Argumente für ein AfD-Verbot

geschrieben von Axel Holz

26. Januar 2024

Die AfD verletzt systematisch Grundrechte, insbesondere gegenüber Minderheiten, zielt auf die Abschaffung demokratischer Rechte, vertritt neonazistische Auffassungen und besitzt das Potential, ihre Auffassungen auf parlamentarischem Weg durchzusetzen. Es droht die Unterwanderung demokratischer Institutionen und perspektivisch die Abschaffung der Demokratie. Diese Gründe sollten ausreichen, das schärfte Schwert der Verfassung, ein Parteienverbot, gegenüber der AfD anzuwenden.

Tatsächlich sind erst zwei Parteien in der Geschichte der BRD verboten worden – die neonazistische Sozialistische Reichspartei und die Kommunistische Partei Deutschlands. Vier weitere Verbotsverfahren sind gescheitert. In zwei Fällen wurde der Parteienstatus nicht anerkannt und ein Verbot durch das Innenministerium gegenüber Vereinen ausgesprochen. Das betrifft die „Freiheitliche Arbeiterpartei“ (FAP)  und die Hamburger „Nationale Liste“. Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte, weil V-Leute teils Jahrzehnte in der NPD wirkten, einige während des laufenden Verbotsverfahrens tätig waren, im Verbotsantrag sogar zitiert wurden und diese Verbindung zum Staat auch nicht im Antrag offengelegt wurde. Die Karlsruher Richter sahen darin ein dauerhaftes Verfahrenshindernis. In einem zweiten Verfahren wurde die NPD ebenfalls nicht verboten. Zwar wurde ihr völkisch-rassistischer Charakter offengelegt und richterlich bestätigt, der „auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlostelllung von Ausländern, Migranten, Muslimen, Juden und anderen gesellschaftlichen Gruppen gerichtet“ sei. V-Leute auf der Führungsebene waren rechtzeitig vor dem Verfahren abgeschaltet worden und die dem Verbotsverfahren zu Grunde liegenden Materialien stammten auch nicht von ihnen. Dennoch wurde die Partei nicht verboten, weil sie als zu unbedeutend eingeschätzt wurde. Gerade dieses Urteil erhöht aber die Erfolgschancen eines AfD-Verbots, denn alle angeführten Gründe betreffen auch die AfD. Nur unbedeutend ist sie eben nicht. Sie ist im Bundestag, in fast allen Länderparlamenten,  in hunderten kreisfreien Städten, Landkreisen und Gemeinden vertreten. Das Argument, dass rechtes Gedankengut mit einem Verbot nicht verschwände ist nicht tragfähig, weil dies nicht das Ziel des Parteienverbots ist. Es soll der betreffenden Partei die Aktionsfähigkeit zur Unterminierung und schließlich Abschaffung der parlamentarischen Demokratie nehmen oder diese erheblich einschränken.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte vom Frühsommer 2023 belegt, dass ein AfD-Verbot möglich ist. Es legt dar, dass die nationalvölkische Programmatik der AfD der NPD in keiner Weise nachsteht. In der jüngsten Listenaufstellung zur EU-Wahl finden sich überwiegend Kandidaten mit Positionen des neonazistischen Flügels, der sich trotz formaler Auflösung zumindest in den ostdeutschen Bundesländern durchgesetzt hat. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich bestätigt diese Denk- und Sprechweise im Bundestag mit seiner Ankündigung einer „millionenfachen Remigration“. Die AfD besitzt zudem die Möglichkeit des Erfolges (Potentialität) und eine starke Wirkkraft in der Gesellschaft. Aus ihrer Präsenz im Bundestag, den Landtagen und Kommunen ergeben sich für die AfD systematisch Möglichkeiten der Selbstverharmlosung und Gewöhnung in der Gesellschaft. Es besteht die akute Gefahr der Unterminierung demokratischer Institutionen, etwa durch die Wahl des Mitarbeiters eines AfD-Angeordneten in Baden-Württemberg zum stellvertretenden Mitglied des Verfassungsgerichts. Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes zielt darauf ab, frühzeitig die Möglichkeit des Vorgehens gegen verfassungsfeindliche Kräfte zu eröffnen, bevor die betreffende Partei bereits eine zu starke Stellung erlangt hat.

Die Gefahr, dass das AfD-Verbot vor dem Europäischen Gerichtshof nicht bestehen sollte, ist eher niedrig. Denn die Kriterien für ein Parteienverbot sind in der EU bei weitem nicht so streng wie in Deutschland. Der Menschenrechtsgerichtshof fordert für ein Parteienverbot die Angabe eines zuverlässigen Zwecks, wie den Schutz der Menschenrechte für bestimmte Personengruppen. Zudem muss ein dringend soziales Bedürfnis bestehen, etwa wenn die Ziele der Partei mit den fundamentalen Grundsätzen der Demokratie und des Menschenrechtsschutzes konträr gehen. Auch der Maßstab der Potentialität dürfte beim Gerichthof ebensolchen Rang genießen wie beim Bundesverfassungsgericht. Der Staat brauche demnach nicht zu warten, bis eine Machtübernahme durch die AfD bevorstehe und diese konkrete Maßnahmen unternimmt, die grundlegende Menschenrechte verletzen.

Eine ähnliche aber nicht so starke Wirkung wie ein Parteienverbot hätte der Entzug der Parteienfinanzierung oder die Anwendung des Paragraphen 18 Grundgesetzes. Der erlaubt es, einzelnen Personen das aktive und passive Wahlrecht zu entziehen, wenn bestimmte Freiheitsgrundrechte zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht werden. Das trifft nicht nur für Bernd Höcke zu, der von „angestammten Lebensraum“ spricht und seine politischen Gegner als „Volksverderber“ in der völkischen Sprache der Nazis diffamiert. Dieser Weg kann versperrt werden durch die gezielte und begründete Anwendung der vorhandenen Instrumentarien der Verfassung. Auch der Ausschluss der Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), die der AfD nahe steht, von der öffentlichen Förderung und die konsequente Verfolgung von Verletzungen der verfassungsmäßigen Treuepflicht durch Beamte, Richter und Soldaten können den völkischen Einfluss der AfD eindämmen.

Parallel zu einem AfD-Verbot und anderen legalistischen Mitteln müssten sich auch Medien, Institutionen, Bildungseinrichtungen und Zivilgesellschaft stärker mit völkischem und nazistischem Gedankengut auseinandersetzen und dafür praktikable Instrumente an die Hand bekommen. Nur so kann demokratie- und menschenrechtsfeindlichen Tendenzen wirksam der Boden entzogen werden. Die geplante Kürzung der Haushaltsmittel für die Bundeszentrale für politische Bildung ist dafür sicher der falsche Weg.