Ausstellung „Die Opfer des NSU“

geschrieben von Axel Hol

8. Oktober 2018

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Zehn Menschen wurden von der neonazistischen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) in den Jahren 2000 bis 2007 umgebracht. Erst im November 2011 wurden die Verbrechen des NSU einer breiten Öffentlichkeit bekannt, obwohl  Angehörige der Ermordeten bereits zu einem früheren Zeitpunkt von einer rechtsextremen Mordserie ausgingen. Die Verbrechen sorgten weltweit für Entsetzen. Der Prozess gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und weitere Mitangeklagte vor dem Oberlandesgericht in München hat viele Fragen offen gelassen und die gesellschaftliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes in einem umfassenderen Sinne steht weiterhin aus.

Die Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ beleuchtet neben den Biografien der zehn Mordopfer, den Bombenanschlägen sowie zahlreichen Banküberfällen die Neonaziszenen, aus denen der NSU hervorging. Analysiert werden zudem Gründe, warum die Mordserie so lange unaufgeklärt blieb. Mit den in fünfzehn bekannten Raubüberfällen geraubten 600.000 Euro finanzierte die Terrorgruppe unter anderem die Morde, Bombenanschläge und das Leben im Untergrund. Die Ausstellung beschäftigt sich ausgiebig mit rassistischen Vorurteilen der Mordermittler in allen Mordfällen an den migrantischen Opfern. Aus den NSU-Untersuchungsausschüssen offenbart die Ausstellung wenig Reue und erneute rassistische Äußerungen bei den vernommenen Beamten. Ausgiebig untersuchen die Ausstellungsmacher das Netzwerk des NSU, das im Prozess bis zum Schluss bagatellisiert und klein geredet wurde. Die Terrorgruppe hatte offensichtlich einen großen Helferkreis mit detaillierten regionalen Kenntnissen. Es leistete Hilfe beim Leben im Untergrund, bei der Beschaffung falscher Identitäten, der Ausspähung der Opfer und Tatorte, bei der Realisierung der Verbrechen, emotionale Hilfe durch Besuche der Eltern, durch die Organisation der Urlaube und gemeinsamer Treffen sowie logistische Unterstützung bei Kauf von SIM-Karten, Handys und der Anmietung von PKWs. Eine zentrale Stellung in der Ausstellung hat der später verbotene „Thüringer Heimatschuz“, die Brutstätte des NSU. Sie wurde vom V-Mann des Verfassungsschutzes Tino Brandt geführt, der das staatliche Geld in die Stärkung der Nazi-Strukturen steckte. Viele Fragezeichen wirft das Netz an dutzenden V-Leuten zahlreicher Sicherheitsbehörden auf, das den NSU umgab. Wichtig ist den Ausstellern die Einbettung der scheinbar singulären Terrorfolge in den Kontext der neonazistischen Terrorkonzepte der 90er Jahre. Es ist wahrscheinlich, dass der NSU dem Konzept des „Führerlosen Widerstandes“ folgte, das den Aufbau geheimer Gruppen proagierte, die aus dem Untergrund heraus Terror verbreiten sollten. Der spätere NSU-Terrorist Uwe Mundlos war bereits in den 90er Jahren eng dem internationalen Neonazinetzwerk „Blood & Honour“ verbunden, das Konzerte mit menschenverachtender Musik organisierte.

Großen Raum räumt die Ausstellung den Opfern ein. Es beschreibt das Leben der späteren Opfer in ihren Familien, ihre soziale Anerkennung und Beliebtheit im regionalen Umfeld. Es zeigt aber auch das Leid der Opfer, den Druck falscher Anschuldigen auf die Familien und den Willen vieler Angehöriger der Opfer, die Verbrechen des NSU bedingungslos aufzuklären.

Die Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ wurde in den Jahren 2012 und 2013 von Birgit Mair im Auftrag des Instituts für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) e.V. erstellt und mehr als 160 Mal bundesweit gezeigt. Die Präsentationsorte waren Schulen, Landratsämter, Rathäuser, Landtagsgebäude, Gewerkschaftshäuser, Universitäten, KZ-Gedenkstätten, eine Kirche und eine Moschee sowie ein Polizeipräsidium und mehrere Polizeiakademien. Erst kürzlich zeigte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag Brandenburg die Ausstellung und verband die Eröffnung mit einem Expertengespräch, an dem der Brandenburger NSU-Untersuchungsausschuss beteiligt war. Seit April 2018 liegt die Wanderausstellung in aktualisierter und um zwei Tafeln erweiterter Form vor. Gefördert wird die Ausstellung von der Amadeu-Antonio-Stiftung, dem Kulturreferat der Stadt München, der Stadt Rostock sowie dem Bildungs- und Förderungswerk der GEW im DGB e.V.