Opferverband kritisiert beschlossenen Text der Gedenkplakette am Wismarer Rathaus

geschrieben von VVN-BdA MV e.V.

25. Juni 2023

Presseinformation

Mit Sorge und Entsetzen nehmen wir zur Kenntnis, dass offenbar die Mehrheit der Mitglieder des Wismarer Bürgerschaft nicht an einem adäquaten Gedenken an die Opfer der des NS-Regimes gelegen ist.

Der Beschluss über den von der CDU-Fraktion eingebrachten und schließlich beschlossenen Text – Gedenktafel am Wismarer Rathaus – relativiert unumwunden die Verbrechen der Nationalsozialisten, darunter den millionenfachen Mord an jüdischen Menschen und an vielen anderen Opfergruppen.

Mit der Gleichsetzung der Nazi-Verbrechen mit den Verbrechen anderer Diktaturen wird nicht nur die deutsche Schuld sondern auch der Charakter des Nazi-Regimes, des Holocaust in Europa und des Eroberungs- und Vernichtungskrieges der Nazis relativiert. Für das Gedenken an die Opfer anderer Diktaturen sollten auch andere Formen des Gedenkens gefunden werden.

Dies ist besonders fatal, weil in der Bundesrepublik Deutschland das Gedenken an die Opfer der Faschismus über Jahrzehnte unterblieb oder einseitig erfolgte, die Verfolgung der Nazi-Verbrechen lange behindert, zahlreiche Opfergruppen viele Jahre lang nicht anerkannt oder erneut diskriminiert wurden und die Einzigartigkeit der industriellen Vernichtung der europäischen jüdischen Bevölkerung und des Vernichtungskrieges der Nazis lange relativiert wurden.

Es ist bezeichnend, dass Bundespräsident von Weizsäcker erst über vierzig Jahre nach Kriegsende von der Befreiung vom Nazismus sprechen konnte, nur wenige Jahre zuvor die Verbrechen der Wehrmacht mit dem Märchen vom Präventivkrieg im Historikerstreit, von der deutschen Regierung unwidersprochen, relativiert wurden und der Charakter der Nazi-Herrschaft und des Nazi-Krieges in Frage gestellt wurden.

Diese Unkultur der Relativierung der Nazi-Verbrechen wird nun mit der gewählten Formulierung einer Gedenktafel in Wismar bedauerlicherweise fortgesetzt. Dieser Beschluss der Bürgerschaft sollte zurückgenommen und korrigiert werden. Nicht erwähnt wird zudem die Mitverantwortung demokratischer Parteien, wie der des katholischen Zentrums, für die Machtübertragung an die Nazis.

Gerade hieraus ergibt sich heute die besondere historische Verantwortung der demokratischen Parteien für die Verteidigung der Demokratie gegen jeglichen Nationalismus und Rassismus sowie gegen die Versuche der heutigen Feinde der Demokratie, die Demokratie verächtlich zu machen. Das sollte die Botschaft einer solchen Gedenktafel für die Gegenwart und Zukunft sein.