriff der »Verschwörung« bei beiden allgegenwärtig. Mit seiner Hilfe beugen sie jedes Ereignis so zurecht, dass es ihr Weltbild stabilisiert. Sie schrecken auch nicht davor zurück, sich diesbezüglich positiv auf den beunruhigend erfolgreichen Kopp-Verlag mit seinem Wust an rechtsextremen und wahnhaften Produkten zu beziehen. Wenn es nach der Arbeiterfotografie geht, sind die USA sogar für das Erdbeben von Fukushima verantwortlich, das sie mit Hilfe einer geheimnisvollen Erdbebenwaffe erzeugt hätten.

Geht es um extreme Rechte, wiegeln beide ab. Proteste gegen die rechtsradikalen Hooligan-Schläger von »Hogesa« lehnten sie ab. Wichtigstes Sprachrohr der beiden ist die Internetplattform »Neue Rheinische Zeitung«, deren Kontrolle sie ebenfalls übernommen haben. Daneben veröffentlichen beide u.a. zusammen mit Klaus Hartmann das Periodikum »Das Krokodil«, das man als Plattform für Ideologie rechter wie linker Provenienz bezeichnen muss. Hier ergriffen Finketscher/Neumann beispielsweise Partei für das rechtsextreme Demo-Projekt »EnDgAme«.

Zum Offenbarungseid geriet im April 2012 die Reise einer deutschen Delegation in den Iran mit Empfang bei Ahmadinedschad. Ihr gehörten sowohl vorgebliche Linke wie Davidsson, Finketscher und Neumann als auch der frühere Linke und heutige Rechtsextremist Jürgen Elsässer und der rechtsextreme Filmemacher Karl Höffkes an.

Die Vereinfachungs-Industrie
Typisch für die Szene sind »politische Unternehmer« wie Jürgen Elsässer. Ohne tragende Bewegung und demokratische Kontrolle werfen Einzelne neue Projekte auf den Markt, häufig auch mit deutlich erkennbaren persönlichen ökonomischen Interessen. Das selbstreferentielle Netzwerk aus Onlineformaten, Zeitschriften, Initiativen wie Pegida und den Montagsmahnwachen und immer wieder denselben Autorinnen und Autoren, das verbissen am rechten Volksaufstand arbeitet, ist umfangreich und erfolgreich.

Bei weitem bedeutsamer als das »Krokodil« ist das publizistische Flaggschiff der Querfrontaktivisten, nämlich das von Elsässer herausgegebene Monatsmagazin »Compact«. Sehr präsent an den Kiosken, hat es seit seiner Gründung 2010 bereits auf eine Auflage von mittlerweile ca. 30.000 Exemplaren geschafft, begleitet von jährlichen Kongressen und anderen Veranstaltungen, sowie einem eigenen Internet-»Fernsehen«.

Compact arbeitet auf seinen Kongressen offen mit dem Institut »IDC« (Institut de la Democratie et de la Cooperation«) mit Sitz in Paris zusammen. Trotz seines Namens handelt es sich dabei um eine Vorfeldorganisation des russischen Staates. Diese Zusammenarbeit erklärt vielleicht auch die Stabilität des Projektes Compact, das ohne kommerzielle Werbung erscheint. Immerhin weist das Magazin laut seiner einsehbaren Steuerunterlagen eine unerklärte Finanzierungslücke von jährlich 100.000 Euro auf.

Ganz wichtig ist für Compact, dass als honorig geltende Personen es nicht lassen können, dabei zu helfen, die rechtsradikale Agenda durch ihre Auftritte zu verschleiern. Dazu zählen insbesondere Willy Wimmer (CDU) und auch der mittlerweile verstorbene Egon Bahr (SPD), der sich in dieser Umgebung auch noch als ausgesprochen »national« outete.

Elsässers Biografie ist verbunden mit wesentlichen Medien und Bewegungen der deutschen Linken (u.a. »Kommunistischer Bund«, die Zeitschrift »Konkret« und die Tageszeitungen »junge welt« und »Neues Deutschland«). Er ist also nicht nur ein gelernter Linker, sondern einer derjenigen, die deren Diskurs nicht unwesentlich mitbestimmt haben. Elsässer ist so etwas wie ein Menetekel dafür, wohin es kommen kann, wenn sich organisatorisches Geschick, überzogenes Geltungsbedürfnis und moralische Skrupellosigkeit mit einem fetischistischen Kritikverhalten verbinden.

Dass berechtigte Kritik am Bestehenden in etwas umschlagen kann, was wiederum selbst ein Problem ist, musste Wolfgang Lieb, der Mitherausgeber der bekannten Internetplattform »Nachdenkseiten« erleben. Dieser sah sich gezwungen, sich am 23.10.15 von seinem eigenen Projekt zu distanzieren, weil es selbst zu einem Meinungsmacheprodukt und zwar mit Schlagseite nach rechts geworden ist. Lieb hält es für falsch, das »Freund-Feind-Schema« der deutschen Medien mit »umgekehrten pauschalen und einseitigen Schuldzuweisungen« aufbrechen zu wollen. Er schreibt weiter: »Wenn man das Bemühen um Objektivität und Unabhängigkeit vernachlässigt, gerät man leicht selbst in ein zweifelhaftes publizistisches Umfeld. Die Antwort auf eine Form der Meinungsmache kann meines Erachtens nicht eine andere Form von Meinungsmache sein.«

Grundlage für das Denken der linken und rechten Vereinfacher ist die Fiktion, dass es einen unkompromittierten Satz »alternativen Wissens« geben müsse, der als reine Wahrheit der »Lügenpresse« entgegenzustellen sei. Statt kritischer Nachfrage und Quellenkritik wird unkritisches Nachbeten von Vorurteilen, Mythen, Ressentiments und Feindbildern eingeübt. Die werden jedoch nicht dadurch fortschrittlich, dass sie sich gegen die vorherrschende Meinung richten.

PEGIDA-Rassisten entlarven

geschrieben von Axel Holz

30. Dezember 2015

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Seit über einem Jahr treffen sich im Dresden wöchentlich Tausende Menschen zu einer rassistischen Demonstration, die die Initiatoren Spaziergang nennen.
Zu mehr Zivilcourage hat Justizminister Heiko Maas die Bevölkerung aufgefordert, um rassistischen Tendenzen in der Bevölkerung entgegenzutreten, die sich immer unverhohlener auf den Straßen unseres Landes öffentlich entladen und verharmlosend als Sorgen und Nöte „der Bürger“ daherkommen. Interessant ist, dass die Initiatoren und Teilnehmer von „den“ Bürgern sprechen, obwohl sich bundesweit Hunderttausende für Flüchtlinge einsetzen, bei der Flüchtlingsversorgung und – Betreuung helfen oder mit Spenden unterstützen. Der Impetus der PEGIDA-Bewegung in Dresden und, abgespeckt, in vielen Städten des Landes ist typisch für rechtspopulistische Bewegungen: im Namen angeblich aller Bürger, gegen die „etablierte“ Politik, gegen die die „Lügen-Presse“, gegen Flüchtlinge und für nationale Interessen, die auffällig völkisch daherkommen und gegen das demokratische System schlechthin antreten. Nicht zufällig hat in der aufgestauten Atmosphäre der PEGIDA-Demos der Hass gegen Migranten und Flüchtlinge zugenommen, der als verankertes Vorurteil bereits seit Langem in breiten Teilen der Bevölkerung von der Friedrich-Ebert-Stiftung festgestellt wurde.
Trotz Spaltung der Bewegung um den umstrittenen ehemaligen Dogendealer und Wurstverkäufer Lutz Bachmann nach dessen Hitler-Bild-Posting und dem Austritt der Vorzeigefrau Kathrin Oertel aus dem Organisationsteam von PEGIDA hat sich die rechtspopulistische Bewegung mit der Flüchtlingskrise stabilisiert und zum außerparlamentarischen Arm der AfD entwickelt. Zwischen der rechtspopulistischen Partei und der PEGIDA-Bewegung gibt es neben dem rassistischen Grundkonsens schon lange direkte Kontakte und Verweise aufeinander. Nicht zufällig wirken die Vertreter der neuen Rechten in beiden politischen Erscheinungen mit. Denn was mit PEGIDA in vielen Städten organisiert wird und sich in Dresden als Massenbewegung etabliert hat, hatten sich die Vertreter der neuen Rechten in ihren Think Tanks nicht nur gewünscht, sondern auch vorbereitet. So ist es kein Zufall, dass der Mitbegründer des „Instituts für Staatspolitik“, Götz Kubitschek, schon lange bei der Dresdner PEGIDA mitmischt. Er ist seit Jahren einer der Köpfe dieses Zirkels Rechtsintellektueller. Von seinem Rittergut in Schnellroda in Sachsen-Anhalt, dem Sitz des neurechten Instituts, gibt er die ultrarechte Zeitung „Sezession“ heraus. In trauter Runde finden sich im Institut die Spitzen der neuen Rechten wieder, wie Junge-Freiheit-Herausgeber Dieter Stein oder der Burschenschaftler Felix Menzel. Neu an dieser Rechten ist, dass sie mit ihrem Konzept eine Blaupause für rechtspopulistische Bewegungen erstellt hat, die in Europa schon Wirklichkeit ist und nun auch in Deutschland Fuß fasst. Entgegen dem Selbstverständnis der neofaschistischen NPD verzichten die neuen Rechten auf öffentliche NS-Nostalgie, lehnen mit ihr aber umso deutlicher Pluralität, Feminismus und Multikulturarität in der Gesellschaft ab. Das, was sich die Köpfe der neuen Rechten lange vorher ausgedacht haben, wird nun auf die Straße getragen und soll der Beginn einer neuen rechten „Volksbewegung“ werden. Teil des Konzeptes ist, dass dem massenhaften Protest auch bald öffentlicher Widerstand gegen „das System“ folgen soll. Spätestens da sollten Verfassungsschützer aufhorchen, die sich aber offensichtlich lieber damit beschäftigen, wie ihre Rolle in der NSU-Affäre weiter möglichst im Dunkeln bleibt. Kubitchek sieht im Widerstand eine Pflicht und fordert zum Bau von Grenzzäunen und zum Blockieren von Grenzübergängen auf, wie dies am 8. November kurz vor dem Tag des deutschen Mauerfalls im Bayrischen Schirnding geschehen ist. Mit einer Menschenkette von wenigen hundert Teilnehmern gegen die Aufnahme von Flüchtlingen legten die Organisatoren nach. Der Herausgeber des rechten Magazins „Compact“, Jürgen Elsässer, warnte vor einer angeblich tödlichen Gefahr durch „Kulturbereicherer mit Hormonstau“. Grenzblockierer im sächsischen Sebnitz und Blockierer eines Flüchtlingsheims im Chemnitzer Stadtteil Einsiedel nannte er vorbildlich. Mit im Team ist auch Björn Höcke, der Thüringer Chef der AfD, der in Erfurt regelmäßig gegen Flüchtlinge und Politiker hetzt. Die Frucht der rassistischen Vorurteilsbildung der letzten Jahrzehnte, die die neue Rechte aktiv begleitet hat, scheint aufzugehen. Deshalb kommt der Aufruf von Justizminister Mass zu mehr antirassistischer Zivilcourage der Deutschen spät, aber nicht zu spät.

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