Rechte Gewalt steigt an

geschrieben von Axel Holz

4. August 2015

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Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten ist 2014 erneut angestiegen. Dabei nahmen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte deutlich zu.
Rechtsextreme Gewalttaten nahmen 2014 erneut um 5 Prozent auf 496 zu. Sie sind nur die gewalttätige Spitze des Eisbergs der insgesamt 10.054 rechtsextremen und fremdenfeindlichen Straftaten. Seit Jahren erfragt DIE LINKE im Bundestag monatlich die erfassten Straftaten mit rechtsextremen und ausländerfeindlichen Hintergrund. Hinzu kommen in jüngster Zeit auch nachträglich als rechtsextrem eingestufte Taten in Folge der Rückverfolgung tausender ungeklärter Gewaltverbrechen von 1990 bis 2011 nach dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie. Bei 746 Fällen mit 846 Opfern seien Hinweise auf „mögliche rechte Tatmotive“ festgestellt worden, hieß es aus dem Berliner Innenressort. Darunter ist auch der 2012 ermordete Karl-Heinz L. aus Bützow, dessen Mörder zu elf Jahren Haft verurteilt wurde. Diese Tat wurde zunächst nicht als rechtsextrem eingestuft, obwohl der Opferberatung LOBBI ihn in ihrem „Rundbrief“ als polizeibekannt und der Nazi-Szene zugehörig charakterisierte. Nach Kritiken an mehreren ungeklärten Gewaltverbrechen mit rechtsextremem Hintergrund wurde dieser Fall nun am 2. Dezember 2014 aus dem Schweriner Innenministerium nachgemeldet, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion zeigt. In Brandenburg verdoppelte sich durch eine solche Nachmeldung die Zahl rechtsextremer Tötungsdelikte auf nunmehr 18. Die Antwort der Bundesregierung führt bundesweit 15 Tötungsdelikte auf, die bislang nicht als Morde mit einem menschenverachtenden Hintergrund eingestuft wurden. Neben den 75 vollendeten Tötungsdelikten listet das Dokument der Bundesregierung weiterhin 170 versuchte Tötungsdelikte auf, bei denen 142 Menschen verletzt wurden. Die mindestens 156 rechtsextremen Morde seit 1990 sind die Taten einer neonazistischen Gewaltszene, in der ungebrochen Gewalttaten auf einem hohen Niveau verübt werden. An der Spitze stand dabei in 2014 Brandenburg mit 2,98 rechtextremen Gewalttaten je 100.000 Einwohner, gefolgt von Berlin (2,81), Thüringen (2,27) und Mecklenburg-Vorpommern (2,19). Teil dieser Gewaltorgie sind die zunehmenden rassistischen Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. 2014 zählte die Polizei 150 solcher Attacken und damit dreimal so viel wie im Vorjahr, belegt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Petra Pau hatte die fremdenfeindlichen Pegida-Proteste für den Anstieg dieser Delikte verantwortlich gemacht.

Erklärung der FIR zum 70. Jahrestag der Potsdamer Konferenz

geschrieben von FIR

3. August 2015

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Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) erinnert an den 70. Jahrestag der Potsdamer Konferenz als Beginn einer neuen Periode des Zusammenlebens der Völker in Europa. Wie auf der Konferenz von Jalta beschlossen, definierten die Kräfte der Anti-Hitler-Koalition nach der militärischen Zerschlagung des deutschen Faschismus die Grundlagen für ein friedliches Nachkriegs-Europa. In der Potsdamer Konferenz (Ende Juli/ Anfang August 1945) formulierten die Unterhändler Großbritanniens, der Sowjetunion und der USA die Rahmenbedingungen jener europäischen Nachkriegsordnung, die dazu beitragen sollten, dass nie wieder Faschismus und Krieg von deutschem Boden ausgehen können.

Die Ziele waren die Vernichtung des militärischen Potenzials des deutschen Faschismus und Aufbau einer gesellschaftlichen Ordnung auf der Basis von Entnazifizierung, Entmilitarisierung, Entmonopolisierung und Demokratisierung. Dies entsprach auch dem Willen aller antifaschistischen Kräfte, die in ihren Ländern für die Befreiung vom Faschismus gekämpft hatten.

Geregelt wurde die territoriale Neuordnung in Mitteleuropa, insbesondere die Oder-Neiße-Linie als deutsche Ostgrenze. Festgelegt wurde auch die Umsiedlung von Teilen der Bevölkerung, was revanchistische Kreise insbesondere in Deutschland bis heute als „Vertreibung“ denunzieren.

Zum Abschluss der Verhandlungen unterzeichneten der britische Premierminister Attlee sowie der sowjetische Staatschef Stalin und der amerikanische Präsident Truman als Repräsentanten der Siegermächte dieses Dokument. Dieser Vertrag, dem später auch Frankreich beitrat, bildet bis heute das rechtliche Gerüst der europäischen Nachkriegsordnung.

Auch wenn man festhalten muss, dass – mit dem aufkommenden Kalten Krieg – wichtige Aspekte des antifaschistischen Neuanfangs insbesondere in den Westzonen nicht umgesetzt wurden, so bleibt für uns als internationale antifaschistische Organisation das Potsdamer Abkommen bis heute von herausragender Bedeutung. Denn es
• kennzeichnet den verbrecherischen Charakter der faschistischen Organisationen und Institutionen, wie er im Nürnberger Prozess auch juristisch nachgewiesen wurde,

• gewährleistet bis heute insbesondere die Unverletzlichkeit der polnischen Westgrenze,

• wehrt damit alle revanchistischen Ansprüche insbesondere gegenüber Polen und der tschechischen Republik ab,

• benennt zudem die Verantwortung der großen Industrie, der Banken und Konzerne im Deutschen Reich für die faschistischen Verbrechen und steht somit quer zu allen Versuchen der geschichtsrevisionistischen Umdeutung,

• definiert die Strukturen einer antifaschistisch-demokratischen Neuordnung in Deutschland,

• ist das Dokument der siegreichen Anti-Hitler-Koalition, die getragen war von den militärischen Einheiten der Armeen und dem antifaschistischen Befreiungskampf der Völker.

Die FIR und ihre Mitgliedsverbände verteidigen die Ideen des Potsdamer Abkommens gegen alle Ansätze des Wiedererstarkens von Faschismus und Antikommunismus insbesondere in mittel- und osteuropäischen Staaten und gegen alle Versuche, die Geschichte des zweiten Weltkriegs zu verfälschen, Hitler mit Stalin, Faschismus mit Sozialismus, die faschistischen Mörder und deren Opfer gleichzusetzen. Die Völker Europas, die – mehr als alle anderen – den Preis für den deutschen imperialistisch-faschistischen Krieg bezahlten, dürfen solche Verzerrung der Geschichte durch die Fälschung der geschichtlichen Fakten des Krieges nicht hinnehmen.

Die Erinnerung an das Potsdamer Abkommen ist für Antifaschisten eine Verpflichtung, dem Wiederaufleben von faschistischen Gruppen und Ideologien sowie allen Formen der Verfälschung der Geschichte des antifaschistischen Kampfes offensiv entgegenzutreten.

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

Geschichte verpflichtet: Bleiberecht für Roma – Abschiebestopp sofort!

geschrieben von Conny Kerth

3. August 2015

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Abschiebungen von Roma in die Nachfolgestaaten Jugoslawiens gehen unvermindert weiter. Trotz der Beschreibung der unerhörten Lebensumstände, die die Familien nach Berichten unabhängiger Berichterstatter dort erwarten, hat die Bundesregierung Mazedonien, Bosnien und Serbien bereits zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt, Kosovo soll folgen.

In diesen ethnisch begründeten Staaten, die auch mit erheblicher diplomatischer Unterstützung Deutschlands und zuletzt auch mit dem völkerrechtswidrigen Krieg unter deutscher Beteiligung entstanden sind, ist für Roma kein Platz. Stigmatisiert, ausgegrenzt und mittellos sich selbst überlassen, fehlt es ihnen dort an allem. Der weit verbreitete Antiziganismus macht es nahezu unmöglich Fuß zu fassen. Selbst physische Gewalt durch Polizei und Zivilisten ist an der Tagesordnung.

Dabei steht Deutschland gegenüber den Nachkommen der Opfer des Holocaust an geschätzten 500.000 Sinti und Roma in einer besonderen Pflicht.

Schon bei der Einweihung des Mahnmals für die ermordeten Sinti und Roma Europas 2012 in Berlin wurden diejenigen, die im Anschluss an die Rede der Bundeskanzlerin nach den Abschiebungen fragten, zurechtgewiesen, das sei „heute“ kein Thema . Welchen Sinn kann ein Mahnmal haben, wenn es für das Heute keine Bedeutung hat?

Nachkommen von jüdischen Holocaust-Opfern aus der zerfallenden Sowjetunion wurde wegen der Situation in den Nachfolgestaaten in den 1990er Jahren die Einreise und Niederlassung als Kontingent-Flüchtlinge erlaubt. Warum kann nicht für die Roma aus den Ex-jugoslawischen Staaten eine entsprechende Regelung geschaffen werden? Die historische Verpflichtung ist die gleiche.

Jetzt haben sich Betroffene in der Initiative „Romano Jekipe ano Hamburg“ zusammengeschlossen und werden in der nächsten Woche Mahnwachen vor der Ausländerbehörde durchführen und für ein Bleiberecht demonstrieren. Wir werden sie dabei nach Kräften unterstützen!

Einladung zur Vortrags- & Diskussionsveranstaltung „Gefährlich verankert – Neofaschismus in Mecklenburg-Vorpommern“ am 08.07.2015 in Rostock

29. Juni 2015

Mecklenburg-Vorpommern ist das einzige Bundesland, in dem die neofaschistische NPD im Landtag sitzt. MV gilt als Modellregion für die rechte Bewegung in der Bundesrepublik. Die Vorstellungen eines umweltverbundenen Lebens werden hier genauso ausprobiert wie die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit von Parteistrukturen und sogenannten „Freien Kräften“.

Wie ist die neofaschistische Szene im Nordosten Deutschlands konkret aufgestellt? Welche Strukturen gibt es und wie sind die Nazis organisiert? Welche Strategien verfolgen NPD und „Freie Kräfte“? Mit diesen und anderen Fragen wird sich die Veranstaltung am

8. Jui 2015 im Büro der LINKEN. Rostock (Kröpeliner Straße 24, Eingang Ecke Rungestraße) ab 18.45 Uhr (pünktlich!). Einlass ist 18.30 Uhr.

In nach einem ausführlichen Inputreferat (ca 90 Minuten) wird es die Möglichkeit zur Diskussion geben.

Eine Anmeldung ist erforderlich unter solid-rostock[ätt]systemausfall.org.

Hinweis: Bei Störungen der Veranstaltung wird ggf. Gebrauch vom Hausrecht gemacht.

Flucht aus Deportationszügen der Nazis

geschrieben von Axel Holz

31. Mai 2015

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Mehr als 750 Menschen flohen aus den Deportationszügen der Nazis, die Juden aus Belgien, Niederlande und Frankreich nach Auschwitz brachten.
Warum ließen sich die Juden widerstandslos zur Schlachtbank führen? Hinter dieser Frage steckt selbst ein Stück Antisemitismus, mit dem Juden nicht nur von den Nazis gern als falsch, verschlagen und feige gekennzeichnet werden. Dass das tatsächliche Verhalten der verfolgten Juden in der NS-Zeit lange nicht an die Öffentlichkeit kam, hat auch etwas mit verstecktem Antisemitismus zu tun. Tatsächlich emigrierte die Hälfte der deutschen Juden, als die Nazis ihre Rassegesetze und rassistischen Verordnungen umsetzten. In anderen europäischen Ländern schafften das deutlich weniger Menschen, da ihnen weniger Zeit zur Flucht blieb. Tausende Juden kämpften in den Reihen der Alliierten gegen die Nazis, in Partisanenverbänden und im Widerstand, wie die jüdische Widerstandsgruppe in Berlin um Herbert Baum. Selbst in den Vernichtungslagern Auschwitz und Sobibór fanden Aufstände gegen die völlig überlegenen Wacheinheiten statt.
Ein wenig bekanntes Kapitel des Widerstandes der Juden in Frankreich, Belgien und den Niederlande schreibt die Sozialwissenschaftlerin Tanja von Fransecky am Zentrum für Antisemitismusforschung der technischen Universität Berlin in ihrer veröffentlichen Promotion über „Flucht von Juden aus Deportationszügen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden“. Die Autorin arbeitet an der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin und erhielt für ihre Arbeit 2013 den Herbert-Steiner-Förderpreis.
Die Sozialwissenschaftlerin lernte Jahre zuvor den jüdischen Überlebenden Simon Gronowski kennen. Zusammen mit seiner Mutter war der Elfjährige 1943 aus dem 20. Deportationszug geflohen, der ihn vom Sammellager Mechelen in Belgien nach Auschwitz bringen sollte. Den Absprung vom Zug hatte er mit anderen Kindern in Mechelen geübt, indem sie im Lager von den dreistöckigen Hochbetten sprangen. Als der 20. Deportationszug die deutsche Grenze erreichte, waren insgesamt 232 Gefangene aus dem Wagen geflohen. Drei junge Männer hielten am 19. April diesen Deportationszug kurzeitig auf und befreiten 17 Menschen. Ausgerüstet mit einer Pistole und einer roten Sturmleuchte stoppten die Widerstandskämpfer Youra Livschitz, Jean Franklemon und Robert Maistriau den Todeszug, bis die überraschten Wachmannschaften das Feuer eröffneten. Andere Häftlinge hatten von dem Vorhaben gehört und Werkzeuge in den Transportwaggons versteckt. So konnten weitere 200 Häftlinge auf der Fahrt fliehen. Die Flüchtigen wurden verfolgt, 26 Häftlinge erschossen und 87 erneut verhaftet. 119 Deportierten gelang es zu entkommen, nicht zuletzt durch die Hilfe der belgischen Bevölkerung. Immerhin 40 Prozent der 65.000 Juden, die sich beim Überfall der Nazis auf Belgien im Lande befanden, wurden in belgischen Familien, auf Bauernhöfen und in Klöstern versteckt. Zahlreiche der verfolgten Juden waren selbst vorher in jüdischen Organisationen aktiv oder fanden den Weg in den Widerstand. Schon nach dem zweiten Deportationszug nach Auschwitz meldeten sich die in Belgien lebenden Juden nicht mehr bei den Sammelstellen und versuchten, unterzutauchen. Insgesamt konnte Tanja von Fransecky 577 Fluchten aus Deportationszügen in Belgien belegen, 155 in Frankreich und 29 in den Niederlanden.
Über die Fluchten, die aus fast allen Todeszügen erfolgten, war bisher wenig bekannt. Dafür gibt es gute Gründe. Für die Häftlinge waren die Transporte mit 50 bis 80 Personen in einem Wagon, mit wenig Wasser und Nahrungsmitteln und ohne sanitäre Anlagen, mit Gestank, Krankheit und Tod so traumatisch, dass die Überlebenden die schreckliche Fahrt in ihren Erinnerungen oft verdrängten. Außerdem standen die Fluchtwilligen vor einem moralischen Dilemma. Die Nazis hatten den Häftlingen angedroht, alle Personen des Waggons zu erschießen, wenn einzelnen Häftlinge fliehen sollte. Die Häftlinge wussten nicht, dass dies nur eine Drohung war. Die Häftlinge standen unter dem Druck, andere Häftlinge oder gar Verwandte in den Todeszügen zurücklassen zu müssen. In den Waggons spielten sich tragische Szenen ab, als einzelne Häftlinge oder Gruppen mit den Fluchtvorbereitungen mit Hilfe von eingeschleusten Werkzeugen begannen. In den Waggons brach nicht selten Panik aus. Die Fluchtgegner und Waggonältesten mussten gelegentlich überwältigt werden. Zahlreiche Häftlinge wagten die Flucht nicht oder waren zu alt oder zu schwach dafür. Außerdem waren mit der Flucht zahlreiche Gefahren verbunden, da die Flüchtenden nicht selten beim Absprung verletzt oder getötet wurden und die Wachmannschaften oder bewaffnete Bahnposten die Flüchtenden verfolgten, erschossen oder zurückführten. Tanja von Fransecky hat die situationsübergreifenden strukturellen Faktoren untersucht, die Fluchten ermöglichten oder behinderten. Sie hat damit ein bisher wenig bekanntes Kapitel der Judenverfolgung durch die Nazis in Europa offen gelegt, das die Flucht zahlreicher verfolgter Juden beschreibt, die die Naziverfolgung nicht hinnahmen und mit ihrer Flucht selbst Widerstand leisteten. Axel Holz

Literaturhinweis:
Tanja von Fransecky, Flucht von Juden aus Deportationszügen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden, Metropol-Verlag, Berlin 2014, 398 Seiten

Die Früchte des 8. Mai sind gefährdet

geschrieben von Axel Holz

11. Mai 2015

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Am 8. Mai wurde ganz Europa von der Geißel des Faschismus befreit. In Deutschland erlebten in erster Linie die überlebenden Verfolgten und Widerstandskämpfer_innen diesen Tag als Befreiung, aber auch Millionen Zwangsarbeiter_innen aus zahlreichen Ländern Europas. Auch wir heutigen Menschen in Europa verdanken den Siegern des 8. Mai die Grundlagen unseres Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt.
Die alliierten Streitkräfte, unter denen die Rote Armee mit Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu tragen hatte, sind und bleiben auch unsere Befreier. Mit besonderer Dankbarkeit erinnern wir an den Beitrag, den der deutsche antifaschistische Widerstand in Deutschland, in der Emigration, als Teil von Partisanenverbänden und in den Streitkräften der Anti-Hitler-Koalition geleistet hat.
Es bleibt zugleich eine Tatsache, dass die Deutschen nicht dazu fähig waren, sich selbst von der Nazityrannei zu befreien. Die Mehrheit der Deutschen hat das Ende der Nazi-Herrschaft dennoch als eine Befreiung vom Kriegsalltag, als das Ende von Not und Zerstörung erfahren. Auf unterschiedliche Art und Weise setzten sich Deutsche in Ost und West mit der Nazi-Ideologie auseinander. In diesem Prozess ist eine starke Zivilgesellschaft entstanden, die bereit ist, sich Nationalismus und Rassismus aktiv entgegenzustellen, der sich in Deutschland und Europa erneut breit macht.
Erinnert werden muss aber auch an die jahrzehntelange Verdrängung der deutschen Schuld an Eroberungskrieg und Völkermord in der BRD und an die bedenkenlose Übernahme ehemaliger Nazis in führende Positionen der westdeutschen Politik, Wirtschaft und Polizei, in Militär, Geheimdienste und Gerichte. Erst in jüngster Zeit wurde dieses Versagen beim Umgang mit dem Nazi-Erbe in zahlreichen Behörden wissenschaftlich aufgeklärt. Ich halte es für bemerkenswert, dass der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, auf dem Europäischen Gedenktag am 11. April in Weimar auch an dieses jahrzehntelange Versagen erinnert hat.
Mehr als 55 Millionen Menschen fielen Nazi-Terror, Holocaust und Vernichtungskrieg zum Opfer. Sie bezahlten den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit unvorstellbarem Leid und mit ihrem Leben. Einflussreiche politische Kreise, Banker und Industrielle hatten schon ab 1930 keine Bedenken, den Nazis die Macht zu übertragen. Vielmehr ermunterten Sie die Nazis, die Arbeiterbewegung zu zerschlagen und deren Ideen zu bekämpfen.
Das belegt ein Brief von einflussreichen Bankern und Industriellen aus dem Jahre 1932 an Reichskanzler Hindenburg mit der Bitte, Hitler die Macht zu übertragen.
Die deutsche Wirtschaft, allen voran Chemie- und Rüstungsindustrie und Banken waren schließlich die Gewinner von „Arisierung“, Krieg und der Ausbeutung von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeiter_innen. Diese Gewinne bildeten die Grundlage des „Wirtschaftswunders“ in der Bundesrepublik, während die Opfer um jede Mark Entschädigung kämpfen mussten und bis heute kämpfen müssen.
Ich erinnere daran, wie lange die Deutsche Bahn von einer moralischen Schuld sprach, sich aber vehement gegen eine Entschädigung der Opfer des Völkermordes wehrte, an dem die Bahn mit ihrer Logistik wesentlich beteiligt war. Als endlich nach dem Erinnerungs-Vorbild der französischen Staatsbahn SNCF der „Zug der Erinnerung“ auf deutschen Bahnhöfen hielt und an das System der Vernichtung erinnerte, dauerte es nicht lange, dass die Bahn für eine Fortführung des Projektes als Miete für die Waggons des Erinnerungszuges Geld forderte. Mit Empörung verurteilte die Auschwitzüberlebende Esther Bejerano seinerzeit diesen erneuten Versuch, die Opfer für Ihre Leiden zur Kasse zu bitten.
In nahezu allen ehemals von Nazi-Deutschland besetzten Ländern wurden der 8. und/oder 9. Mai gesetzliche Feiertage, auch im Osten Deutschlands. Genau 40 Jahre hat es gedauert, bis ein Präsident der Bundesrepublik an einem 8. Mai von Befreiung gesprochen hat. Bis dahin hatte die Sicht der Nazis, der Deutsch-Nationalen, der Profiteure und Mitläufer das offizielle Vokabular geprägt – Zusammenbruch, Kapitulation und Besatzung. Mit Richard von Weizsäckers Rede wurde die Perspektive der Verfolgten des Nazi-Regimes „gesellschaftsfähig“. Damit das so bleibt, fordern wir, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg endlich auch in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag wird. Unterstützen Sie deshalb bitte die Petition der „Initiative der Freunde der Völker Russlands“ auf der Homepage des Deutschen Bundestages für die Erklärung des 8. Mai zu einem deutschen Feiertag!
Wir müssen feststellen, dass in diesen Tagen in vielen regionalen Zeitungen häufig wieder vom Kriegsende die Rede ist, und das der Fokus auf die vom Krieg verursachte Not der Deutschen und die Übergriffe auf Deutsche nicht selten die Verbrechen der Nazis und die Ursachen des Nazi-Regimes verdecken. Das zeigt, dass die weltweit gelobte deutsche Erinnerungskultur im kritischen Umgang mit der Nazi-Geschichte doch noch nicht überall in Deutschland angekommen ist.
Ich erinnere heute auch daran, dass sich im Vorfeld der Nazi-Diktatur auch in den meisten demokratischen Parteien der Weimarer Republik Nationalismus breit gemacht hat. Fast alle Parteien waren antisemitisch beeinflusst und öffneten den Nazis damit die Tür für ihre Rasseideologie. Aus der Geschichte lernen heißt deshalb, nicht nur an die Opfer des Faschismus zu erinnern, sondern neuem Nationalismus und Rassismus in ganz Europa entschieden entgegenzutreten.
Wir wissen, dass die Früchte des 8. Mai stets gefährdet sind. Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus und Antiziganismus, Islamfeindlichkeit sind auf dem Vormarsch. Alle möglichen Ideologien zur Begründung sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben Konjunktur. Wir wissen auch, dass die soziale Spaltung der Gesellschaft ein Ausmaß erreicht hat, in dem die Angst vor dem Abstieg Anpassungsdruck und Ausgrenzungsbereitschaft erhöht.
Neben der faschistischen NPD finden in Deutschland Rechtspopulisten der PEGIDA und AfD zunehmend in Teilen der Bevölkerung Gehör, wie wir mit Erschrecken auf den Straßen Deutschlands feststellen müssen. Diese Versuche, die europäische Ordnung durch neuen Nationalismus zu begraben, erfordern unser aller Widerspruch und unseren Widerstand. Der rasante Aufstieg neofaschistischer und rechtspopulistischer Kräfte in nahezu allen europäischen Ländern verlangt entschiedene Gegenwehr.
Wir sehen mit Sorge, wie unbarmherzig unsere Gesellschaft Flüchtlingen gegenübertritt und gewaltsamen Übergriffen auf Ausländer und Migranten noch immer zu wenig entschlossen begegnet. Eine Lehre aus der Geschichte muss es sein, Asylsuchende in der Not nicht wieder abzuweisen und damit nicht wieder deren Tod in Kauf zu nehmen. Wir brauchen mehr Empathie für Menschen, die auf der Flucht sind vor Krieg und Not. Wir brauchen aber auch eine neue Weltwirtschaftsordnung, damit die Menschen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge eine menschenwürdige Lebensperspektive erhalten.
Es soll nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen. Das war die wichtigste Lehre aus der jüngeren deutschen Geschichte. Jahrzehntelang wurde dieser europäische Konsens auch in Deutschland anerkannt. Die Teilnahme Deutschlands an neuen Kriegen, wie im ehemaligen Jugoslawien oder in Afghanistan stellt einen eklatanten Bruch mit diesem Nachkriegskonsens dar. Es zeigte sich, dass ein angeblich drohender Völkermord im ehemaligen Jugoslawien eine willkommene Lüge war, mit der die NATO-Intervention begründet wurde. Auch im Afghanistan-Konflikt war bald von der “Verteidigung Deutschlands am Hindukusch“ die Rede.
In vielen Ländern der Welt, im Irak, in Syrien, in der Ukraine und in weiten Teilen Afrikas toben neue Kriege. Wieder sind deutsche Waffen – und oft auch deutsches Militär – beteiligt. Die Bereitschaft, „deutsche Interessen“ erneut mit militärischen Mitteln durchzusetzen ist gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung in Regierung und Bundestag wieder politische Praxis geworden.
Gerade darum wollen wir den Tag der Befreiung zum Feiertag machen – den Tag, mit dem die Überlebenden Opfer des Naziregimes so viel Hoffnung auf eine Welt in Frieden und Freiheit verknüpft hatten, wie es im Schwur der Buchenwaldhäftlinge heißt.
Wir wollen am 8. Mai vor allem an diese Hoffnung der Befreiten auf eine Welt ohne Kriege, Elend und Unterdrückung erinnern. Denn der Schwur der Buchenwaldhäftlinge ist nicht eingelöst, auch wenn SS-Schergen endlich von deutschen Gerichten nicht mehr geschützt, sondern zur Verantwortung gezogen werden.
Eine Welt des Friedens und der Freiheit gilt es noch einzulösen, so lange der erzielte Wohlstand der Menschen im reichen Europa noch durch Krieg und Armut in anderen Teilen der Welt erkauft wird.
In diesem Sinne rufen wir auf: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!

Rede des FIR-Generalsekrtärs Ulrich Schneider am 8. Mai 2015 in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz

geschrieben von Ulrich Schneider

11. Mai 2015

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Als Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer – Bund der Antifaschisten freue ich mich und bin stolz, dass dieses großartige Projekt der europäischen Jugendbegegnung unter der gemeinsamen Überschrift des historischen Gedenkens erneut stattfinden konnte. Es ist eine bedeutende Aktion zum 70. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg, der in vielen Ländern zurecht als „Tag des Sieges“ begangen wird, um die gemeinsame europäische Geschichte der Anti-Hitler-Kräfte zu begehen. Es waren die Streitkräfte der Alliierten – hier in Auschwitz die Einheiten der sowjetischen Armee –, die die militärische Zerschlagung der Wehrmacht und ihrer Verbündeten erreicht haben. Dafür danken wir ihnen. Es waren aber in allen europäischen Ländern und auch in Italien und Deutschland Frauen und Männer, die Widerstand gegen den Faschismus an der Macht organisierten und damit ihren eigenen Beitrag zur Befreiung leisteten. Auch ihnen gebührt unser Dank. Es ist an uns – die Vertreter der heutigen Generationen –, mit dieser Aktion von den letzten Überlebenden der Zeitzeugengeneration die Verantwortung zu übernehmen für die Bewahrung der Erinnerung. Wir – und insbesondere ihr als Nachgeborenen – sollten dieses Wissen, was ihr heute und in Vorbereitung dieser Fahrt euch angeeignet habt, nicht nur für euch behalten, sondern an Freunde, Bekannte oder in der Schule weitergeben. Auschwitz ist das internationale Symbol der rassistischen Vernichtungspolitik, die sich gegen jüdische Menschen, gegen Sinti und Roma, gegen die slawischen Völker, die als Untermenschen angesehen wurden, richtete. Sie wurden auch hier in Auschwitz vernichtet durch Gas und andere Massenvernichtung, aber auch durch die Ausplünderung ihrer Arbeitskraft für den Profit zum Beispiel des IG Farben-Konzerns. All das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir verhindern wollen, dass sich so etwas jemals wiederholt. Doch wir können nicht nur erinnern, sondern wir müssen auch feststellen, dass heute Neufaschismus, Rassismus, Xenophobie und Rechtspopulismus in verschiedenen europäischen Ländern wieder ihr Haupt erheben. Viele von euch kennen aus den eigenen Ländern solche neofaschistischen Gruppen und Bewegungen. Selbst im Europäischen Parlament sind diese Kräfte vertreten. Die Ursachen für deren Aufschwung sind unterschiedlich. Es sind reale politische und wirtschaftliche Probleme in zahlreichen europäischen Ländern, auf die solche Gruppen rassistische, nationalistische und extrem rechte Antworten geben. Wenn wir dieses sehen, müssen wir gemeinsam Lösungen suchen, die die wirklichen Ursachen dieser Probleme bekämpfen, und dürfen nicht den falschen Antworten und Rattenfängern nachlaufen. Für uns bleibt die Losung aktuell: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Heute gedenken wir hier in Auschwitz. Morgen werdet ihr in euren Alltag zurückkehren – mit dem Wissen und den Erfahrungen, die ihr bei diesem großartigen Treffen habt sammeln können. Nehmt diese Kraft mit und engagiert euch bei euch zuhause, in eurem Umfeld für die Ziele einer gerechten, einer sozialen, einer demokratischen Welt. Die Überlebenden der Konzentrationslager haben vor 70 Jahren geschworen, erst Ruhe zu geben, wenn der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, die Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel!“ Sie, die Überlebenden der faschistischen Konzentrationslager und Haftstätten, werden es nicht mehr verwirklichen können. Nun wird es auf euch, liebe Jugendliche, ankommen, das Vermächtnis zu übernehmen und daran zu arbeiten. Wir, und da spreche ich im Namen aller gut 60 Mitgliedsverbände der FIR aus 25 europäischen Ländern, Israel und Lateinamerika, zählen auf euch.

Rede zum Start der Tour de Liberation von Rostock nach Demmin

8. Mai 2015

Liebe Freunde,
ihr macht euch gleich auf den Weg nach Demmin, in die Stadt Mecklenburgs, die für ein besonders grausiges Geschehen in den Maitagen 1945 bekannt ist. Dort brachten sich nicht nur kommunale Nazigrößen, die nicht rechtzeitig nach Westen geflohen waren um, sondern auch viele gering belastete Einwohner, die auch Frauen und Kinder mit in den Tod nahmen.
Es ist das Bestreben der meisten heutigen Meinungsmacher, den sowjetischen Soldaten dafür eine Mitschuld zu geben. Die Vorgeschichte gerät dabei üblicherweise etwas kurz. Ja, die Schuld am 2. Weltkrieg wird oft allein auf Hitler geschoben, einem angeblich Wahnsinnigen. Der 2. Weltkrieg ist aber nicht ohne die deutsche Vorgeschichte zu begreifen.
Deutschland war spätestens seit Preußens Aufstieg militaristisch geprägt. Es ging immer um Macht, Einfluss und materiellen Gewinn, der auch Gebietsgewinn einschloss. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fühlten sich die Herrschenden in Deutschland zu kurz gekommen bei der Aufteilung der Welt unter den Kolonialmächten, allen voran Großbritannien und Frankreich. Der angeblich durch Bündnistreue erzwungene Eintritt des Deutschen Reiches in den 1. Weltkrieg, war nichts anderes als der Wille und die scheinbare Gelegenheit zu Eroberungen im Westen und im Osten. Das ging gründlich schief, doch seltsam, der deutsche Friedensheld Liebknecht wird noch heute verleumdet, während Hindenburg, dem der Krieg wie eine Badekur bekam, noch heute allen Versuchen der Partei DIE LINKE. zum Trotz in Berlin weiter Ehrenbürger bleibt.
Die Versager Hindenburg und Ludendorff blieben nach 10 Millionen Toten dennoch geehrt im Deutschland der Weimarer Republik, die nicht nur den preußischen Militarismus weiterleben ließ, sondern auch die Rechte der Frauen und der Arbeiter weitgehend beschnitt und über Industrie, Großgrundbesitzer und Presse, die Menschen gegen ihre eigenen Interessen tätig werden ließ, und nicht in der Lage war, eine Wirtschaft zu organisieren, die den Menschen Arbeit und Brot gab.
Das Elend der Massen nutzten die Wirtschaftskonzerne, ob IG Farben, Thyssen oder Krupp, ein autoritäres Regime zu installieren. Hitler und seine NSDAP waren ihre Vollstrecker und die Militärs waren wild darauf versessen, die Scharte von 1914-1918 auszuwetzen. Dank der Westmächte konnten die Nazis mit dem deutschen Militär die Tschechoslowakei von der Landkarte tilgen. Auch Polen und Ungarn beteiligten sich an der Aufteilung. Auf die Angebote der Sowjetunion an die Westmächte die Tschechoslowakei zu schützen, ging man nicht ein. So kam es danach zum Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion, den die Westmächte durch ihre feindliche Haltung zur SU verschuldeten.
Die Sowjetunion tat nichts weiter, als die Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen, die bereits zum Zarenreich bis 1917 gehört hatten und im Frieden von Brest-Litowsk aufgegeben werden mussten, weil Lenin den bedingungslosen Frieden suchte.
Die deutsche Wehrmacht führte in der Sowjetunion einen unvorstellbar grausamen Vernichtungskrieg. Was auf dem Vormarsch nicht in Schutt und Asche gelegt worden war, zerstörte man auf dem Rückweg. Neueste Zahlen sprechen von 28 Millionen Toten Sowjetbürgern, in der Mehrzahl Russen. Das ist mehr als die Einwohnerzahl der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs zusammengenommen.
Wenn die Militärs heute den SS-Divisionen die Hauptschuld zuschieben, dann darf man wohl fragen, warum die angeblich so ehrenwerten Wehrmachtsgeneräle die Mörderbanden gegen Juden und Kommunisten, gegen den jüdischen Bolschewismus, so wüten ließen. Ja, unser Held seit den sechziger Jahren, davor galt er als Verbrecher, von Stauffenberg, war auch Antisemit.
Am 1. Mai, vor 70 Jahren, befreite die Sowjetarmee unter Gardekapitän Semjon Dmitrewski unsere Heimatstadt. Für viele Einwohner war dieser Tag ein Tag der Niederlage und der nationalen Schmach. Für die über 2000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen aus ganz Europa aber, die gezwungen worden waren, in den Heinkelschen Rüstungsbetrieben in Rostock zu arbeiten, und auch für zahlreiche Rostockerinnen und Rostocker, vor allem die am Leben gebliebenen Sozial-demokraten, Kommunisten und echten Christen, war es der Tag der Befreiung.
Es ist darauf zu verweisen, dass ein Drittel der mecklenburgischen Pfarrer der NSDAP angehörten, Ihr Anteil war also weit höher als der in den anderen Bevölkerungsteilen, aber selbst die sogenannte Bekennende Kirche stand politisch dem Naziregime nicht kritisch gegenüber, wie sie nach 1945 selbst betonte, solange dieses die Interessen der Kirche nicht beeinträchtigte. Nur wenige Kirchenvertreter wirkten zu Kriegsende deeskalierend und nahmen Einfluss auf ihre Mitglieder. Auch das dürfte ein entscheidender Grund für die Massensuizide in Demmin gewesen sein, wo sich die Hasspropaganda der Nazis gegen den jüdischen Sowjetbolschewismus so extrem niederschlug. Christen lehnen Selbsttötungen doch gemeinhin ab.
Die Rote Armee kam als Befreier nach Deutschland, nicht als Vernichter und Zerstörer, doch der sinnlose Widerstand der Nazibarbaren noch in den letzten Kriegstagen, die sich nicht scheuten, auch 14-jährige in den Kampf zu schicken und aus dem Hinterhalt sowjetische Soldaten töten ließen, erzeugte, wie jedem normal empfindenden Menschen verständlich sein muss, auch Hass.
Rache ist da verständlich, wenn auch nicht entschuldbar.
Besten Dank für ihre und eure Geduld
Günter Althaus

Buchvorstellung und Diskussion „GEFÄHRLICH VERANKERT“ mit Andrea Röpke

7. Mai 2015

Buchvorstellung und Diskussion „GEFÄHRLICH VERANKERT- Rechtsextreme Graswurzelarbeit, Strategien und neue Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern“ mit Andrea Röpke

Im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat die NPD seit ihrem Einzug 2006 parlamentarisch niemals Fuß fassen können. Die Geschlossenheit der demokratischen Fraktionen im Kampf gegen deren rechtsextremistisches Gedankengut hat die NPD sichtlich zermürbt. Deren Abgeordnete fallen vielmehr durch Pöbeleien, Beleidigungen und weitere Provokationen auf.

Allerdings haben sich in Mecklenburg-Vorpommern abseits davon in den letzten Jahren nebulöse Strukturen und Verbindungen entwickelt, die erst beim genaueren Hinsehen ihren rechtsextremistischen Charakter offenbaren.

Diese neuen Netzwerke sind in vielfältiger Hinsicht Teil der Alltagswelt geworden: in der Nachbarschaft, im Verein, in der Schule oder in der Geschäftswelt. Die Journalistin und Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke ermöglicht mit diesem faktenreichen Buch einen tiefen Blick in den braunen Sumpf.

Andrea Röpke – Jahrgang 1965, Politologin und freie Journalistin, Spezialgebiet: Rechtsextremismus, Veröffentlichung ihrer aufwendigen Inside-Recherchen im Neonazi-Milieu in Fernsehmagazinen, in der taz und bei SüddeutscheZeitung-Online sowie in Fachportalen wie Blick nach rechts.

Wann? 12.05.2015

Wo? Tikozigalpa (Dr.-Leber-Straße 38 in Wismar)

Einlass: 18.30 Uhr (Beginn ist 19 Uhr)

Gefördert durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern

Rede zur Eröffnung des 50. Sachsenhausen-Gedenklaufes 2015 in Schwerin

geschrieben von Axel Holz

3. Mai 2015

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In diesem Jahr begehen wir hier in Schwerin zwei Jubiläen – den 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und den 50. Sachsenhausen-Gedenklauf. Diese beiden Jubiläen sprechen für eine eigene Geschichte des Gedenkens.
Am 2. Mai 1945 wurden in Rabensteinfeld an der Stöhr tausende Häftlinge der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück auf ihren Todesmarsch in Richtung Ostsee befreit – von amerikanischen Truppen, die Schwerin besetzten und von sowjetischen Verbänden, die aus Osten in Richtung Schwerin vorstießen. Noch in den letzten Tagen ihres Todesmarsches waren hunderte Häftlinge in den umliegenden Wäldern von SS-Einheiten ermordet worden, darunter am Vorabend der Befreiung im anliegenden Wald der KPD-Reichstagsabgeordnete Karl Perlemann. Insgesamt 6.000 Häftlinge des Todesmarsches hatten die Befreiung nicht erleben könne, weil sie unterwegs von ihren Bewachern erschossen oder erschlagen wurden, weil sie vor Hunger an Entkräftung oder an Krankheiten starben.
50 Jahre Sachsenhausen-Gedenklauf – das ist ein Jubiläum, das in Schwerin kontinuierliche Traditionspflege zum Gedenken an die Opfer und an die Ursachen des Nazi-Regimes über Systemgrenzen hinweg zeigt. War das Gedenken in der DDR auch zunehmend erstarrt und waren auch hier einzelne Opfergruppen jahrzehntelang aus dem Gedenken ausgeschlossen gewesen – so hatte der Begriff der Befreiung vom Faschismus doch für jeden eine klare Bedeutung. Ein mörderisches Regime fand 1945 sein Ende, das in einem Eroberungs- und Vernichtungskrieg 65 Millionen Tote, unendliches Leid und Zerstörung über ganz Europa gebracht hatte. 1945 wurden hunderttausende überlebende Häftlinge, Millionen Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter befreit.
Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung war kriegsmüde und wurde mit der Besetzung Deutschlands durch die Alliierten vom Kriegsgeschehen und weiterem Leid befreit. Schließlich wurden die Mehrheit der Deutschen über einen längeren und unterschiedlichen Prozess in Ost und West schrittweise von der Nazi-Ideologie befreit. Zu Recht sind wir deshalb mit dem Begriff der Befreiung vom Faschismus aufgewachsen. Es dauerte noch 40 Jahre, bis auch in Westdeutschland Bundespräsident von Weizsäcker 1985 an den 8. Mai als einen Tag der Befreiung von einem mörderischen Regime erinnerte.

Heute ist es wieder üblich vom Kriegsende zu reden. Die Zeitungen sind voll davon. Neben dem Leid der deutschen Zivilbevölkerung und den Vergewaltigungen durch sowjetische und andere alliierte Soldaten ist manchmal kaum noch etwas von den Ursachen des Krieges und den Opfern des Nazi-Regimes zu hören, wenn nicht gerade eine Gedenkstätte in den Fokus gerät.
Wir sollten deshalb heute, 70 Jahre nach der Befreiung vom Nazi-Regime daran erinnern, dass einflussreiche interessierte politische Kreise, Banker und Industrielle schon ab 1930 keine Bedenken hatten, den Nazis die Macht zu übertragen. Für die von den Nazis angekündigte Zerschlagung der Arbeiterbewegung und deren Ideen nahmen sie eine Diktatur widerspruchslos in Kauf. Das belegt ein Brief von einflussreichen Bankern und Industriellen aus dem Jahre 1932 an Reichskanzler Hindenburg mit der Bitte, Hitler die Macht zu übertragen. Aber auch in den meisten demokratischen Parteien der Weimarer Republik hatte sich Nationalismus breit gemacht. Fast alle Parteien waren antisemitisch beeinflusst und öffneten den Nazis damit die Tür für ihre Rasseideologie.
Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes bedeutet deshalb heute – 70 Jahre nach der Befreiung – nicht nur Erinnerung an die Nazi-Zeit und an seine Opfer. Es bedeutet vor allem, dem neuen Nationalismus und Rassismus in ganz Europa entgegenzutreten, der sich zunehmend breit macht. Leider haben schon wieder 40 Prozent der Deutschen rassistische Vorurteile gegenüber Ausländern und Migranten, wie eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung seit über 10 Jahren kontinuierlich zeigt. Daran knüpfen neue Nazis und Rechtspopulisten von AfD und PEGIDA erfolgreich an, wie wir mit Erschrecken auf den Straßen Deutschlands sehen können. Deshalb gilt heute Bertholt Brechts Wort nicht weniger als vor 70 Jahren – wehret den Anfängen, denn der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!

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