Neofaschistische Provokationen rund um die Befreiungstage

14. Mai 2021

Während in allen Teilen Europas die Befreiung der Konzentrationslager und die Befreiung der vom deutschen Faschismus okkupierten Länder und damit die militärische Zerschlagung der faschistischen Barbarei gefeiert wurde, musste man gleichzeitig in verschiedenen Ländern neofaschistische Provokationen erleben, die deutlich machen, dass die Gefahr des Wiederauflebens des Faschismus nicht gebannt ist.

Skandalös sind die Vorgänge in der Ukraine. Mehrere hundert Menschen marschierten Ende April durch die ukrainische Hauptstadt Kiew, um der Gründung der Waffen-SS-Division Galizien am 28. April 1943 zu gedenken. Mit SS-Symbolen, Flaggen der Ukraine, Blumen und Fahnen von Freiwilligenverbänden zogen die Teilnehmer zum Maidan. Auf dem Weg dorthin, entrollten sie ein überdimensionales Banner. Für ihre Sicherheit sorgte die Polizei, die einen Teil der Demonstrationsroute für den Verkehr gesperrt hatte. Die ukrainischen Neofaschisten vom rechten Sektor und anderen Gruppen betrachten die SS-Division als Vorbild für ihre antirussische und nationalistische Propaganda.

Auch in Italien glaubten Anhänger des Faschistenführers Benito Mussolini in der norditalienischen Stadt Dongo, wo der Diktator 1945 erschossen wurde, am 2. Mai einen entsprechenden Aufmarsch zur Verherrlichung der Mussolini-Tradition begehen zu können. Zwar organisierten ANPI und andere Antifaschisten öffentliche Proteste in der Region Como, aber die Polizei sicherte den Aufmarsch zu Ehren von Mussolini, bei dem auch der faschistische Gruß öffentlich gezeigt wurde. Zwei Tage später marschierten 800 Neofaschisten in Mailand auf, um an ihren verstorbenen „Helden“ Sergio Ramelli zu erinnern. Zwar hatte die Stadtverwaltung den von Casa Pound und Forza Nuova geplanten Aufmarsch offiziell verboten, dennoch versammelten sich die Rechten an dem traditionellen Gedenkort, zeigten den faschistischen Gruß und skandierten das Ritual, den Namen von Ramelli aufzurufen, und die Teilnehmer antworten mit „anwesend“. 

Dramatisch sind außerdem die Ergebnisse der vorgezogenen Kommunalwahl in der spanischen Hauptstadt Madrid, die faktisch einen massiven Rechtsruck bedeuten. Die franquistische Rechtspartei Partido Popular, deren Spitzenkandidatin zur äußersten Rechten in ihrer Partei gezählt wird, konnte die Verluste bei den letzten Kommunalwahlen weitgehend ausgleichen und fast 50% der Mandate erringen. Sie hat bereits angekündigt, mit der offen faschistischen Partei VOX koalieren zu wollen, die ebenfalls etwa 10 % der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte. Damit hat in Spanien ein deutlicher Rechtsruck stattgefunden. Antifaschisten Spaniens sehen in diesem Wahlergebnis auch eine Bedrohung der linken Zentralregierung,

Versuche neofaschistischer Kleinparteien in Deutschland, den 1. Mai, den Kampftag der Arbeiterbewegung mit provokativen Aufmärschen für ihre sozialdemagogische Propaganda zu missbrauchen, scheiterten in diesem Jahr kläglich. Bis auf wenige Kleinstaktionen fielen sämtliche geplanten Aufmärsche ins Wasser, entweder wurden sie wegen Corona-Einschränkungen untersagt oder der Widerstand antifaschistischer Kräfte war so groß, dass sie mit ihren Aktionen nicht zum Zuge kamen.

Diese Situationsbeschreibung könnte man durch weitere Schlaglichter aus anderen europäischen Ländern ergänzen. Das macht deutlich, dass unsere Feiern zum Tag der Befreiung/ Tag des Sieges zwar ein wichtiges und richtiges Signal darstellten, der alltägliche Kampf gegen die Rechtsentwicklung in Europa aber weitergehen muss. Und wenn man die aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in Kolumbien, Brasilien und auch Chile betrachtet, die aus europäischer Perspektive oftmals ausgeblendet werden, dann sehen wir die Gefahr extrem rechter Machtansprüche auch 76 Jahre nach der Zerschlagung der faschistischen Barbarei. Antifaschistische Gegenwehr bleibt nötig, die FIR und ihre Mitgliedsverbände haben auch in Zukunft große Aufgaben vor sich.