Arbeiterbewegung von rechts

geschrieben von Axel Holz

29. März 2022

Die Völkisch-populistische Orientierung von betrieblich aktiven, gewerkschaftlich organisierten und teilweise in Betriebsräten aktiven Arbeiter:innen ist seit einigen Jahren auffällig.

Klaus Dörre und Katarina Becker von der Universität Jena haben sich mit diesen Phänomenen wissenschaftlich auseinandergesetzt, unterstützt von Peter Reif-Spirek, Leiter der Landeszentrale für Politische Bildung in Thüringen. Unter den Autoren finden sich u.a. Annelie Buntenbach zur Anziehungskraft der AfD für Arbeiter:nnen und Wilhelm Heitmeyer zu autoritärem Nationalradikalismus.

An Hand einer empirischen Tiefenbohrung zeigen die Autoren auf, wie sich im Alltagsbewußtsein der Befragten Protestmotive mit einer Ethnisierung der sozialen Frage verbinden. Der völkische Populismus wird als Bewegung Polany‘schen Typ gekennzeichnet, die sich aus dem Problemrohstoff des zeitgenössischen Postwachstumskapitalismus speise. Diesem Verhalten liegt keine kritische Gesellschaftsanalyse mehr zu Grunde. Weil es den Protagonisten aussichtslos erscheint, als ungerecht empfundene Verteilungsverhältnisse grundlegend zu korrigieren, neigten Lohnabhängige spontan dazu, Auseinandersetzungen zwischen unten und oben in der Gesellschaft in Konflikte zwischen innen und außen umzudefinieren. Zuwanderung, Migration, gemeinsame EU-Politik sowie kulturelle und religiöse Vielfalt werden als Gefahren empfunden und zu Feindbildern stilisiert.

Rechtspopulisten unter Arbeiter:innen erfolgreich

Rechtspopulistische Parteien sind bei Wähler:innen in bisher ungeahntem Ausmaße erfolgreich und stoßen besonders bei Arbeiter:innen häufig auf Zustimmung. Dafür gibt es verschieden Gründe, die auf Gefühlen verletzter Gerechtigkeit aufsetzen und politische Obdachlosigkeit mit fremdenfeindlichen Ressentiments verbinden. Für den Staat und seine Institutionen kommt diese Entwicklung überraschend, weil diskriminierende und demokratiefeindliche Tendenzen seit Jahrzehnten in ein künstliches Konstrukt gefährlicher Ränder in der Gesellschaft gepresst werden, das den Blick auf gesellschaftliche Veränderungen mit breiten Vorurteilspotentialen in der eigenen Analyse verstellt hat. Rechte Orientierungen sind auch im Denken gewerkschaftliche organisierter und aktiver Arbeiter.innen, bei Betriebsräten und ehrenamtlichen Funktionären mittlerweile weit verbreitet, heißt es in dem bereits 2018 herausgegebenen Buch, das 2020 von der Bundeszentrale für Politische Bildung als Sonderausgabe erneut veröffentlicht wurde. Bei den Betriebsratswahlen 2018 war der bereits erwartete Rechtsruck in den Arbeitnehmervertretungen ausgeblieben und die IG Metall konnten hinzugewinnen. Vor allem hatten sich nur wenige Kandidaten gefunden, die offen rechtspopulistisch kandidieren wollten. Aber 19 Prozent der Arbeitnehmer:innen und 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder hatten der AfD ihre Stimme gegeben bei einem Bundestagsgesamtergebnis von nur 12,3 Prozent. Bereits 2006 hatte Klaus Dörre in einer Studie rechtpopulistische Orientierungen in der Arbeiterschaft festgestellt, aber bei aktiven Gewerkschaftern war dergleichen damals nicht zu erkennen.

Soziale Frage wird umgedeutet

Die Jenaer Soziologen konnten verfestigte Deutungsmuster erkennen, durch die man zu den betreffenden Personen nicht mehr vordringen kann. Ähnliches stellen wir gerade in der Corona-Pandemie im Querdenker-Milieu und bei vielen Corona-Skeptikern fest. Rechtspopulisten stellen sich zunehmend als die vermeintlich wahren Demokraten dar, während in älteren Studien Parlamentarismus eher abgelehnt wurde. Allerdings heizen sie den Begriff des Volkes nationalistisch über die Zugehörigkeit zu einer Ethnie statt zum Staat auf – ein Punktgewinn jahrelanger neonazistischer Vorarbeit. Verstärkend kommt hinzu, dass der national-soziale Flügel um Björn Höcke gezielt versucht, die soziale Frage zu besetzen. Nicht förderlich war dabei auch der politische und mediale Mythos von der angeblichen Mitte, der die Mehrheit angehöre. Die gibt es soziologisch tatsächlich gar nicht, thematisieren die Autoren, weil die sozialen und gesellschaftlichen Unterschiede in dieser „Mitte“ vieler größer sind als vorgespielt wurde und vor allem weiter zunehmen.

Gewerkschaften im Konflikt

Die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder bezieht immer noch klar gegen rechtspopulistische Positionen Stellung. Ohne eine klare Abgrenzung gegen rechts bestehen rechtsorientierten Mitglieder der Gewerkschaften möglicherweise auf politischer Neutralität, wie sie die AfD fordert. Die IG Metall hat gegen Rassisten in den Gewerkschaften klare Kante gefordert, was ihr zahlreiche Mitglieder gekostet hat. Dennoch sollten die Gewerkschaften offen die Auseinandersetzung suchen und klarmachen, das völkisches Denken ein Sprengsatz für gewerkschaftliche Solidarität darstellt, so Klaus Dörre. Diese Solidarität könne nur geschlechter-, ethnien- und nationenübergreifend funktionieren, meint Dörre. Dazu müssten die Gewerkschaften ihre Mitglieder in die Lage versetzen, schlagkräftig gegen rechtspopulistische Parolen zu argumentieren, um diese zu sezieren und das Demagogische offenzulegen.

Axel Holz