Stiftung im Panikmodus

geschrieben von hma-Meldung

24. Mai 2020

, ,

Hektische Betriebsamkeit bei der AfD-nahen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“. Die Mitglieder der Stiftung sollen in diesen Wochen darüber abstimmen, ob Erik Lehnert, Vorstandsmitglied der Stiftung, von seinem Posten abberufen wird. Lehnert ist Geschäftsführer des neurechten „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda, und dieses wurde unlängst vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft. Es drohe ein Verlust von Fördergeldern und des Vertrauens von Unterstützern, heißt es aus der Führung der Stiftung. Darüber hinaus drohe die Abererkennung der Gemeinnützigkeit der Stiftung, sollte diese als ausdrücklich extremistisch im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden. Es geht um viel Geld bei der Stiftung. Bei einem abermaligen Einzug der AfD in den Bundestag im Jahr 2022 wären dies rund 6,5 Millionen Euro und ein Jahr später dann schon 13 Millionen Euro. Der Einfluss des neurechten Instituts aus Schnellroda auf Teile der AfD ist nicht zu unterschätzen. Aus dem Umfeld des früheren „Flügels“ in der AfD ist zu vernehmen, dass man sich dafür stark machen wolle, der Stiftung den Status als parteinahe Stiftung abzuerkennen, sollte Lehnert abberufen werden. Etwas über 60 % der Delegierten hatten sich auf dem AfD-Parteitag im Jahr 2018 für diesen Status ausgesprochen.

Oberbürgermeister von Wolgograd bedankt sich bei den Unterzeichner*innen der Anzeige „Zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus: Wir sagen danke!“

geschrieben von Friedensforum Bremen

17. Mai 2020

Bremen/Berlin. „Zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus: Wir sagen danke!“ unter diesem Titel haben über 50 Politiker*innen, darunter drei ehemalige Ministerpräsidenten (Hans Modrow, Oskar Lafontaine, Matthias Platzeck), Bundestagsabgeordnete, internationale, nationale und regionale Friedensnetzwerke und -organisationen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen eine Anzeige in zwei Zeitungen Wolgograds (früher Stalingrad) veröffentlicht. Aus Bremen haben der Verein „Deutsch-Russische Friedenstage e.V.“ und Ekkehard Lentz, Sprecher des Bremer Friedensforums, unterzeichnet.

Inzwischen erreichte die Initiator*innen Christiane Reymann und Wolfgang Gehrcke ein Brief des Oberbürgermeisters von Wolgograd, Vitaly Likhachev, der sich für den Dank aus Deutschland bedankt. Serjey Lapschinov aus Wolgograd rief die Initiatoren bereits kurz nach der Veröffentlichung an und teilte mit, O-Ton: „Die Anzeige ist richtig gut angekommen“.

In der Anzeige, die in der „Gorodskiye Vesti“ und „Volgogradskaya Pravda“ veröffentlicht wurde, heißt es: „Der Raub- und Vernichtungskrieg war von Deutschland ausgegangen; dass danach so viele Menschen in der Sowjetunion, in Russland bereit waren und sind, Deutschen Vertrauen entgegenzubringen und gute Beziehungen aufzubauen, berührt uns tief.“ Doch die Nato sehe in Russland „wieder einen Feind, gegen den sie militärisch und propagandistisch aufrüstet. Das ist geschichtsvergessen und gefährlich.“

Gespräch mit Ester Bejerano zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus

11. Mai 2020

,

anlässlich des 75sten Jahrestages der Befreiung vom Faschismus ist das Gespräch mit Esther Bejarano (noch) in der Mediathek des NDR verfügbar. Hier der Link zum nachhören:
https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/talk/Esther-Bejarano-im-Gespraech,sendung1017882.html
————————————————————————————————————-
Hier kann das Gespräch heruntergeladen werden:
https://mediandr-a.akamaihd.net/progressive/2020/0506/AU-20200506-1502-2900.mp3

Gedenken an Befreiung vom Faschismus in Ahlbeck, Wolgast und Karlshagen

geschrieben von VVN-BdA

11. Mai 2020

Bei mehreren Veranstaltungen haben die Linken dem Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus gedacht. Bei den Treffen in Wolgast, Ahlbeck und Karlshagen haben jeweils zwischen 10 und 20 Personen teilgenommen, informierte Simone Dehm, stellvertretende Kreisvorsitzende der Linken. In den Redebeiträgen wurde bekräftigt, wie wichtig das Erinnern an diesen Tag der Befreiung ist und dass so etwas nie wieder geschehen darf. Im Anschluss legten die Anwesenden Gebinde und Blumen an den Mahnmalen nieder.

Gedenken zum 8. Mai in Schwerin- 75 Jahre Befreiung vom Faschismus

11. Mai 2020

ver.di Nord: 8. Mai – Tag der Erinnerung – Gewerkschaften fordern Feiertag

geschrieben von ver.di Nord

7. Mai 2020

,

Anlässlich des Tags der Befreiung vom Nationalsozialismus, erinnert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di Nord) an den 8. Mai 1945 und fordert, diesen Tag zu einem Feiertag zu erklären.

„Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa und es begann die Befreiung Deutschlands vom Schreckensregime der Nationalsozialisten. Es gibt keinen besseren Grund, den 8. Mai zu einem gesetzlichen Feiertag werden zu lassen auch als einen Tag gegen Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung jeglicher Form,“ so Conny Töpfer, stellvertretende Landesbezirksleiterin von ver.di Nord.

„Wenn heute Ewiggestrige, wie AFD-Gauland, Hitler und die Nationalsozialisten als Vogelschiss in 1000 Jahren deutscher Geschichte und den 8.Mai als Tag der absoluten Niederlage und eines Tages des Verlustes bezeichnen, ist das Geschichtsklitterung auf unterstem Niveau. Deshalb ist wichtig, dass wir mit allen demokratischen Kräften in unserem Land klar Position beziehen. Das werden wir auch gerade an diesem 8.Mai 2020 wieder deutlich machen“, erklärt Töpfer.

Die Corona-Pandemie lässt zur Vermeidung von Infektion und Ansteckung leider in diesen Tagen keine großen Gedenkveranstaltungen zu.

„Das soll aber uns als Gewerkschafter*innen nicht daran hindern, an die Opfer zu erinnern und gemeinsam ein deutliches Zeichen gegen Faschismus, Intoleranz und Hass zu setzen. Eine gute Idee ist es, vielleicht während eines Spaziergangs in den kommenden Tagen an den entsprechenden Stellen Steine oder Kerzen niederzulegen“, dazu rufen wir auf, so die Gewerkschafterin weiter.

 Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

Gauland trauert Lebensraum im Osten nach!

geschrieben von VVN-BdA

6. Mai 2020

,

Die VVN-BdA freut sich, dass die Petition „8. Mai zum Feiertag machen! Was 75 Jahre nach Befreiung vom Faschismus getan werden muss!“ in einem knappen Monat 85.000 Unterstützer*innen gewonnen hat und Politiker*innen aus allen demokratischen Parteien die Forderung unterstützen. Nun erwarten wir die schnellstmögliche Umsetzung unserer Forderung, damit ab 2021 der 8. Mai ein bundesweiter Feiertag ist, der Impulse für eine Zukunft setzt, in der die Würde des Menschen im Mittelpunkt gesellschaftlichen Handelns steht.
Wenn Alexander Gauland die zivilisatorische Bedeutung des 8. Mai verleugnet und über verlorenen Lebensraum im Osten räsoniert, zeigt er, wofür die AfD steht: für das Deutschland vor 1945. Damit schließt er an die Jahrzehnte nach 1945 an, als alte Nazis in Politik, Justiz, Schule und Wirtschaft, bei der Gründung von Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr zahlreich und einflussreich vertreten waren.“ erklärt Florian Gutsche, Bundessprecher der VVN-BdA
Gegenüber der erstarkenden Rechten, die sich „das Land und die Geschichte zurückholen“ will, wäre es  ein starkes demokratisches, antifaschistisches Signal, den 8. Mai endlich zu einem bundesweiten Feiertag zu machen.Deshalb wird die VVN-BdA zusammen mit change.org die ersten 85.000 Unterschriften an Vertreter*innen von SPD, Grünen und LINKEN übergeben.

Datum: 7.5.2020 um 16:15 Uhr
Ort: Platz der Republik (Wiese vor dem Reichstag)

anwesend sein werden:
Hans Coppi (Sohn von Widerstandskämpfern, Überlebender und
Ehrenvorsitzender der Berliner VVN-BdA)
Florian Gutsche (Bundessprecher VVN-BdA)
Markus Tervooren (Geschäftsführer Berliner VVN-BdA)
Annika Heintze (change.org)
Petra Pau (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages)
Cansel Kiziltepe (MdB)
Canan Bayram (MdB)

Offener Brief an bayerische Persönlichkeiten

geschrieben von Axel Holz, Cornelia Kerth

4. Mai 2020

,

Frau Ilse Aigner, Präsidentin des Bayerischen Landtags

Dr. Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident

Peter Küspert, Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

Karl Freller, Direktor Stiftung Bayerische Gedenkstätten,

Betreff: „Nie wieder“ – Worte des Gedenkens anlässlich 75 Jahre Befreiung der bayerischen Konzentrationslager

Wir, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), haben Ihre Worte des Bedauerns über die Absage der geplanten Feierlichkeiten anlässlich der Befreiung der Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg mit großer Zustimmung zur Kenntnis genommen. Wir versichern Ihnen, auch unsere Herzen sind schwer.

Ihr Text geht unter der Losung „Nie wieder“ von der gemeinsamen Grundüberzeugung aller antifaschistischen und demokratischen Kräfte der Gesellschaft aus, dass es nicht ausreicht, allein der Opfer und Verfolgten zu gedenken. Die Erinnerung muss verbunden sein mit einem aktiven Einsatz gegen alle Bedrohungen der Demokratie und Freiheitsrechte, wie sie in der NS-Herrschaft in schlimmster Form praktiziert wurden.
Seit ihrer Gründung 1947 setzt sich die VVN-BdA gegen die noch immer weit verbreiteten Denkmuster der Nazi-Ideologie: Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Sexismus, Homophobie und andere Formen von Diskriminierung ein. Viele Jahrzehnte sind Überlebende der Konzentrationslager, Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung aus unserer Organisation an Schulen gegangen, haben mit Jugendlichen geredet und in der Öffentlichkeit immer wieder dafür gestritten, dass die Erinnerung an die Verbrechen der deutschen Faschisten nicht verblassen. Unsere Mitglieder, unter ihnen Ernst Grube, sind dafür mit hohen gesellschaftlichen Auszeichnungen geehrt worden.
Seit ihrer Gründung ist unsere Vereinigung für die Entschädigung der Opfer, die Bestrafung der Täter, das Verbot aller Nazi-Organisationen und die Ächtung ihrer Ideologie eingetreten. Leider sind alle diese Ziele noch immer nicht erfüllte Aufgaben, die für Antifaschist*innen jeder Herkunft selbstverständlich sein sollten.

Statt jedoch das Engagement unserer Organisation und ihrer Mitglieder aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung angemessen zu würdigen, wird unsere bayerische Landesvereinigung nach wie vor vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet und in dessen jährlichen Berichten als „linksextremistisch beeinflusst“ aufgeführt. Wichtige antifaschistische Arbeit gegen Hetze, Diskriminierung und Geschichtsrevisionismus wird damit diskreditiert. Auf Grundlage dieser Berichte wurde der VVN-BdA in Bayern und nun auch der Bundesvereinigung die Anerkennung als „gemeinnützig“ versagt. Bewerber*innen für den Staatsdienst wird die Mitgliedschaft in unserer Vereinigung zum Nachteil ausgelegt, Einbürgerungen werden in Frage gestellt.

Deshalb fordern wir: Schluss mit der Beobachtung der VVN-BdA durch den Verfassungsschutz,  Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben! Setzen Sie ein Zeichen und führen Sie den 8. Mai als arbeitsfreien Feiertag in Bayern ein, damit dieser Tag künftig nicht nur der historischen Erinnerung, sondern auch der aktiven Verteidigung der Demokratie gewidmet ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Holz

Cornelia Kerth

Rechtsgutachten: Gemeinnützige Vereine dürfen politisch agieren

geschrieben von Daniela Turß

4. Mai 2020

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat anlässlich der bevorstehenden Neuregelungen des Gemeinnützigkeitsrechts ein wegweisendes Rechtsgutachten zu den strittigen Fragen der Reformen veröffentlicht. Die politische Betätigung zivilgesellschaftlicher Organisationen ist nach dem geltenden Recht in weiterem Umfang mit der Gemeinnützigkeit vereinbar als vom Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung gegen das globalisierungskritische Organisation Attac angenommen.

Seit dem Attac-Urteil im Januar 2019 müssen viele Vereine um ihren Gemeinnützigkeitsstatus und ihren Fortbestand bangen, wenn sie sich auch politisch betätigen. Betreffen kann das Fußballvereine, die zu einer Demonstration aufrufen, oder auch Kulturzentren wie das DemoZ in Ludwigsburg, das sich gegen Rassismus ausspricht und dem das zuständige Finanzamt deshalb die Gemeinnützigkeit entzog. Auch die Petitionsplattform change.org steht mit der Steuerbehörde in Konflikt. „Für eine lebendige Demokratie ist es essentiell, dass sich vielfältige Akteure kritisch mit den bestehenden Verhältnissen auseinandersetzen und Haltung zeigen“, sagt Pauline Weller, Juristin und Projektkoordinatorin bei der GFF. „Zugleich ist es überlebensnotwendig für die meisten Vereine und Organisationen, als ‚gemeinnützig‘ anerkannt zu sein. Die Rechtsunsicherheit, wie Gemeinnützigkeit und politische Betätigung miteinander zu vereinbaren sind, muss endlich ein Ende haben.“

Gemeinnützige zivilgesellschaftliche Organisationen haben nach der Verfassung ein Recht darauf, neben den Parteien an der politischen Meinungsbildung mitzuwirken. Aber die konkreten Grenzen ihrer politischen Betätigung sind umstritten. Bei diesem Streit geht es auch um die Frage, in welchem Verhältnis zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien zueinanderstehen und welche Grundsätze für ihre jeweilige Finanzierung gelten. Klären will Finanzminister Olaf Scholz dies noch in diesem Jahr durch eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechtes.

Das Gutachten „Politische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften“ verfasste Prof. Dr. Sebastian Unger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum, im Auftrag der GFF. Es untersucht die Grenzen im geltenden Steuerrecht, die zivilgesellschaftliche Organisationen bei politischen Tätigkeiten nicht überschreiten dürfen, sowie die verfassungsrechtlichen Spielräume für eine Neuregelung. Die wichtigsten Ergebnisse sind:

  1. Zwischen parteipolitischer Betätigung und zivilgesellschaftlicher politischer Betätigung bestehen Unterschiede, die eine unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertigen.
  2. Der Gesetzgeber hat bei der steuerlichen Förderung politischen Engagements im Bereich der Zivilgesellschaft größere Spielräume als im Bereich der politischen Parteien.

„Die Verfassung steht einem Ausbau des politischen Bewegungsraums gemeinnütziger Organisationen nicht grundsätzlich entgegen“, betont Prof. Dr. Sebastian Unger, Autor des Gutachtens. Unerwünschten Auswirkungen auf die demokratischen Einflussmöglichkeiten von Bürger*innen kann der Gesetzgeber durch vielfältige Maßnahmen verhindern, etwa durch erhöhte Transparenzauflagen für politisch tätige zivilgesellschaftliche Organisationen, vor allem hinsichtlich Großspenden.

Die GFF ist Teil der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung. Der Zusammenschluss aus über 170 Vereinen und Stiftungen fordert, die Gemeinnützigkeit für Organisationen der Zivilgesellschaft zu sichern, die Beiträge zur politischen Willensbildung leisten.

Am Montag, 4. Mai 2020 hat um 11:00 Uhr ein digitales Pressegespräch zur Bedeutung des Gutachtens für den Reformprozess und für betroffene Vereine stattgefunden.  Gesprächspartner*innen waren:

  • Prof. Dr. Sebastian Unger, Autor des Gutachtens
  • Pauline Weller, Projektkoordinatorin und Juristin bei der GFF
  • Damian Ludewig, Kampagnendirektor bei Campact e.V.
  • Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND e.V.

Link zum Gutachten:

https://freiheitsrechte.org/home/wp-content/uploads/2020/05/GFF-Rechtsgutachten-Gemeinnu%CC%88tzigkeit_Prof-Unger_Mai2020.pdf

Link zur Zusammenfassung:

Rechtsgutachten zeigt große Spielräume für politische Betätigung

Der ewige Faschismus

geschrieben von Axel Holz

3. Mai 2020

, ,

Zum 75. Mal wird in diesen Tagen der Befreiung vom Faschismus gedacht. In Medien und Politik hören wir dieses Wort immer häufiger. Im offiziellen Staatsduktus heißt es aber nach wie vor Nationalsozialismus, ein von den Nazis selbst gewähltes Wort, das falsche Tatsachen unterstellt – denn deren Politik war weder im nationalen Interesse noch sozialistisch. Gern wird die Besonderheit des deutschen Faschismus, sein Eroberungs- und Vernichtungskrieg bemüht und noch öfter der industrielle Massenmord an Millionen von Menschen. Genügt das, um keine Verbindung zu anderen faschistischen Phänomenen dieser Zeit zu finden? Muss dem Gedenken an die Opfer und dem „Nie wieder“ der Politik nicht auch ein Mahnen an die Bedingungen folgen, die Faschismus ermöglicht haben? Wie soll sonst eine Wiederholung der Geschichte verhindert werden? Umberto Eco hat sich mit diesen Rahmenbedingungen für das Entstehen des Faschismus beschäftigt. Er nennt sie über das historische Phänomen hinaus Ur-Faschismus. Vor zwei Jahren erschien hierzu sein Aufsatz „Der ewige Faschismus“, nun auch in deutsche Sprache. Eco versteht darunter die Gesamtheit jener Handlungen, Verhaltensweisen, Haltungen und Instinkte, die zwar die Dynamik des Faschismus im frühen 20. Jahrhundert ausmachten, aber seine historische Ausprägung überlebt haben und heute lebendiger denn je seien. So formuliert es Roberto Saviano im Vorwort zur gleichnamigen Aufsatzsammlung. Eco habe damit recht früh die Warnzeichen erkannt,  die auf das autoritäre Abdriften Europas hindeuteten. Auf das Knappste versuche Eco in seinem Aufsatz auf einen riesigen Fehler zu verweisen, nämlich den Faschismus als ein ausschließlich historisches Phänomen zu betrachten. Der Begriff Faschismus konnte deshalb eine Sammelbezeichnung werden, betont Eco, weil ein faschistisches Regime auch dann erkennbar bleibe, wenn man ein oder mehrere Merkmale abziehe. Es blieben aber einige allgemeine Merkmale bestehen, die für den Faschismus typisch bleiben. Eco zählt nun Faktoren auf, die über den historischen Faschismus hinaus im modernen Faschismus Bestand hätten – in gewisser Weise mit einer Ewigkeitsgarantie. Er sieht darin zunächst den Kult der Überlieferung, also nicht die Tatsache eines Erbes oder einer Quellen-Verbundenheit, sondern eben den Kult darum. Im Nazi-Denken seien dies das traditionalistische, synkretistische und okulte Element gewesen. Heute wird der Kult eher um andere Phänomene betrieben. Der Urfaschismus lehne die Moderne ab und betreibe einen Kult der Aktion um der Aktion willen. Daher auch sein Misstrauen gegenüber der intellektuellen Welt. Dissens ist im Urfaschismus Verrat. Der Faschismus schüre die Angst vor potentiellen Eindringlingen und  sei daher per Definition rassistisch. Der Faschismus entspringe individueller und gesellschaftlicher Frustration. Nichts anderes begegnet uns bei PEGIDA in Dresden seit Jahren. Faschismus ist immer nationalistisch und appelliert an die Fremdenfeindlichkeit, die in der modernen Gesellschaft lauert. Er mystifiziert ein Leben für den Kampf, was eine Kollaboration mit dem Pazifismus per se ausschließe. Er ist also friedensfeindlich. Der Urfaschismus verachte die Schwachen und könne nur ein „völkisches Elitedenken“ predigen. Nicht zufällig sieht die Ebertstiftung seit fast zwanzig Jahren im Sozialdarwinismus einen Ausdruck gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.  Im Faschismus werden die Menschen zum Heldentum erzogen. Der Held, der in der Mythologie die Ausnahme sei, werde im Heroismus des Faschismus zur Norm. Der urfaschistische Held warte regelrecht auf den Heldentod. Der Urfaschist übertrage seinen Willen zur Macht auf das Sexuelle und dies finde im Machismus seinen Ausdruck, der jede andere sexuelle Orientierung diskreditiert. Der Urfaschismus beruhe auf einem selektiven Populismus, worin die Individuen als Individuen keinerlei Rechte hätten, sondern nur das „Volksganze“ als eine Qualität begriffen werden. Im modernen TV- und Internet-Populismus geriere sich eine ausgewählte Gruppe von Bürgern als „Stimme des Volkes“ für dieses „Volksganze“. Die jüngsten rechtsterroristischen Vorfälle sind als praktische Antwort auf den rechten Internet-Populismus zu verstehen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Immer wenn die Legitimität des Parlamentes in Frage gestellt werden, rieche es förmlich nach Faschismus, kommentiert Eco. Schließlich ist auch die Sprache Faschismus entlarvend. Der Faschismus spreche Newspeach, eine Sprache mit verarmtem Vokabular und versimpelter Syntax, um das Instrumentarium für kritisches und komplexes Denken zu begrenzen. Dieser Urfaschismus könne in den unschuldigsten Gewändern daherkommen, schließt Eco. „Es ist unsere Pflicht, ihn zu entlarven und mit dem Finger auf jede seiner neuen Formen zu zeigen – jeden Tag und überall in der Welt.“ Diesem Apell kann man sich nur anschließen.

Ältere Nachrichten · Neuere Nachrichten