Gedenkstätte „Deutsche Ärzte in Spanien 1936 – 1939“

geschrieben von Hannelore Rabe

1. Januar 2011

Bewohner der Bodek-Siedlung in Ueckermünde, Ärzte, ehemalige Lazarettangehörige, Geschäftsleute und viele Bürger der Region haben es nach 20 Jahren endlich erreicht, dass eine geschändete, dem Vergessen ausgelieferte Gedenkstätte nach ihrer Restaurierung an einem neuen Standort wieder eingeweiht werden konnte.

Durch das Engagement der beiden Mitglieder unserer Basisgruppe VVN/BdA Rostock Hannelore und Ulrich Rabe konnten vorhandene Dokumente und Fotos ausgewählt, bearbeitet, zusammengestellt und kommentiert werden. Es entstand eine Informationsbroschüre, mit der ein Großteil der benötigten finanziellen Mittel eingeworben werden konnte. Diese Broschüre wird eine Voraussetzung sein, wenn Schüler bei ihrem Projekt zu den Biographien der jüdischen Ärzte und des medizinischen Personales des Sanitätsdienstes in Spanien forschen. Gedenkstätte „Deutsche Ärzte in Spanien 1936 – 1939“ Wer denkt bei diesem Titel an die Stadt am Haff, an Ueckermünde? Am 4. Oktober 1988 wurde in dieser Stadt auf dem Gelände des Lazarettes der Nationalen Volksarmee (NVA) eine Gedenkstätte „Deutsche Ärzte in Spanien 1936 – 1939“ eingeweiht. Hier wurden sechs deutsche jüdische Ärzte geehrt, die im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Bevölkerung kämpften. Im Februar 1936 war in Spanien eine Regierung der Volksfront durch Wahlen an die Macht gekommen. Das eröffnete dem spanischen Volk einen demokratischen Entwicklungsweg. Die eingeleiteten progressiven Veränderungen stießen aber auf erbitterte Gegenwehr der Reaktion. General Franco unternahm im Juli einen Militärputsch gegen die rechtmäßig gewählte spanische Regierung. Als der Putsch am entschlossenen Widerstand des spanischen Volkes zu scheitern drohte, beorderten das faschistische Deutschland und Italien starke Truppenverbände zur Unterstützung der Putschisten nach Spanien (u.a. Legion Condor). Dem Verteidigungskampf der legitimen spanischen Regierung schlossen sich freiwillige Antifaschisten aus über fünfzig Ländern an. Aus der Sowjetunion trafen Waffen ein und am 22. Oktober 1936 billigte die spanische Regierung die Aufstellung Internationaler Brigaden. Spätestens mit den Kämpfen um Madrid wurde die Notwendigkeit erkannt, einen eigenen Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden zu schaffen. Zu große Entfernungen, Sprachschwierigkeiten aber auch Sabotage führten dazu, dass ein Teil der Verwundeten verblutete. Mit einem der ersten Transportschiffe von etwa 800 Freiwilligen kamen im Oktober 1936 sechs Ärzte ( je zwei aus Frankreich, aus Polen und aus Deutschland), 19 Helfer, Schwestern und Ambulanzen in Alicante an. Von den sechs Ärzten verfügte nur ein Arzt über chirurgische Kenntnisse. Keiner von ihnen hatte Erfahrungen als Militärarzt. Bald wurde klar: Der Sanitätsdienst musste über ein eigenes Transportwesen und Versorgungseinrichtungen für Medikamente und Lebensmittel verfügen. Fragen der Gesundheit, der Ernährung und Bekleidung der Freiwilligenarmee, die inzwischen auf ca 30 000 angeschwollen war, die Verhütung von Epidemien, die Sorge um die elternlosen spanischen Kinder – das alles waren Aufgaben, die schnell gelöst werden mussten. Neben den Frontlazaretten mussten gleichzeitig einige größere Krankenhäuser, wie in Benacasim, geschaffen, aber auch die Weiterbildung des medizinischen und Pflege-Personals über alle Sprachbarrieren und Traditionen hinweg organisiert werden. Kaum waren die Lazarette auch nur notdürftig eingerichtet, da wurden in jedem von ihnen täglich mehr als zweihundert Schwerverwundete versorgt. Tag und Nacht, bis zu 48 Stunden, arbeiteten die Chirurgen. Sie legten sich eine Stunde nieder, wenn sie so müde waren, das ihnen das Skalpell aus der Hand fiel. Nach wenigen Monaten wirkten im Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden über 250 Ärzte, 1500 Sanitäter, Schwestern und Krankenträger aus allen Nationen Europas, Amerika, Australien, Neuseeland und China. Die größte Gruppe stellten die jüdischen Ärzte. 1933 flohen hunderte jüdische Bürger und jüdische Ärzte aus Deutschland. Hier wurden sie diskriminiert und verfolgt, verloren ihre Arbeit, ihre Zulassung als Arzt zu praktizieren. Jüdischen Ärzten war die Behandlung „arischer Patienten“ untersagt. Dies wurde später mit der IV. Verordnung zum Reichsbürgergesetz festgeschrieben. Sie gingen mit ihren Familien in die Emigration. So auch die Ärzte Dr. med. Günter Bodek und Dr. med. Herbert Feldmann aus Berlin, Dr. med Walter Blank aus Köln, Dr. med. Werner Heilbrunn aus Erfurt, Dr. med. Karl Schnell aus Hamburg und Dr. med. Hans Serelmann aus Niederlungwitz. Aus der Emigration heraus stellten sie sich der Spanischen Republik zur Verfügung. Für sie wurde Spanien nicht Exilland, sondern selbst gewählter Ort des unmittelbaren Kampfes gegen den Faschismus. Und die Gedenkstätte in Ueckermünde? Stellvertretend für all die jüdischen Ärzte, Schwestern und Pfleger des Internationalen Sanitätsdienstes wurden ihre Namen ausgewählt. Es gibt keinen authentischen Bezug mit einer der genannten Personen und der Stadt Ueckermünde. Es wird vielmehr deutlich, dass hier bewusst Menschen ausgewählt wurden, die Ärzten, Schwestern und medizinischem Personal Vorbild in ihrem Beruf, in ihrem täglichen Handeln sein sollen. Die künstlerische Gestaltung der Gedenkstätte durch den Bildhauer Joachim Liebscher ging davon aus, die im Garten des Lazarettes befindliche Eiche als inhaltlichen Mittelpunkt aufzunehmen. „Solidarität ist so stark wie die Wurzel eines Baumes“. Die Einweihung der Gedenkstätte im Oktober 1988 erfolgte in Anwesenheit des Sohnes von Dr. Günter Bodek, Klaus Bodek und dem Enkel Adrian, die aus Mexiko angereist waren. Zwischen ihnen und den Bewohnern der Günter-Bodek-Siedlung in Ueckermünde, vor allem mit der Familie Eckert, entstand seitdem ein enger freundschaftlicher Kontakt. Gemeinsam mit der Gattin des Spanienkämpfers Dr. Rolf Becker – Dr. Judith Becker aus Dierhagen, dem Verein „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936- 1939 e.V.“ Berlin, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschisten M/V- Basisgruppe Rostock kämpften die Ueckermünder nunmehr zwanzig Jahre um Erhalt, Pflege und Öffentlichkeit der Gedenkstätte. Diese wurde 1992 geschändet: das Relief Dr. Bodek und 180 Bronzebuchstaben wurden herausgebrochen und gestohlen. Die Täter wurden nie ermittelt. Ständig wechselnde Eigentumsverhältnisse und fehlende finanzielle Mittel erschwerten eine positive Entscheidung. Dank großzügiger Unterstützung durch Handwerksbetriebe aus der Region und 10 000,00 € Spenden fand die Sanierung und die Umsetzung der Gedenkstätte im Herbst 2010 ihren Abschluss. In einer Broschüre zum Denkmal können sich Besucher informieren und Schüler der Stadt werden künftig ein Stück „Geschichte vor der Haustüre“ kennen lernen und erforschen können.

Am 30. Oktober 2010 übergab die Bürgermeisterin von Ueckermünde, Heidi Michaelis (Linke), feierlich die neu gestaltete Gedenkstätte auf dem Terrain vor dem sowjetischen Ehrenmal der Haffstadt der Öffentlichkeit.

Vor zahlreichen Gästen würdigte sie den Einsatz und die Opfer der Interbrigaden-Ärzte in Spanien, aber auch das Engagement der Bürger, diese Gedenkstätte nicht aufzugeben. Während der Veranstaltung wehte die Fahne der XI. Internationalen Brigade über den mit roten Nelken geschmückten Tafeln; und der Vorsitzende des Vereines „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik“ gratulierte der Stadt zu dem Entschluss, weil eine solche Würdigung in Deutschland nicht alltäglich sei. Die Grußbotschaft des Landesrabbiners von Mecklenburg-Vorpommern, William Wolff, fasst die Bedeutung der Gedenkstätte noch einmal zusammen: „In Spanien, mit dem leider vergeblichen Kampf gegen Franco und seine Faschisten, hat es in Europa angefangen. Und weil der Kampf dort verloren wurde, war ganz Europa von der Nordsee bis an die Uralbergkette innerhalb weniger Jahre unter Nazi-Herrschaft. Aber trotz erlittener Niederlage war der Kampf nicht vergeblich. Er hat ein Zeichen gesetzt, das eine Inspiration war für die Widerstandsbewegungen in ganz Europa während des zweiten Weltkrieges. Weil es zu Anfang eine Minderheitsbewegung war, ehren wir heute all jene, die Ärzte, die Pharmazeuten, die Schwestern und Pfleger, die an diesem Kampf so mutig und aufopfernd teilgenommen haben, umso mehr. Sie bleiben uns eine ständige Inspiration und wir sind ihnen weiterhin zu grenzenlosem Dank verpflichtet.“