ver.di-Tagung „Solidarität ist unsere Alternative“

geschrieben von Axel Holz / Ulrich Schneider

14. Dezember 2021

Der Zentrale Arbeitskreis „Offensiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus“ (ZAKO) setzt sich mit rechtsextremen und diskriminierenden Tendenzen in der Gesellschaft auseinander.

Der Arbeitskreis vernetzt sich mit vielen Organisationen und Initiativen. Er beteiligt sich an der aktuellen Extremismus-Debatte und setzt sich gezielt mit dem Thema „Rechtsextremismus und Gewerkschaft“ auseinander. Am 22.und 23. Oktober fand nach einer Corona-Verschiebung vom Vorjahr in der ver.di-Bildungsstätte in Berlin-Wannsee zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Tagung unter dem Motto „Solidarität ist unserer Alternative“ statt. Es ist kein Geheimnis, dass sich unter den Betiebs-und Personalräten auch AfD-Wähler befinden, die AfD sogar rechte Gewerkschaften wie AidA gegründet hat. Seit Jahren ist bekannt, dass nicht nur rassistische und diskriminierende Einstellungen zunehmen, sondern bei Umfragen unter  Gewerkschaftmitgliedern überdurchschnittlich vorkommen. Ver.di hat sich diesem Problem gestellt. Der Soziologe Klaus Dörre eröffnete die Diskussion mit einem Beitrag zu den ökonomischen Ursachen des Nationalismus und zum Aufstieg der Rechten in Deutschland. IG-Metall-Chef Hoffman hatte mit dem Aufruf „Wer hetzt, der fliegt“ klare Kante gegen rassistische Äußerungen in den Gewerkschaften gefordert. Darauf verließen Hunderte die Gewerkschaft. Juliane Krakayali plädierte für Gesprächsangebote, die aber nicht selten bei den Betroffenen auf taube Ohren stießen. Die Auseinandersetzung mit Rassismus müsse bereits auf institutioneller Ebene beginnen und sei eine zentrale Aufgabe der Gewerkschaften in der Migrationsgesellschaft, erläuterte die Mitarbeiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Erfahrungsaustausch zum Alltagsrassismus

Der intensive Austausch zwischen den Teilnehmenden fand in den Arbeitsgruppen am zweiten Konferenztag statt, wo betriebliche Erfahrungen und gewerkschaftliche Reaktionen thematisiert wurden. Unter dem Titel „Betriebliche Praxis gegen Alltagsrassismus und gegen extreme Rechte“ berichteten Kai Venohr von der DGB-Bildungsstätte Hattingen und Romin Khan von ver.di über rechtliche und politische Möglichkeiten, sich rassistischen und neofaschistischen Ansätzen im betrieblichen Alltag zu widersetzen. Venohr plädierte dafür, offensiver die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten (Allgemeines Gleichstellungsgesetz, BVerfG und Betriebsvereinbarungen) zu nutzen. Erschreckend ist, wie die extreme Rechte innerhalb und außerhalb der Betriebe zunehmend Gewerkschafter und die Organisationen selber angreifen. Das betrifft nicht nur das „Zentrum Automobil“, sondern alle Neonazigruppen. Aktuell führt der DGB ein Projekt „Vernetzen/ Aufklären/ Unterstützen“ (VAU) zur Unterstützung antirassistischer Arbeit in den Betrieben durch. Im Panel „Die Abwehr der Anderen – Ideologiekern der extremen Rechten und was das mit mir zu tun hat“ diskutierte Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein Diskriminierungserfahrungen und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und wie sich dies in der betrieblichen Wirklichkeit bis hinein in die Funktionärskörper niederschlägt.

Gewerkschaftpolitische Bildung fokussieren

In der Arbeitsgruppe „Aufgaben für die gewerkschaftspolitische Bildung“ diskutierten der Autor und ver.di-Bildungsverantwortliche Andreas Michelbrink über Ansatzpunkte antifaschistischer und antirassistische Bildungsarbeit. Beispielhaft wurden dabei die über zwanzigjährigen Erfahrungen von ver.di-NRW mit Work-camps in der Gedenkstätte Buchenwald thematisiert. Wichtig sei es auch, die Erfahrungen gewerkschaftlicher Kämpfe, die teilweise erfolgreich zur sozialpolitischen Veränderung in diesem Land beigetragen haben, im gewerkschaftlichen Bewusstsein zu verankern, um Individualisierung und Ausgrenzungen entgegenzuwirken. Zu diesen Erfahrungen gehört auch das Wissen über diejenigen Frauen und Männer, die sich selbst unter den Bedingungen extremer Verfolgung für die Ideale der Gewerkschaft eingesetzt haben, erläuterte VVN-Bundesprecher Ulrich Schneider in seinem Beitrag. Andreas Michelbrink sah die Aufgabe gewerkschaftlicher Bildungsarbeit weniger in der „Erinnerungsarbeit“, sondern als Ermöglichung und Angebot für Debatten über Problemlagen vom Klimawandel bis zur Altersarmut, die an den Interessen heutiger Mitglieder anknüpfen.

Aufgaben in der Migrationsgesellschaft

Den Blick auf die Gewerkschaften selber richtete die Arbeitsgruppe „Aufgaben für die gewerkschaftliche Migrationspolitik“ mit Werner Schmidt. Hier ging es sehr praxisnah und handlungsorientiert um die Frage, welche Möglichkeiten die Gewerkschaften und ihre betrieblichen Funktionäre bei der Integration von Geflüchteten in Betrieben haben, wie dem strukturellen Rassismus zu begegnen sei und wie die Gewerkschaft in ihren eigenen Strukturen erkennbar antirassistische Strategien praktiziert. Zwar wurden in den Diskussionen mehrfach Bezug genommen auf gesellschaftliche antirassistische Netzwerke wie #unteilbar und „Aufstehen gegen Rassismus“. Im Fokus der Überlegungen stand jedoch die gewerkschaftliche Bildungsarbeit, die zur Sensibilisierung und demokratischen politischen Bildung genutzt werden müsse, um Gegenkräfte zu verstärken, wie es in der Abschlussrunde mit ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke präsentiert wurde. Ein emotionaler Höhepunkt der Konferenz war das kulturelle Abendprogramm, das von Mikrofone Mafia und Joram Bejarano sowie der Weltmusik-Gruppe Klangbande aus Berlin gestaltet wurde.