Unsere Wahlprüfsteine: Antworten von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN M-V 2021
25. September 2021
1. Wie bewerten Sie Ihr Engagement zur Stärkung von Demokratie und Toleranz, gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus in der nun zu Ende gehenden Wahlperiode? Welche parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen haben Sie dazu ergriffen?
Das Engagement für die Stärkung von Demokratie und Akzeptanz, gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus gehört zum Kernbestand der Grundwerte von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. In unserem Landtagswahlprogramm gibt es dazu klare Worte: „Ausgrenzung, Mobbing, Hetze und rassistische Gewalt stellen eine Bedrohung für unsere offene Gesellschaft dar. Dem stellen wir BÜNDNISGRÜNE uns entgegen.“
Derzeit gibt es keine BÜNDNISGRÜNE Landtagsfraktion, die sich diesem wichtigen Thema auf Landesebene widmen kann. Dennoch haben wir als außerparlamentarische Opposition stetig umfassende, öffentliche Kritik an den Missständen und dem Nicht-Handeln der Landesregierung geübt. In den kommunalen Vertretungen haben wir zudem vielfältige politische Initiativen eingebracht. Praktische Beispiele hierfür sind der Antrag in der Rostocker Bürgerschaft, mit Xavier Naidoo aufgrund seiner antisemitischen Hetze keinen neuen Vertrag mehr zu schließen, und Anfragen und Anträge zu Reichsbürger*innen, weiteren rechtsextremen Gruppen und Aktivitäten sowie zivilgesellschaftlichem Engagement in allen Landesteilen.
Auch in der außerparlamentarischen Arbeit gegen Rechtsextremismus sind wir GRÜNE aktiv beteiligt. In den Bündnissen vor Ort planen wir mit, übernehmen Verantwortung und zeigen Gesicht gegen Rechtsextremist*innen, Rechtsradikale und andere Rassist*innen. Auf uns ist Verlass. Auf der Straße. In den Kommunen. Und bald auch wieder im Schweriner Landtag.
2. Wie bewerten Sie die Wirksamkeit von Artikel 18a (Friedensverpflichtung, Gewaltfreiheit) der Landesverfassung im politischen Alltag des Landes? Halten Sie eine Konkretisierung dieses Artikels hinsichtlich andauernder rechtsextremistischer Aktivitäten im Land für notwendig?
Angesichts der fortwährenden rechtsextremistischen Aktivitäten bei uns in MV sind wir weniger für eine Änderung der Verfassung, als vielmehr für konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie und zur konsequenten Reformierung der Sicherheitsbehörden.
Hierzu zählen der weitere Ausbau des Landesprogramms für Demokratie und Toleranz und eine Weiterentwicklung der Angebote der Landeszentrale für politische Bildung sowie der Regionalzentren für demokratische Kultur, um antidemokratischen Entwicklungen frühzeitig entgegenzutreten und die Fähigkeit staatlicher und nichtstaatlicher Akteure zur Gegenwehr zu stärken. Auch die Arbeit des Vereins LOBBI e.V. soll an dieser Stelle anerkennend genannt werden, denn auch die Unterstützung für Betroffene rechtsextremer Gewalt muss deutlich ausgeweitet werden.
Darüber hinaus braucht es eine umfassende sicherheitspolitische Strategie, um der Problematik der Ausbreitung rechtsextremer Aktivitäten und Strukturen angemessen begegnen zu können. Bausteine hierfür müssen sein:
– eine umfassende Reform des Verfassungsschutzes Wir wollen einen Verfassungsschutz, der offensiv rechtsstaatliche Mittel nutzt, zutiefst demokratischen Ansprüchen genügt und Mittel und Methoden nutzt, die eine Unterstützung rechtsradikaler Strukturen ausschließt. Der Verfassungsschutz muss die Praxis, Mitglieder der rechtsextremen Szene als Informant*innen (V-Personen) anzuwerben, schnellstmöglich beenden. Dies finanziert nur verfassungsfeindliche Strukturen.
3. Wie bewerten Sie den Stand der Aufarbeitung der Verbrechen des „NSU“ in Mecklenburg-Vorpommern? Werden Sie sich nach der Wahl für die Einsetzung eines neuen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss NSU einsetzen? Halten Sie dabei die Erweiterung des Untersuchungsauftrages hinsichtlich neu entstandener rechtsextremer Strukturen wie z.b. „nordkreuz“ für erforderlich?
Die Aufarbeitung der Verbrechen des NSU in Mecklenburg-Vorpommern ist noch nicht abgeschlossen. Darum werden wir uns nach der Wahl für die Einsetzung eines neuen Parlamentarischen Untersuchungsausschusses einsetzen. Um diesem Ausschuss eine Chance zu geben, seine Arbeit in der kommenden Legislaturperiode zu beenden, halten wir es derzeit nicht für sinnvoll, den Untersuchungsauftrag auf neu entstandene bzw. weitere rechtsextreme Strukturen auszuweiten.
Nichtsdestotrotz müssen die Verbindungen der Sicherheitsbehörden zur rechtsextremen Preppergruppe „Nordkreuz“ und deren Aktivitäten dringend tiefgehend aufgearbeitet werden. Die Erkenntnisse der Recherchen von taz, Focus und ganz frisch Jörg Köpke (Buch „Unterwandert“) müssen umfassend analysiert und mit praktischen Konsequenzen beantwortet werden (siehe oben). Wir werden ergebnisoffen prüfen, welches parlamentarische Verfahren (evtl. ein weiterer Parlamentarischer Untersuchungsausschuss) sich am besten eignet, um hier für Transparenz zu sorgen.
4. Laut dem „Gesetz über Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz Mecklenburg-Vorpommern) ist der 8.Mai als „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des 2.Weltkrieges“ offizieller Gedenktag. Unterstützen Sie die Bestrebungen diesen Tag im Sinne des Gesetzes zum offiziellen Feiertag zu erklären?
Ja, wir unterstützen Bestrebungen, den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus zum offiziellen Feiertag zu erklären.
5. Der Verfassungsschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist in jüngster Vergangenheit mehrfach bundesweit in Negativ-Schlagzeilen geraten. Wie bewerten Sie diese Reihe von Skandalen und welche Vorstellungen haben Sie zur künftigen Ausrichtung der Behörde?
Wir BÜNDNISGRÜNE wollen einen Verfassungsschutz, der die Verfassung schützt und nicht sich selbst. Skandale wie die der jüngsten Vergangenheit weisen auf tiefgreifende strukturelle Probleme bei der Verfassungsschutzbehörde hin. Es ist fraglich, ob sich diese durch die Umsetzung der Empfehlungen der vom Innenministerium eingesetzten Expertenkommission beheben lassen. Wir werden diesen Prozess konstruktiv-kritisch begleiten und eigene Vorschläge für eine wirksame Reform unterbreiten.
Hierzu fordern wir BÜNDNISGRÜNE bereits lange eine wirksame Kontrolle des Verfassungsschutzes durch eine grundsätzlich öffentlich tagende Parlamentarische Kontrollkommission, die über das für diesen Zweck erforderliche Personal und über echte Befugnisse verfügt. Auch treten wir entschlossen ein für eine Beendigung der Praxis, Mitglieder der rechtsextremen Szene als Informant*innen anzuwerben.
Für einen besseren zivilgesellschaftlichen Schutz der Verfassung wollen wir eine unabhängige Forschungsstelle „Demokratie” einrichten, die wissenschaftliche Analysen demokratiefeindlicher und –gefährdender Bestrebungen erarbeitet, der Öffentlichkeit durch Publikationen und Bildungsangebote zugänglich macht und somit auch dem Verfassungsschutz eine wissenschaftsbasierte Grundlage für seine Aufgaben bietet. Zu den weiteren konkreten Maßnahmen siehe Liste unter 2.