Frühzeitige Nazi-Machtbeteiligung

geschrieben von Joachim Aust

14. Oktober 2020

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Eine wichtige Lehre aus dem deutschen Faschismus ist der Prozess seiner Herausbildung innerhalb der Demokratie. Damit verbunden war die frühzeitige Tolerierung und Machtbeteiligung der Nazis ab 1929.

Bei der sächsischen Landtagswahl am 12.05.1929 erhöhte die NSDAP ihrer Mandatszahl von zwei auf fünf. Mit Hilfe der NSDAP, die eine rechtsbürgerliche Regierung tolerierte, stellte künftig die DVP den sächsischen Ministerpräsidenten. Am 23.06.1929 errang die NSDAP bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Schwerin  zwei Mandate und konnte mit 4,1 Prozent der abgegeben Stimmen ihren Wähleranteil mehr als verdoppeln. Neben Gauleiter Hildebrandt waren nun mit dem Rechtsanwalt Friedrich Steinfatt der Schweriner Ortsgruppenleiter und der Rechtsvertreter der Gauleitung im Landtag vertreten. Die übrigen Parteien konnten allein keine Landesregierung bilden. In den folgenden Tagen erhandelte die NSDAP-Gau-Leitung eine Tolerierungsvereinbarung, nach der am 10.07.1929 der Rittergutsbesitzer Karl Eschenburg (DNVP) als Chef einer Minderheitsregierung zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Wie von der NSDAP Mecklenburg-Lübeck verlangt, wurden daraufhin am 15.09.1929 fünf verurteilte Feme-Mörder aus der Haft entlassen.

Am  01.09.1929 verübten Mitglieder der „Landvolkbewegung“ als Organisation schleswig-holsteinischer Bauern, die 1928 nach Bauernprotesten gegen deren zunehmende Verelendung entstanden, eine Bombenanschlag gegen den Reichstag – mit Unterstützung von Rechts-Terroristen aus den ehemalige Freikorps. Ein Korruptionsskandal, in den neben dem Berliner Oberbürgermeister Böß (DDP) auch SPD-Vertreter verwickelt waren, nutzen die Nazis im September 1929, um gegen die angeblich käuflichen Bonzen und deren Republik zu agitieren.

Schließlich sorgte der Börsencrash mit dem schwarzen Freitag im Oktober 1929 zum Zusammenbruch der Aktienkurse in New York und die weltweiten Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu einer Verschärfung der beginnenden Wirtschafts- zur Weltwirtschaftskrise. Davon war die deutsche Wirtschaft besonders betroffen. Zu den Reparationsleistungen aus dem 1. Weltkrieg kam nun der Mangel an Devisen zum Einkauf der dringend benötigten Rohstoffe. Damit brachen kleine, mittlere und große Unternehmen und Banken zusammen. Die beginnende Massenarbeitslosigkeit konnte durch die Sozialbereiche des Staates weder aufgefangen noch in ihrer katastrophalen Wirkung begrenzt werden. Die nachlassende Kaufkraft schwächte den Binnenmarkt. Die Landwirtschaft, in der bereits zuvor Krisenzeichen erkennbar waren, wurde massiv in die Krise hineingerissen. Zurückgehende Steuern führten zu einer ständig nachlassenden Fähigkeit des Staates, seinen Aufgaben gerecht zu werden. Aus der Wirtschaftskrise wurde eine Staats- und Gesellschaftskrise.

Die Nazis nutzen das für Ihre Propaganda. Sie beschrieben die Krise, nannten als einzige Ursache das „Weimarer System“ und suggerierten den Menschen, die NS-Machtergreifung, die „Reinigung des Staates“ von den Marxisten, „Novemberverbrechern“ und Juden, der Aufbau eines starken, wehrhaften Staates würden „Arbeit und Brot“ schaffen. So lautete auch die zentrale NS-Losung in diesen Jahren in allen Wahlkämpfen, bei allen ihren politischen Veranstaltungen. Zugleich wurde den Bauern, die auf Grund von Krise und Steuerlast ihre Betriebe überschulden mussten, die „Brechung der Zinsknechtschaft“ versprochen. Zur Gewinnung der Großgrundbesitzer hatte man die bisherige NS-Forderung nach einer Bodenreform nun für unrechtmäßig erworbenen oder schlecht verwalteten Grundbesitz umgeschrieben. Den Händlern wurde die Beseitigung der großen Warenhäuser versprochen. Ein konkretes, nachvollziehbares Wirtschaftsprogramm wurde den Deutschen von den Nazis nie vorgestellt. Die Menschen sollten an den „Führer“ glauben. Für die Gegner und die Zweifler kamen die Schläger- und Mördertrupps von SA und SS zum Einsatz.

Die NSDAP und ihre Organisationen wurden erheblich von deutschen Großunternehmern finanziert, wie Emil Kirdorf, Fritz Thyssen, Albert Voegler sowie Bankiers wie Baron Kurt von Schroeder, die in den Nazis das kleinere Übel gegenüber einer möglichen kommunistischen Machtergreifung sahen. Ihnen hatte Hitler in diesen Jahren glaubhaft versichert, dass weder das Wort „sozialistisch“ noch das von der „Arbeiterpartei“ ernst gemeint seien. Die sich enorm verschlechternde Lebenslage und die große Zukunftsangst angesichts von drei Millionen Arbeitslosen begünstigte bei breiten Volksmassen den ständig zunehmenden Einfluss der Rechtsradikalen. Insbesondere die NSDAP hatte nun wachsende Mitgliederzahlen und deutlich zunehmende Mandatsgewinne bei den folgenden Wahlen zu verzeichnen. Mehr als 16.000 Menschen drängten am 10.09.1930 zum Berliner Sportplast, um Hitlers Rede gegen „Hochfinanz und Kapitalismus“ zu hören. Bei der Reichstagswahl knapp zweieinhalb Jahre zuvor war seine Partei mit 2,6 Prozent noch weit abgeschlagen gewesen. Jetzt hatte er ein leichtes Spiel, wenn er gegen die „politischen, wirtschaftlichen und moralischen Bankrotteure“ wetterte. Der Weg zur legalen Machtübernahme im Januar 1933 war geebnet.