Veränderte Arbeitswelt und Rechtpopulismus im Betrieb

geschrieben von Axel Holz

13. Mai 2018

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Zur Bundestagswahl 2018 erzielte die AfD bei Gewerkschaftern mit 15 Prozent eine höhere Zustimmungsrate als in der Gesamtbevölkerung. Im Frühjahr 2018 erschien im VSA-Verlag die Studie „Rechtspopulismus und Gewerkschaften“ von Dieter Sauer, Ursula Stöger, Joachim Bischoff, Richard Detje und Bernhard Müller über betriebliche Zustände als Nährboden für Rechtspopulismus. Für die Untersuchung wurden 19 ExpertInnnengespräche mit hauptamtlichen GewerkschaftsfunktionärInnen aus Niedersachsen, Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen und Bayern geführt. Darüber hinaus fanden in zwei Bildungsstätten der IG Metall 14 freiwillige Gruppengespräche mit insgesamt 95 TeilnehmerInnen statt. Die TeilnehmerInnen kamen aus einem Autowerk, Zuliefererbetrieben, IT-Firmen, Luftfahrtunternehmen und Metallbetrieben, aber auch aus 25 Dienstleistungsbetrieben der Finanzdienstleistungen, Telekommunikation, Logistikbranche, Kliniken und Bereichen des öffentlichen Dienstes.

Neben dem Eindringen der rechtspopulistischen und rechtsextremen Rechten von außen in die Betriebe bemerken die Autoren parallel einen arbeitsweltlichen Nährboden für Geländegewinne der neuen Rechten. Die arbeitsweltliche Zuspitzung äußere sich neben einer Zunahme der Intensität und Reichweite marktgesteuerter Restrukturierungsprozessen nun zunehmend in Digitalisierung und neuen Wertschöpfungsketten, die das Tempo einer arbeitnehmerfeindlichen Reorganisation erhöhten. Der Ordnungs- und Orientierungsrahmen der arbeitsgesellschaftlichen Verhältnisse ist aus den Fugen geraten. Das zeige sich in einer zunehmenden Präkarisierung der Arbeitsverhältnisse, aber auch als Anerkennungsverlust und Würdeverletzung in scheinbar gesicherten Stammbelegschaften. Abstiegssorgen, Kontroll- und Perspektivverluste seien die Folge.

In den Gewerkschaften nehmen deren Mitglieder zunehmend die Machtlosigkeit ihrer Organisation in der Konfrontation mit Sozialabbau, sozialer Spaltung und dem Abbau von Interessen der ArbeitnehrmerInnen war und erleben eine Erosion der gewerkschaftlichen Schutzfunktion. Neben der Schlechterstellung erfahren sie die Abwertung der einst anerkannten Rolle organisierter Lohnarbeit in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Bei den passiven Mitgliedern führe dies zu einer Abwendung von den Gewerkschaften. Die vorgelegte Studie untersucht, ob es im betrieblichen und gewerkschaftlichen Kontext spezifische Gründe für die Verbreitung rechtspopulistischer Orientierungen gibt und macht dabei arbeitsweltliche „Grundströmungen“ aus, ohne die die soziale Verankerung und auch die politische Dynamik des Rechtspopulismus nicht zu erklären seien.

Der Rechtspopulismus biete keine soziale Utopie für den vereinzelten Einzelnen, sondern schöpfe seine Kraft aus einer neuen Kollektividentität. Nicht zufällig belegen Untersuchungen zu diskriminierenden Einstellungsmustern in der Bevölkerung, dass bei rechtsaffinen Gewerkschaftsmitgliedern die „Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur“ und „Wohlstandschauvinismus“ die höchsten Werte aufweisen. Im Wohlstandschauvinismus wird der individuelle und nationale Wohlstand gegen vermeintliche Ansprüche von Schutz- und Asylsuchenden, aber auch gegen ArbeitnehmerInnen aus anderen Nationen verteidigt. Dies befördere einem Standortnationalismus, der zu einer Verstärkung nationalistischer Orientierungen in einem Ordnungsschema von Hierarchisierung und Abwertung führe. Die Entfesselung der Konkurrenz lasse den sozialen Konflikt in einem neodarwinistischen Sinne als Kampf von Volksgruppen und Ethnien erscheinen. Schließlich erzeuge die Globalisierung überwiegend im unteren Drittel der Einkommensbezieher massiv Abstiegsängste bei den Modernisierungsverlierern. Insbesondere in den neuen Bundesländern stellen die Autoren eine besondere Dimension einer subjektiv empfundenen Selbstwertverletzung fest. Hinzu komme, dass sich viele der Befragten von der Politik nicht unterstützt fühlten und Gleichgültigkeit gegenüber ihren Problemen beklagten. Dies wiederspiegele sich in einer sich radikalisierenden Establishment-Kritik.

Als Antwort darauf müsse es darum gehen, die Gewerkschaften wieder als Schutzmacht für alle Schattierungen der Lohnabhängigen zu stärken – für Beschäftigte, Arbeitslose, prekär und qualifiziert Beschäftigte und ebenso für MigrantInnen. Damit müsse ein Gegengewicht hergestellt werden gegen das mit Ressentiments unterlegte Sicherheitsversprechen der Rechten. Gefragt sei mehr Solidarität der Beschäftigten miteinander gegen Stigmatisierung, Abwertung, Rassismus und Ausgrenzung.

Gewerkschaften und Betriebsräte stoßen dabei zunehmend auf Versuche der Rechten, Betriebsräte zu unterwandern und rechte Arbeitnehmervertretungen zu etablieren. Die AfD gilt in den sozialen Medien mit 280.00 Likes als aktivste Partei im deutschen Parteiengefüge. Die Tatsache, dass die rechten Arbeitnehmervereinigungen von Aida über AÖD, AVA bis ALARM nur jeweils 800 bis 10.000 likes verzeichnen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass rechtes Gedankengut in vielen Betrieben bereits verankert ist und trotz der bisher eher schwachen Aktivitäten der rechten Betriebsräte nicht so schnell wieder verschwinden wird.