Vor 90 Jahren: Die Berliner Reichstagsbrand-Provokation

geschrieben von FIR

3. März 2023

Ein zentrales Ereignis zur Etablierung der faschistischen Herrschaft in Deutschland war die Inszenierung des Reichstagsbrandes in Berlin. Am Abend des 27. Februar 1933 brannte das Gebäude des deutschen Parlaments.
Schon die bekannte Chronologie der Ereignisse macht deutlich, welche Inszenierung und Intention hinter dem Ereignis stand. Kurz nach 21:00 h wurde der Brand im Gebäude gemeldet. Knapp 10 Minuten später erreichte der erste Feuerwehrzug das Gebäude. Bereits fünf Minuten später wurde der Niederländer Marinus van der Lubbe als angeblicher Brandstifter im Reichstagsgebäude verhaftet und Hermann Göring, und wenig später Hitler und Goebbels waren vor Ort. Noch während die Feuerwehr versuchte, den Brand zu löschen, verkündeten Göring und Hitler, dieser Brand sei ein „kommunistisches Fanal“ zum Aufstand und van der Lubbe habe den Brand „im Auftrag der Kommunisten“ gelegt.
Nachdem der Chef der politischen Polizei am Nachmittag des Tages alle Polizeidienststellen angewiesen hatte, wegen angeblich bevorstehender Überfälle anlässlich der Reichstagswahl kommunistische Funktionäre zu verhaften, begannen in der Nacht zum 28. Februar 1933 weitere Massenverhaftungen basierend auf den seit November 1932 aktualisierten Verhaftungslisten. Am folgenden Tag wurde ein Verbot der Presse von KPD und SPD für 14 Tage ausgesprochen.

Dass die Behauptung eines „kommunistischen Fanals“ von Anfang an unglaubwürdig war, erkannten selbst ausländische Berichterstatter, von denen einer schon am Abend des 27. Februar an die „Wiener Allgemeinen Zeitung“ kabelte, es sei unzweifelhaft, dass das Feuer „von Söldnern der Hitlerregierung entfacht worden“ sei. Ungeachtet dessen verabschiedete das Kabinett am 28. Februar eine „Verordnung zum Schutze von Volk und Staat“ („Reichstagsbrandverordnung“), die dann vom Reichspräsidenten erlassen wurde, mit der grundlegende Verfassungsrechte außer Kraft gesetzt wurden. In der Verordnung heißt es: „Es sind … Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig.“
Hitler bezeichnete den Brand als ein „von Gott gegebenes Zeichen“, um die Kommunisten „mit eiserner Faust zu vernichten“. Die Nazis eröffneten einen Terrorfeldzug größten Ausmaßes und verhafteten noch in der Brandnacht rund 12.000 Mitglieder der KPD und der SPD, ferner parteilose Demokraten.
Die FIR-Mitgliedsorganisation „Kinder des Widerstands“ erinnert in einer Erklärung daran, dass sich unter den Verhafteten auch Eltern und Großeltern ihrer Mitglieder befanden. Wir erinnern „an die Provokation vor 90 Jahren, um vor Wiederholungen eines Aufstiegs von Faschisten zu warnen, erneut die Lehren aus jener Zeit zu ziehen und nie die Mahnung des Widerstandes zu vergessen, die Peter Gingold, Widerstandskämpfer und unermüdlicher Mahner uns hinterließ: „1933 wäre verhindert worden, wenn alle Gegner der Nazis ihren Streit untereinander zurückgestellt und gemeinsam gehandelt hätten.“

Das NS-Regime wollte den Reichstagsbrand für ihre Propaganda nutzen, als Georgi Dimitroff, der sich als Vertreter der Kommunistischen Internationale in Deutschland aufhielt, mit weiteren Kommunisten verhaftet und in einem Prozess vor dem Reichsgericht angeklagt wurde. Bevor der Prozess überhaupt startete, hatten Antifaschisten im französischen Exil mit eigenen Ermittlungen über den Brandhergang und der Zusammenstellung weiterer Dokumente im „Braunbuch – Über Reichstagsbrand und Hitlerterror“ bereits die faschistische Propagandalüge entlarvt und die direkte Tatbeteiligung der SA an dieser Brandstiftung nachweisen können. Nicht zuletzt durch das heroische Auftreten von Georgi Dimitroff im Leipziger Prozess scheiterte die Anklage und die vier angeklagten Kommunisten mussten freigesprochen werden.

Ende der 1950er Jahre im Kalten Krieg versuchte ein Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz gemeinsam mit dem Magazin „Spiegel“, in geschichtsrevisionistischer Manier die SA und ihre Hintermänner von der Verantwortung für die Brandstiftung freizusprechen, indem er äußerst windige, aber medial aufbereitete Thesen über die Alleintäterschaft von Marinus van der Lubbe aufstellte. Es ist antifaschistischen Historikern zu verdanken, dass diese Behauptung heute keine Aufmerksamkeit mehr erhält.