mit VVN-Landesvorsitzenden Axel Holz
09.01.2011
Gedenkveranstaltung
mit VVN-Landesvorsitzenden Axel Holz
Sonntag, 09. Januar 2011, 10 Uhr
Friedhof in Malchin
Sonntag, 09. Januar 2011, 10 Uhr Friedhof in Malchin
Bund der Antifaschistinnen und AntifaschistenDie Vernichtung des Nazismus mit all seinen Wurzeln ist unser Ziel
8. Januar 2011
09.01.2011
Gedenkveranstaltung
mit VVN-Landesvorsitzenden Axel Holz
Sonntag, 09. Januar 2011, 10 Uhr
Friedhof in Malchin
Sonntag, 09. Januar 2011, 10 Uhr Friedhof in Malchin
1. Januar 2011
Durch das Engagement der beiden Mitglieder unserer Basisgruppe VVN/BdA Rostock Hannelore und Ulrich Rabe konnten vorhandene Dokumente und Fotos ausgewählt, bearbeitet, zusammengestellt und kommentiert werden. Es entstand eine Informationsbroschüre, mit der ein Großteil der benötigten finanziellen Mittel eingeworben werden konnte. Diese Broschüre wird eine Voraussetzung sein, wenn Schüler bei ihrem Projekt zu den Biographien der jüdischen Ärzte und des medizinischen Personales des Sanitätsdienstes in Spanien forschen. Gedenkstätte „Deutsche Ärzte in Spanien 1936 – 1939“ Wer denkt bei diesem Titel an die Stadt am Haff, an Ueckermünde? Am 4. Oktober 1988 wurde in dieser Stadt auf dem Gelände des Lazarettes der Nationalen Volksarmee (NVA) eine Gedenkstätte „Deutsche Ärzte in Spanien 1936 – 1939“ eingeweiht. Hier wurden sechs deutsche jüdische Ärzte geehrt, die im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Bevölkerung kämpften. Im Februar 1936 war in Spanien eine Regierung der Volksfront durch Wahlen an die Macht gekommen. Das eröffnete dem spanischen Volk einen demokratischen Entwicklungsweg. Die eingeleiteten progressiven Veränderungen stießen aber auf erbitterte Gegenwehr der Reaktion. General Franco unternahm im Juli einen Militärputsch gegen die rechtmäßig gewählte spanische Regierung. Als der Putsch am entschlossenen Widerstand des spanischen Volkes zu scheitern drohte, beorderten das faschistische Deutschland und Italien starke Truppenverbände zur Unterstützung der Putschisten nach Spanien (u.a. Legion Condor). Dem Verteidigungskampf der legitimen spanischen Regierung schlossen sich freiwillige Antifaschisten aus über fünfzig Ländern an. Aus der Sowjetunion trafen Waffen ein und am 22. Oktober 1936 billigte die spanische Regierung die Aufstellung Internationaler Brigaden. Spätestens mit den Kämpfen um Madrid wurde die Notwendigkeit erkannt, einen eigenen Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden zu schaffen. Zu große Entfernungen, Sprachschwierigkeiten aber auch Sabotage führten dazu, dass ein Teil der Verwundeten verblutete. Mit einem der ersten Transportschiffe von etwa 800 Freiwilligen kamen im Oktober 1936 sechs Ärzte ( je zwei aus Frankreich, aus Polen und aus Deutschland), 19 Helfer, Schwestern und Ambulanzen in Alicante an. Von den sechs Ärzten verfügte nur ein Arzt über chirurgische Kenntnisse. Keiner von ihnen hatte Erfahrungen als Militärarzt. Bald wurde klar: Der Sanitätsdienst musste über ein eigenes Transportwesen und Versorgungseinrichtungen für Medikamente und Lebensmittel verfügen. Fragen der Gesundheit, der Ernährung und Bekleidung der Freiwilligenarmee, die inzwischen auf ca 30 000 angeschwollen war, die Verhütung von Epidemien, die Sorge um die elternlosen spanischen Kinder – das alles waren Aufgaben, die schnell gelöst werden mussten. Neben den Frontlazaretten mussten gleichzeitig einige größere Krankenhäuser, wie in Benacasim, geschaffen, aber auch die Weiterbildung des medizinischen und Pflege-Personals über alle Sprachbarrieren und Traditionen hinweg organisiert werden. Kaum waren die Lazarette auch nur notdürftig eingerichtet, da wurden in jedem von ihnen täglich mehr als zweihundert Schwerverwundete versorgt. Tag und Nacht, bis zu 48 Stunden, arbeiteten die Chirurgen. Sie legten sich eine Stunde nieder, wenn sie so müde waren, das ihnen das Skalpell aus der Hand fiel. Nach wenigen Monaten wirkten im Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden über 250 Ärzte, 1500 Sanitäter, Schwestern und Krankenträger aus allen Nationen Europas, Amerika, Australien, Neuseeland und China. Die größte Gruppe stellten die jüdischen Ärzte. 1933 flohen hunderte jüdische Bürger und jüdische Ärzte aus Deutschland. Hier wurden sie diskriminiert und verfolgt, verloren ihre Arbeit, ihre Zulassung als Arzt zu praktizieren. Jüdischen Ärzten war die Behandlung „arischer Patienten“ untersagt. Dies wurde später mit der IV. Verordnung zum Reichsbürgergesetz festgeschrieben. Sie gingen mit ihren Familien in die Emigration. So auch die Ärzte Dr. med. Günter Bodek und Dr. med. Herbert Feldmann aus Berlin, Dr. med Walter Blank aus Köln, Dr. med. Werner Heilbrunn aus Erfurt, Dr. med. Karl Schnell aus Hamburg und Dr. med. Hans Serelmann aus Niederlungwitz. Aus der Emigration heraus stellten sie sich der Spanischen Republik zur Verfügung. Für sie wurde Spanien nicht Exilland, sondern selbst gewählter Ort des unmittelbaren Kampfes gegen den Faschismus. Und die Gedenkstätte in Ueckermünde? Stellvertretend für all die jüdischen Ärzte, Schwestern und Pfleger des Internationalen Sanitätsdienstes wurden ihre Namen ausgewählt. Es gibt keinen authentischen Bezug mit einer der genannten Personen und der Stadt Ueckermünde. Es wird vielmehr deutlich, dass hier bewusst Menschen ausgewählt wurden, die Ärzten, Schwestern und medizinischem Personal Vorbild in ihrem Beruf, in ihrem täglichen Handeln sein sollen. Die künstlerische Gestaltung der Gedenkstätte durch den Bildhauer Joachim Liebscher ging davon aus, die im Garten des Lazarettes befindliche Eiche als inhaltlichen Mittelpunkt aufzunehmen. „Solidarität ist so stark wie die Wurzel eines Baumes“. Die Einweihung der Gedenkstätte im Oktober 1988 erfolgte in Anwesenheit des Sohnes von Dr. Günter Bodek, Klaus Bodek und dem Enkel Adrian, die aus Mexiko angereist waren. Zwischen ihnen und den Bewohnern der Günter-Bodek-Siedlung in Ueckermünde, vor allem mit der Familie Eckert, entstand seitdem ein enger freundschaftlicher Kontakt. Gemeinsam mit der Gattin des Spanienkämpfers Dr. Rolf Becker – Dr. Judith Becker aus Dierhagen, dem Verein „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936- 1939 e.V.“ Berlin, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschisten M/V- Basisgruppe Rostock kämpften die Ueckermünder nunmehr zwanzig Jahre um Erhalt, Pflege und Öffentlichkeit der Gedenkstätte. Diese wurde 1992 geschändet: das Relief Dr. Bodek und 180 Bronzebuchstaben wurden herausgebrochen und gestohlen. Die Täter wurden nie ermittelt. Ständig wechselnde Eigentumsverhältnisse und fehlende finanzielle Mittel erschwerten eine positive Entscheidung. Dank großzügiger Unterstützung durch Handwerksbetriebe aus der Region und 10 000,00 Spenden fand die Sanierung und die Umsetzung der Gedenkstätte im Herbst 2010 ihren Abschluss. In einer Broschüre zum Denkmal können sich Besucher informieren und Schüler der Stadt werden künftig ein Stück „Geschichte vor der Haustüre“ kennen lernen und erforschen können.
Am 30. Oktober 2010 übergab die Bürgermeisterin von Ueckermünde, Heidi Michaelis (Linke), feierlich die neu gestaltete Gedenkstätte auf dem Terrain vor dem sowjetischen Ehrenmal der Haffstadt der Öffentlichkeit.
Vor zahlreichen Gästen würdigte sie den Einsatz und die Opfer der Interbrigaden-Ärzte in Spanien, aber auch das Engagement der Bürger, diese Gedenkstätte nicht aufzugeben. Während der Veranstaltung wehte die Fahne der XI. Internationalen Brigade über den mit roten Nelken geschmückten Tafeln; und der Vorsitzende des Vereines „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik“ gratulierte der Stadt zu dem Entschluss, weil eine solche Würdigung in Deutschland nicht alltäglich sei. Die Grußbotschaft des Landesrabbiners von Mecklenburg-Vorpommern, William Wolff, fasst die Bedeutung der Gedenkstätte noch einmal zusammen: „In Spanien, mit dem leider vergeblichen Kampf gegen Franco und seine Faschisten, hat es in Europa angefangen. Und weil der Kampf dort verloren wurde, war ganz Europa von der Nordsee bis an die Uralbergkette innerhalb weniger Jahre unter Nazi-Herrschaft. Aber trotz erlittener Niederlage war der Kampf nicht vergeblich. Er hat ein Zeichen gesetzt, das eine Inspiration war für die Widerstandsbewegungen in ganz Europa während des zweiten Weltkrieges. Weil es zu Anfang eine Minderheitsbewegung war, ehren wir heute all jene, die Ärzte, die Pharmazeuten, die Schwestern und Pfleger, die an diesem Kampf so mutig und aufopfernd teilgenommen haben, umso mehr. Sie bleiben uns eine ständige Inspiration und wir sind ihnen weiterhin zu grenzenlosem Dank verpflichtet.“
14. Dezember 2010
Eine als Wanderausstellung konzipierte Ausstellung sollte an vielen Orten zu sehen sein. Das hat die Ausstellung Neofaschismus in Deutschland der VVN-BdA bereits erreicht. Insgesamt 45 mal war sie 2010 in unterschiedlichem Umfeld zu sehen. Bei einer sytematischen Auswertung der Erfahrungen mit der Ausstellung läßt sich die Anzahl der Ausstellungspräsentationen durchaus auf bis zu 100 mal im Jahr erhöhen. Wichtig ist hierfür, die komplette Ausstellung mit seiner Produktfamilie zu bewerben und zu nutzen. Neben den 26 Tafeln der unmittelbaren Ausstellung wird das Angebot durch einen Farb-Katalog und übersichtliche Flyer in deutsch und acht Fremdsprachen ergänzt. Seit geraumer Zeit stehen auch vier Arbeitsblätter zur pädagogischen Begleitung zur Verfügung, die innerhalb des Ausstellungsbesuches oder danach vor allem in der Arbeit mit Schulklassen genutzt werden können. Zudem ist die Ausstellung im Internet abrufbar und erscheint dort auch in englischer Sprache. Die räumlichen Schwerpunkte der Ausstellungsorte liegen in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Schleswig-Holstein. Im nordöstlichen Bundesland war sie bereits neun mal zu sehen. Bewährt hat sich die Präsentation der novellierten Ausstellung im öffentlichen Raum. Rathäuser, Kreisämter, Jugensclubs oder Museen waren die bevorzugten Orte der Ausstellung. Interessant war die Einbindung der VVN-Ausstellung in das Angebot des Dokumentationszentrums Prora auf der Insel Rügen. Der Ort ist durch das in der NS-Zeit nie fertig gestellte KdF-Bad bekannt. Eine Dauerausstellung und weitere Museumsangebote hatten dort täglich bis zu 200 Besucher auch mit der Neofaschismus-Ausstellung konfrontiert. In der Regel eröffneten Vertreter der VVN-BdA sowie lokale Senatoren, Landräte, Bürgermeister und Parteienvertreter die Exposition und wurden durch eine positive Presseresonanz begleitet. In Mecklenburg-Vorpommern waren auch Minister, Fraktionsvorsitzende und die Landtagspräsidentin zur Eröffnung erschienen. Die Presseartikel und medialen Berichte zeigen, wie wichtig den Bürgern und den Medien die Aufklärung über das moderne Gesicht des Neofaschismus ist, wie es in einem Filmbeitrag des NDR hieß. Kritische Einwände zur Ausstellung wurden auf einer regionalen Faschismus-Konferenz im Oktober 2010 in Rostock analysiert und bewertet. In zahlreichen kleinen Orten, wie in Grevesmühlen, Sternberg oder in Pinneberg war die VVN-Ausstellung ein lokales Ereignis, zu dem die kommunale Prominenz häufig repräsentativ erschienen war und die regionale Presse ausführlich berichtete. In Pinneberg war die Nachfrage nach Führungen durch die Ausstellung größer, als die Möglichkeiten der Aussteller. Nicht immer ist es gelungen, bereits im Vorfeld gezielt Schulen und Jugendeinrichtungen anzusprechen, die bevorzugte Zielgruppe der Exposition. Auch aus diesem Grund wurden in fünf Schulungen 38 regionale Vertreter als Gides für die Ausstellung weitergebildet, um in den Führungen die inhaltliche Spanne des Ausstellungsangebotes besser mit pädagogischen Aspekten verknüpfen zu können. Dabei geht es im Fortbildungsangebot um Lernen durch selbständiges Agieren der Workshop-Teilnehmer. Besonders bewährt hat sich neben dem Einstatz von elf Ausstellungs-Exemplaren im A1-Format der Rückgriff auf zwei Ausgaben im A2-Format. Die „kleine“ Ausstellung ist besonders gut für rasche und kurzfristige Aktionen geeignet, wie beim Einsatz der Neofaschismus-Ausstellung zum Tag des Sieges am 9. Mai oder zum Tag der Erinnerung und Mahnung mit Tausenden Besuchern in Berlin deutlich wurde. Die Präsentation an der TU Berlin zeigt das wache Interesse des ASTA für das Thema Neofaschismus und die antifaschistische Bewegung. Bewährt hat sich für die Ausstellungsmacher auch die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. So wird die Neofaschismus-Ausstellung bei ver.di Nord auf der Beschäftigtenversammlung und der Landes-Delegiertenkonferenz der Gewerkschafter zu sehen sein. Mit Unterstützung des DGB wurde sie 2010 in Grevesmühlen und Sternberg präsentiert und wird sie 2011 in Güstrow gezeigt werden.
Hinweise: Ausstellung im Internet: www.neofa-ausstellung.vvn-bda.de Auseinanderstzung mit der Ausstellung: www.kueste.vvn-bda.de , Button: Antifaschismus in Bewegung
10. Dezember 2010
„Es würde mich freuen, wenn er als Berater dem NPD-Parteivorstand zur Verfügung stünde oder gar als Ausländerrückführungsbeauftragter der NPD fungiert.“, so der NPD-Vorsitzende Udo Pastörs gegenüber „Report Mainz“. Begeistert zeigt er sich über die von Sarrazin aufgestellten Thesen: „Unsere Aussagen werden damit salonfähiger und es ist dann auch immer schwerer, Volksverhetzungsverurteilungen gegen NPD-Funktionäre anzustreben, wenn wir uns zur Ausländerpolitik äußern, wenn sich etablierte Politiker auch trauen, das zu äußern.“ Gegen ein NPD-Plakat mit der Aufschrift „Alle wissen, Sarrazin hat Recht“ erstattet der Anzeige und weist den Vorwurf rassistischer Äußerungen zurück. Falsch verstanden – Zufall – oder Verunglimpfung? Selten hat ein Buch einen solchen Medienhype ausgelöst, wie die aktuelle Debatte über das Buch von Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“. Wie die Mischung aus Halbwahrheiten und Populismus geht, – das weiß “Bild“. Heute wird der Rechtspopulismus im Namen der Freiheit verkauft und so schaffen es der Vorabdruck des Buches und die folgenden Diskussionen in „Bild“ und auch im „Spiegel“ im Namen der „Meinungsfreiheitsdebatte“ auf die Bestsellerlisten mit einer Auflage von bis jetzt 650.000 Exemplaren. Und so gelangen Sarrazins Thesen über Veranstaltungen und die Medien in alle Wohnzimmer. Dumpfe Vorurteile und „Volkesstimme“ wird geweckt und publiziert. „Ja genau! – das wird man doch noch mal sagen dürfen – der Mann hat recht“. Und weil die Zustimmung schon mal so hoch ist, wird gleich noch eine Umfrage dazu nachgeschoben: 20 Prozent können sich danach vorstellen, eine Partei rechts von der CDU zu wählen. „Bild“ fordert endlich von den Rechtskonservativen, klare Kante gegenüber den „Muslimen“ zu zeigen. Das Medienkarussell dreht sich nun immer schneller und leider auch beliebiger. Auch Henrik M. Broder schreibt in „Bild“ genüsslich über die Titulierung Michel Friedmanns als „Arschloch“ durch Sarrazin: „Er ist nicht nur ein Arschloch, sondern ein Riesenarschloch“. Na bitte – endlich sagt das mal einer. Dieser glattgegelte arrogante Jude! Das muss gar nicht ergänzt werden, es funktioniert auch so – nonverbal. Deutschland deine Intellektuellen, Kontinuitäten und Brüche!
Dabei geht es gar nicht um das Thema Meinungsfreiheit, worum es Thilo Sarrazin wirklich geht, darauf hat in einem Artikel in der „Zeit“ Sigmar Gabriel aufmerksam gemacht. Kontinuitäten: Er schreibt: Sarrazin hält das Entstehen von oben und unten in unserer Gesellschaft für das Ergebnis natürlicher Auslese durch Vererbung: „Intelligenz ist aber zu 50 – 80 % erblich, deshalb bedeutet ein schichtabhängig unterschiedliches generatives Verhalten leider auch, dass sich das vererbte intellektuelle Potential der Bevölkerung kontinuierlich verdünnt.“ (S. 91, 92) Das ist die Ausgangsthese und sie beinhaltet, dass die Angehörigkeit zu einer Schicht ganz primär mit der vererbten Intelligenz zu tun hat. Thilo Sarrazin behauptet dann auch, dass es „belegt ist (…), dass zwischen Schichtzugehörigkeit und Intelligenzleistung ein recht enger Zusammenhang besteht.“ (S. 93) Für Sarrazin beruht die Schichtung einer Gesellschaft ganz überwiegend auf natürliche biologische Auslese. Einflussfaktoren wie Einkommensverhältnisse, Bildung, Sozialstatus, kulturelle Prägung, Integration oder Desintegration in den Arbeitsmarkt sind für ihn zu vernachlässigende Restgrößen. Der Erfolg oder Misserfolg einer Gesellschaft ist für Sarrazin deshalb vor allem davon abhängig, dass die richtigen Menschen viele Kinder bekommen, um ihre Intelligenz zu vererben und die anderen weniger. Thilo Sarrazin scheut sich in seinem Buch auch nicht, Vorschläge zu machen, wie man diese gezielte Auswahl von scheinbar werthaltigeren Eltern voran bringen könnte. „Es könnte bspw. bei abgeschlossenem Studium für jedes Kind, das vor Vollendung des 30. Lebensjahres der Mutter geboren wird, eine staatliche Prämie von 50.000,- ausgesetzt werden. Die Prämie – und das wird die politische Klippe sein – dürfte allerdings nur selektiv eingesetzt werden, nämlich für jene Gruppen, bei denen eine höhere Fruchtbarkeit zur Verbesserung der Sozio-ökonomischen Qualität der Geburtenstruktur besonders erwünscht ist.“ (S. 389/390) Und die Definition der zur fördernden Gruppe oder Schicht ist nach Sarrazins Auffassung die Aufgabe der Polítik. Welch ein Wahnsinn. Spätestens jetzt ist klar: Thilo Sarrazin führt keine Integrations-, sondern eine Selektionsdebatte. Er greift darauf ganz offen auf Francis Galten zurück (S. 92 und 352), allerdings ohne die Leser aufzuklären. Galten ist ein britischer Naturforscher, der im 19. Jahrhundert als Vater der modernen Eugenik von dem Gedanken beseelt war, „die Qualität der Menschen durch gezielte Auswahl der Eltern zu verbessern“.
Kontinuitäten? – Wenn schon ein solcher Rückgriff auf die Eugenik in unserem Land kaum auffällt und ein solcher Tabu-Bruch nicht von Seiten der Politik geschlossen zurück gewiesen wird, dann braucht es dringend eine Debatte über das Verständnis von Rassismus im 21. Jahrhundert. Und so schreibt in einer Stellungnahme zu den Aussagen Sarrazins das Deutsche Institut für Menschenrechte: „Rassistische Argumentationsmuster der Gegenwart verlaufen – wenn man so will – versteckter. Typischerweise basieren sie auf Zuschreibungen aufgrund unterschiedlicher „Kulturen“, „Nationen“, „Ethnien“ oder Religionszugehörigkeit. Kennzeichnend für Rassismus ist die Konstruktion von Gruppen, nach der in „Wir“ und die „Anderen“ unterteilt wird. Solche Kategorisierungen von Menschen erreichen jedenfalls dann rassistische Dimensionen, wenn sie mit Hierarchisierungen oder Abwertungen einzelner Gruppen einhergehen.“ Mit diesen biologistischen Thesen nimmt Sarrazin bewusst einen Rückgriff auf ein Gedankengut vor, das zur geistigen Grundlage des Nationalsozialismus gehörte. Die Kategorisierung von Menschengruppen („Rassen“) nach pseudowissenschaftlichen Kriterien. Er stellt sich damit bewusst gegen den Grundsatz des Grundgesetzes und der universell geltenden gültigen Menschenrechte, nach denen alle Menschen in ihren Rechten und in ihrer Würde gleich geboren sind.
Aber die aktuelle Diskussion um die Thesen des Politikers Sarrazin mit dem Vorabdruck von Auszügen seines Buches in der Bild-Zeitung, mit dem Hinweis auf ein bestimmtes „jüdisches Gen“ entspricht tief verwurzelten Einstellungsmustern vieler Menschen und kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Sie befördert objektiv Antisemitismus und Rassismus. Damit erweist Herr Sarrazin den Rechten einen Bärendienst. Dabei geht es nicht um Meinungsfreiheit, sondern auch um eine Politikrichtung, auch um aktuelle Migrationspolitik. Vor allem geht es aber aus unserer Sicht um die notwendige Grenze, die die demokratischen Kräfte für den Erhalt von Demokratie und Toleranz in diesem Land gegenüber dem Neofaschismus ziehen müssen, um glaubwürdig und erfolgreich gegen ihn ankämpfen zu können. Daher wendet sich ver.di Nord entschieden gegen jede Form von Rechtspopulismus, Antisemitismus und Rassismus. Diese Auseinandersetzung werden wir im Rahmen unserer Kampagne „NPD kehrt marsch!“, insbesondere im Vorfeld der Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern in 2011 verstärken.
Schwerin, 25. Oktober 2010
28. November 2010
29.11.2010
Landesvorstandssitzung
Montag, 29. November 2010, 10.30 -14.00 Uhr
Schwerin, Landesbüro VVN-BdA
Montag, 29. November 2010, 10.30 -14.00 Uhr Schwerin, Landesbüro VVN-BdA
16. November 2010
Wer sich rasch über die Hansestadt informieren möchte, wird das Internet zu Rate ziehen: Dort sind informationen zu finden über das wunderschöne Kleinod der Backsteingotik, das mit seinem direkten Zugang zur Ostsee über vielfältige Möglichkeiten für Handel und Tourismus verfügt. Politisch Interessierte stoßen im Internet aber auch auf Berichte über Probleme mit Rechtsextremisten in Wismar und in der umliegenden Region. In der Stadt befinden sich ein rechter Szeneladen, ein Versand für rechtsextreme Devotionalien und eine zur Szene gehörendes Tatoo-Studio. Im Landkeris Norwestmecklenburg gibt es ebenfalls einen entsprechenden Versand. Dem Kreistag Nordwestmecklenburg gehören mittlerweile auch zwei NPD-Mitglieder an. Die Präsenz der rechten Szene führte im Jahr 2001 zur Gründung eines überparteilichen Netzwerkes für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit. Gründungsmitglied war unter anderem der heutige mecklenburgische Landesbischof Andreas von Maltzahn. Es war und ist ein breites Bündnis von gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Gruppen aus der Region. Über Unterschiede politischer, religiöser oder ideologischer Art hinweg sollte das Ziel verfolgt werden, Demokratie, Menschlichkeit und Toleranz in der Wismarer Region zu stärken. Das Netzwerk wurde viele Jahre durch einen hauptamtlichen Mitarbeiter betreut, der durch ein staatliches Förderprogramm finanziert wurde. Nachdem das sogenannte Civitas- Programm ausgelaufen war, stand das Netzwerk vor Veränderungen. In einer ersten Phase des Umbaus fanden sich aktive Mitglieder, die eine Gruppe bildeten, um die Arbeit auf eigene Beine zu stellen und um ohne Fördermittel selbständig weiterzumachen. Immer wieder stieß die Arbeit aber an Grenzen, denn ein „loses Bündnis“ war nicht unmittelbar ansprechbar und war auch nicht in der Lage, Spenden oder Fördergelder für sich einzuwerben. Angeregt durch die unerträglichen Aktivitäten im Umfeld des rechten Szeneladens, sammelte das Netzwerk in kürzester Zeit mehr als 3.000 Unterschriften für einen Aktionsplan „Rechtsextremsmus gemeinsam wirksam bekämpfen“, die der politischen Spitze der Sadt und dem Landesinnenministerium übergeben wurden. Ziel dieser Aktion und der weiteren Arbeit des Netzwerkes war und ist eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit und der Verwaltung beim Umgang mit der rechten Szene und der Förderung der Demokratie. Im Jahr 2008 wurde das Netzwerk für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit für Wismar und Westmecklenburg e.V. als gemeinnütziger Verein gegründet. Parallel zu diesen Aktivitäten entwickelten sich auch in der Stadt weitere Aktivitäten, wie die Kampagne „Wismar – Neugierig, Tolerant, Weltoffen“. Unter dem Dach dieser Kampagne engagieren sich zahlreiche Organisationen und Vereine. Auch im Lankreis wurden im Rahmen eines lokalen Aktionsplanes Aktivitäten in dieser Richtung unternommen. Immer wieder werden Mitglieder des Netzwerkes mit der Frage konfrontiert, ob sie mit ihrer öffentlichkeitswirksamen Arbeit die rechte Szene in der Region nicht auch unnötig aufwerten. Die Fokusierung auf die „Einzelfälle“ könne dem Ansehen der Stadt schaden, hieß es von Seiten der Kritiker. Der Verein war in der Stadt mit dem Vorwurf der „Nestbeschmutzung“ konfrontiert. Das Netzwerk diskutiert diese Frage immer wieder. Dabei setzte sich die Überzeugung durch, dass Verschweigen und Wegschauen keine Lösung sind. Das Engagement des Vereins ist darauf ausgerichtet, die Aktivitäten der rechten Szene im Auge zu behalten und durch Vorträge und andere Aktivitäten die Bevölkerung für Demokratie und Toleranz zu begeistern. Beispiel für dieses Engagement sind die Aufklärung über die Erkennungszeichen der rechten Szene, Veranstaltungen über die Situation der Ausländer in Wismar, die Ziele und die Ideologie der NPD sowie eine Podiumsdikussion über ein mögliches Verbot der NPD. Auch das Projekt „Stolpersteine“ in Wismar wurde vom Verein unterstützt. Die Mitglieder des Netzwerkes wollen erreichen, dass die Bürger über Ziele und Hintergünde der rechten Szene informiert werden und nicht mehr anfällig für deren Parolen sind. Der Verein will durch Veranstaltungen und aktives Bürgerengagement aufklären, informieren und sensibilisieren. Das kann nur gelingen, wenn viele gesellschaftliche Gruppen in den Prozeß einbezogen werden und der einzelne Bürger sich mit diesem Anliegen nicht allein fühlt. Horst Krumpen ist Vorsitzender des Netzwerkes für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit für Wismar und Nordwestmecklenburg e.V. (e-mail: netzwerk-hwi-nwm@gmx.de). Das Netzwerk stellte vom 09.-26.11.2010 die Austellung der VVN-BdA „Neofaschismus in Deutschland“ im Wismarer Filmbüro aus.
8. November 2010
Die Ausstellung informiert über Ideologie und Praxis des Neofaschismus und benennt Ursachen für die Ausbreitung rassistischen,nationalistischen und militaristischen Denkens und Handelns. Die Ausstellung will aufklären und zur kritischen Auseinandersetzung anregen.
Eingeladen sind alle Mitglieder, Freunde und Bekannte, (sofern Sie nicht zu dem in der Einschränkung der Einladung genannten Kreis zählen), die sich für das Thema interessieren im Namen der Veranstalter, Verdi Nord, VVNBDA, Netzwerk für Demokratie Toleranz und Menschlichkeit für Wismar und Nordwestmecklenburg e.V. und des Filmbüros:
Ausstellungseröffnung :
Neofaschismus in Deutschland ! Am 09.11.2010 Beginn 11.00 Uhr – Filmbüro MV – Bürgermeister Hauptstraße 53, Wismar Begrüßung : Ernst Heilmann, Leiter Landesbüro MV Verdi Nord Horst Krumpen, Vorsitzender Netzwerk für Demokratie Toleranz und Menschlichkeit e.V. Grußwort : Senator Berkhan, in Vertretung von Bürgermeister Beyer – Hansestadt Wismar Einführung in die Ausstellung und Eröffnung : Dr. Axel Holz
EINSCHRÄNKUNG DER EINLADUNG :
Die Veranstalter behalten sich vor, von Ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische,nationalistische, antisemitische oder sonstige Menschen verachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.
25. Oktober 2010
Einige von uns waren schon einmal in Ravensbrück, dem einzigen Frauenkonzentrationslager, gewesen, doch die Kälte und die bildlichen Beschreibungen des Mannes, der uns durch die Gedenkstätte führte, ließen uns alle nachdenklich werden. Wir waren 21 Kameradinnen und Kameraden der Rostocker VVN-BdA und der VVN-BdA BO Jugend, sowie einigen Sympathisant_Innen. Die Rostocker Basisorganisation lud schon vor Wochen ein, an der Fahrt teilzunehmen. Angekommen waren wir kurz nach 10 Uhr vormittags. Wir begannen mit der Führung durch die Gedenkstätte. Anschließend nahmen wir die Möglichkeit war, einige Blumen an dem Mahnmal für die ermordeten Menschen aus etwa 40 Ländern niederzulegen. Ein Moment der Stille und es Innehaltens schien wie selbstverständlich. Danach blieb noch etwas Zeit, sich auf dem Gelände weiter umzuschauen, denn selbst die 90 minütige Führung konnte lange nicht an allen Orten halt machen. Bedächtig verlief sich unsere Gruppe, einige Kamerad_Innen sahen sich die ehemaligen Häuser der SS-Aufseher an, andere guckten sich im Gefängnistrakt des Konzentrationslager um und wieder andere blieben vor dem ehemaligen Haupteingang des Lagers stehen und unterhielten sich. Gegen 13Uhr45 fuhr unser Bus, mit dem wir bereits aus Rostock hergefahren waren, wieder ab. Aber noch ging es nicht nach Hause. Nach einigen Minuten Fahrt machten wir an einer Gaststätte halt, die bereits auf uns gewartet hatte. Doch schon etwas durchgefroren, setzten wir uns und bestellten unser Mittagessen. Kurz nach 15Uhr fuhren wir dann endgültig wieder nach Rostock zurück. Während der Busfahrt gab es noch viele Gespräche über das Gesehne, über alte Erinnerungen und über neue Projekte. Allen Helferinnen und Helfern, die bei der Umsetzung der Fahrt geholfen haben, sowie allen, die an der Fahrt teilgenommen haben, ein herzliches Dankeschön. Die Rostocker VVN-BdA wird auch im nächsten Jahr wieder eine Gedenkstättenfahrt unternehmen und eins ist jetzt schon klar: die BO Jugend wird auch wieder dabei sein.
15. Oktober 2010
Die Konferenz knüpfte an die erste Tagung zum Stand der Antifaschismusforschung in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2006 an, die von der Rosa-Luxemburg-Stifung, der VVN-BdA und dem Verein Politische Memoriale veranstaltet wurde. Die diesjährige Konferenz war dem vor einem Jahr verstorbenen Historiker Prof. Dr. Karl Heinz Jahnke, einem der produktivsten Wissenschaftler und Publizisten auf diesem Gebiet, gewidmet.
Heute, am 9. Oktober 2010, fand in der Rostocker Stadthalle die Konferenz zur Erforschung der NS-Geschichte in Mecklenburg-Vorpommern, statt. Eingeladen hatten die Rosa-Luxemburg-Stiftung M-V, die Politische Memoriale M-V und die VVN-BdA M-V. Pünktlich um 10Uhr vormittags startete die Tagung, die von Prof. Dr. Werner Pade mit einigen kurzen Worten eingeleitet wurde. Offensichtlich guter Dinge schaute Dr. Pade in den Saal, der nahezu voll besetzt war. Mit den Vorträgen „Faschismustheorien – gestern und heute“ und „“Wie lassen sich relevante erinnerungskulturelle Entwicklungen auf die aktuelle Forschung beziehen?“ begann die eigentliche Konferenz. Bürgerliche Definitionen des Faschismus als geschichtliche Erscheinung, wurden dabei genauso berücksichtigt, wie Definitionen linker Gruppierungen. „Wie in jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung, gab es auch hier Fortschritte und natürlich auch Fehltritte. […] Doch bei allen Definitionsversuchen müssen wir heute darauf achten, dass wir die modernen Erscheinungsformen des Neofaschismus nicht vergessen.“ Beschrieb Prof. Weißbecker in seinen Ausführungen. Nach einer Pause, in der Alle Zeit hatten sich zu stärken und sich zu unterhalten, begann die Vorstellung der verschiedenen Gedenkstättenprojekte in Mecklenburg-Vorpommern. Die Arbeit mit Schulklassen wurde ebenso hervorgehoben, wie die Erarbeitung von Heften und die Errichtung von Stolpersteinen. Nachdem alle vier Rednerblöcke abgehandelt waren, konnte mensch in eine angeregte Diskussion einsteigen. „Es ist oft schwierig, mit jüngeren Schulklassen an diesem Thema zu arbeiten. Ein vorsichtiges und umsichtiges Herangehen ist dabei genauso notwendig, wie die Vermittlung der eigentlichen Inhalte über den Terror des Naziregimes“, flüsterte eine Frau geradezu ins Gastmikrophon. Mit etwas Verspätung schloss Prof. Pfüller die Tagung. „Wir haben heute viel erfahren und es werden sich sicher neue Projekte aus den heute gewonnenen Informationen ergeben.“ Noch lange nach der Schließung der Konferenz standen Teilnehmer_Innen vor der Stadthalle und unterhielten sich.
15. Oktober 2010
Die Ausstellung der VVN-BdA „Neofaschismus in Deutschland“ wurde in novellierter Form am 8. Mai 2010 veröffentlicht. Seitdem wurde sie in Mecklenburg-Vorpommern an fünf Orten des Landes und mit weiteren zehn Exemplaren im gesamten Bundesgebiet präsentiert. Sie zeigt das moderne Gesicht des Neofaschismus in Deutschland, wie es ein NDR-Fernsehbeitrag am 9. September zur Eröffnung der VVN-Ausstellung im Sternberger „Alten Bahnhof“ formulierte. Damit ist bereits der Charakter der Wanderausstellung treffend umschrieben, denn die Ausstellungsmacher wollen deutlich machen, dass die Aktivitäten der Neofaschisten in Deutschland, besonders die der NPD, inhaltlich und werteorientiert in direktem Zusammenhang zum originären Faschismus der NS-Zeit stehen. Diese Formulierung kennzeichnet das Problem neofaschistischer Inhalte und diskriminierender Einstellungen in Teilen der Gesellschaft, die sich nicht auf die marginalisierende Rolle von Extremisten am Rande der Gesellschaft reduzieren läßt. Eben dieser Ansatz hat in unterschiedlichem Maße zu Kritik an der Ausstellung der VVN-BdA geführt. Die Kritik läßt sich auf drei Phänomene reduzieren. Zum einen ist es der Versuch, durch Zuschreibungen, wie Neofaschismus als Kampfbegriff oder „Extremisten wollen über Extremisten aufklären“ das Zeigen der Ausstellung schlichtweg zu blockieren und das gemeinsame Handeln der Demokraten gegen Neofaschismus zu verhindern. Darüber hinaus wird mit einer neuen Entfaltung der Extremismusdebatte die Deutungshoheit über das Phänomen der aktuellen neofaschistischen Entwicklungen in Deutschland und Europa beansprucht, in der das einengende Bild vom Rechtsextremismus fest verankert ist. Schließlich umfaßt die Kritik inhaltliche Punkte der Ausstellung, die oftmals Berührungspunkte oder Überschneidungen der Kritiker oder ihnen vertrauter Personen und Gruppen betreffen und dadurch die Kritiker selbst emotional herausfordern. Trotz der Unterschiedlichkeit der Motive und inhaltlichen Präferenzen muß die Kritik an eben diesen Positionen mit Sachkunde, historischer Genauigkeit und argumentativer Tiefe geführt werden. Ich will deshalb auf einzelne Kritikpunkte direkt eingehen. Es ist üblich geworden, das Vordringen der neonazitischen Ideen in der Gesellschaft political correct als rechtsextremistisch zu titulieren. Diese Formulierung geht trotz wertvoller Erkenntnissse der Rechtsextremismusforschung am Wesen der Sache vorbei, nämlich der Tasache, dass originäre Ideologieelemente der NSDAP, wie Rassimus, Antisemitismus, Chauvinismus, Demokratie- und Gewerkschaftfeindlichkeit sowie Gewalt gegenüber Anderdenkenden und anderen zum Feindbild erklärten Gruppen in der neofaschistischen Bewegung reproduziert und bewußt bedient werden. Das belegen die Schwerpunkte der politischen Aktivitäten der NPD auf der Straße und im Parlament. Wie vor 75 Jahren wird von der „Judenrepublik“ gesprochen, von den „Systemparteien“, die die nationlen Interessen der Deutschen angeblich nicht vertreten würden. Der Diskriminierung, Diffamierung und Bedrohung von Gruppen in der Gesellschaft durch Neonazis folgt der parlamentarische Versuch, diese Gruppen zu entrechten. Die Anträge der NPD zur Schaffung einer Volksgesundheitskasse, zur Umwidmung der Integrations- in Ausländerrückführungsbeauftragte und des Bekenntnisses der NPD dazu, sich parlamentarisch für die „Gesunden und Starken“ einzusetzen, respektive die Schwachen zu diskriminieren, belegen das eindrücklich. Hier ist der Vergleich mit der NS-Ideologie nicht nur möglich, sondern geradezu geboten. Dabei sollte auch darauf verwiesen werden, dass faschistische Bewegungen in Europa nach dem 1. Weltkrieg eine historische Tatsache waren, die es in einigen Fällen mit der Unterstützung einflußreicher gesellschaftlicher Kreise auch zur Herrschaftsübernahme geschafft haben, um ihrer Ideologie den wirksamen Nachdruck der politischen Macht zu geben. Das betrifft nicht nur Deutschland, sondern auch Italien, Spanien oder Kroatien. Die begriffliche ökonomistische Verengung des Phänomens „Faschismus an der Macht“ durch Dimitroff bietet keinen hinreichenden Grund, die historische Wirkung faschistischer Bewegungen dieser Zeit auszublenden. Abgesehen davon wurde mit der berechtigten Kritik am eingeengten dimitroffschen Ansatz auch der reale Kern seiner Kritik mit ausgeschaltet. Seit Beginn der zwanziger Jahre hatten einflußreiche wirtschaftliche Kreise, etwa in der Person Thyssen, enge Kontakte zur faschistischen Bewegung in Deutschland. Der folgte 1930 die gezielte Förderung der Nazi-Bewegung durch Spenden aus der Wirtschaft, wiederum von Thyssen. Spätestens 1932 wurde der Kontakt der NSDAP zur Wirtschaft verstetigt. So durfte Hitler im Frühjahr 1932 vor 600 Vertretern der Wirtschaft für sein politisches Konzept werben. Im Herbst bat eine Gruppe von Unternehmern den Reichspräsidenten um die Einsetzung Hitlers als Reichkanzler. Die Liste der Namen in diesem Bittbrief, den die Zeitung „Freitag“ vor geraumer Zeit wieder veröffentlichte, liest sich wie das who ist who der deutschen Industrie- und Bankenwelt. Nun zu einigen inhaltliche Kritikpunkten an einzelnen Aussagen der Ausstellung. Ein wesentlicher Kritikpunkt bezieht sich auf den Teil der Ausstellung, in dem inhaltliche Parallelen und organisatorische Überschneidungen in der Gesellschaft zur Nazi-Szene benannt werden. So wird nicht selten die Kritik zurückgewiesen, mit der Burschenschaften inhaltliche Überschneidungen zur Nazi-Szene vorgeworfen werden. Erst im vergangegen Jahr haben sich die deutschen Burschenschaften auf einem bundesweiten Kongreß von rechtsradikalen Tendenzen distanziert – eben weil es ein solches Problem offensichtlich gibt. Nicht zufällig kommen namhafte Neofaschisten, wie der Chef der DVU, Rolf Schlierer, aus der Burschenschaftsszene. Auch das konservative Studienzentrum Weikersheim kann trotz seines renomierten Namens inhaltliche Überschneidungen zu Gedankengut der neuen Nazis nicht verbergen. Auf der homepage des Instituts bewirbt das Zentrum eine Tagung zum Thema „Europa der Völker“ – ein zentraler, EU-feindlicher Wahlslogan der neofaschistischen NPD. Schließlich wird gelegentlich die Kritik am Bund der Vertriebenen als nicht sachgrecht dargestellt. Tatsache aber ist, dass der Bund der Vertriebenen, wie jüngst erst wieder in Bemerkungen Erika Steinbachs mit Zweifeln an der Kriegsschuld der Deutschen deutlich wurde, seit seinem Bestehen mit revanchistischen und geschichtsverzerrenden Thesen nachhaltig aktiv ist. Trotz einer großen Integrationsleistung des Verbandes wird dieser Teil der Geschichte des Verbandes gern tabuisiert. Vergessen ist dabei, dass Verbandspräsidentin Erika Steinbach noch 1991 im Bundestag die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ablehnte, die spätestens mit dem 2+4-Vertrag und dem Einigungsvertrag beider deutscher Staaten völkerrechtlich endgültig anerkannt war. Ein Artikel des „Spiegel“ vom Januar 2010 zeigt in der Ausstellung, wie der BdV die eigene revanchistische Vergangeheit zu vertuschen sucht. Zudem eröffnet der Artikel, dass eben nicht nur Mitläufer des BdV Nazis waren, sondern auch Vorstandsmitglieder, von denen wiederum einige Vertreter in die NPD und den neofaschistischen Witikobund abwanderten, andere sich ihrer NS-Vergangenheit rühmten. Die VVN-Ausstellung greift auch ein Thema der Geschichtsbetrachtung auf, das man als Tabuisierung der Tabus bei der Aufarbeitung der NS-Geschichte in Westdeutschland bezeichnen könnte. Die Tafel „Verpasster Neubeginn, fragwürdige Erben“ widmet sich diesem Thema. Der Einsatz von hochrangigen Vertretern des NS-Regimes in Wirtschaft, Politik, Justiz, Medien, Militär und Geheimdiensten der Bundesrepublik gehört ebenso dazu, wie die Neugründiung neofaschistischer Parteien trotz eines Artikels139 im Grundgesetz, der eben dies verbietet. Dazu gehört auch die ungestörte und staatlich geförderte Arbeit bereits oben genannter Revanchistenverbände. Dabei besteht das hier beschriebene Problem nicht darin, dass in Ost und West gleichermaßen Nazis und Mitläufer massenhaft in eine neue Ordnung integriert werden mußten. Die Nichtverfolgung der Täter war in der BRD eben die Regel und nicht in der DDR, in der bevölkerungsbezogen fünf mal so viel NS-Täter überwiegend nach rechtsstaatlichen Maßstäben abgeurteilt wurden. Dies bestätigt z.B. eine Ausstellung über die Euthanasie-Prozesse nach dem Krieg in Dresden, die vor geraumer Zeit auch im Schweriner Klinikum gezeigt wurde. Unstritig ist: Das Ausmaß der Nachsicht im Umgang mit NS-Tätern in Westdeutschland ist im europäischen Maßstab einmalig. Ein wiederholter Angriffspunkt gegenüber der VVN-Ausstellung betrifft die aufgezeigten inhaltlichen Parallelen aus der Gesellschaft heraus zur Nazi-Ideologie. Hier geht es der Ausstellung nicht um Gleichsetzung, sondern um Vergleichen. Dabei wird deutlich, so kommentiert die Ausstellung, dass diskriminierende Bemerkungen von Medien und herausragendenden Persönlichkeiten den Neofaschisten in die Hände spielen und ihnen Handlungsspielräume eröffnen. Niemand behauptet, das Koch mit einem ausländerfeindlichen Wahlkampf, Westerwelle mit diskriminierenden Äußerungen gegenüber sozial Schwachen, die ihre sozialstaatlich verbrieften Rechte einfordern, oder Sarrazin mit außerländerfeindlichen Äußerungen Nazis seien. Die Ausstellungsmacher weigern sich aber, sich auf eine Diskussion einzulassen, in der je nach politischer Wetterlage festgelegt wird, ab wann diskriminierende Äußerungen erlaubt seien oder auch nicht. In diesem Sinne hat die Ausstellung der VVN-BdA den Nerv der Zeit getroffen, denn es geht ihr nicht darum, in der Auseinandersetzzung mit dem Neofaschismus nur auf die Gegner der Demokratie zu zeigen, sondern die Äußerungen und das Verhalten der Demokraten selbst einzubeziehen.