25 Jahre Nordkonferenz – lebhafte Diskussion fundierter Rechercheberichte

geschrieben von Richard Keßler

4. März 2018

, ,

Andrea Röpke in Heideruh

Andrea Röpke in Heideruh

Zwei Dutzend TeilnehmerInnen diskutierten lebhaft auf der diesjährigen Nordkonferenz in Heideruh die beiden vorgestellten Berichte zu Rechtsentwicklung Aufrüstungsprogramm. Heideruh selbst stand im Zentrum der Bestandaufnahme unserer Bildungsarbeit. In ihrer Begrüßung erläuterte Bea Trampenau die Situation der Antifaschistischen Bildungs- und Begegnungsstätte. Auf dem Weg zum 60. Gründungstag zwei Wochen später wurde allen noch einmal die Verantwortung um den Erhalt des Diskussionsmittelpunkts deutlich. Die Nordkonferenz war und bleibt ein Ankerpunkt des Jahresprogramms. Es gibt das Problem der unzureichenden Belegung der Betten und der Schwierigkeiten, die mit dem Wegbrechen ehrenamtlicher Mitarbeit verbunden sind. Die Anerkennung Heideruhs in der Region und die Verbreiterung der Nutzerzusammensetzung sind ein Hoffnungsstrahl. Die Aktivitäten haben nicht wenige Jüngere erfasst, die KameradInnen, die das vorangetrieben haben, sind aber im Grunde nur noch zum alljährlichen Jugendcamp da. Die Verantwortung für das laufende Geschäft bleibt einem immer kleiner werdenden Team überlassen. Die Betreuung der Geflüchteten hat sich verändert. Heideruh bietet künftig stärker besonders traumatisierten und ausgegrenzten jungen Männern Zuflucht, die nicht in Massenunterkünften verbleiben können.

Andrea Röpke stellte ihr zweites aufwändig recherchiertes Jahrbuch zur Entwicklung rechter Gewalt vor. Erschreckend ist das erneute Anwachsen von Tötungsdelikten gegenüber Migranten, 2.119 Angriffe alleine 2016/17. Festzustellen sind 92 rechte Terrorgruppen, manche vom Verfassungsschutz gar nicht erfasst. 17 Jahre lang ausgeblendet blieben die Hintergründe des Attentats in Düsseldorf auf jüdische Geflüchtete aus Russland in der Nähe ihrer Sprachschule. Die AfD erhält 3 Millionen Likes und Pegida Dresden in Windeseile eine halbe Million für Ankündigungen. Gut organisiert entfachen sie Shitstorms gegen enthüllende Fakten. Der Nordbremer Aktivist Fridjof Balz bündelt Kräfte von völkischen Nationalisten, Hooligans, Rotlichtmilieu der Hells Angels, um Bürgerwehren in Bremen-Nord und Schwanewede gegen verhaltensauffällige geflüchtete Jugendliche zu organisieren. Hannes Ostendorf, Sänger der faschistischen Band Kategorie C vereinigt sich mit Türstehermilieu und Tatoofans zu Vergeltungsaktionen. Eine neue Qualität erreicht die faschistische Szene in Bundeswehr und Polizei. Die Enttarnung des Doppellebens von Franco A. führt zu zwei Terrorgruppen. Die Flashmob-Aktionen der Identitären Bewegung erhalten durch willige Unterstützung von sensationsheischenden Medien erst ihre Wirksamkeit. Eine lebhafte Diskussion entspann sich um Fragen des Vorgehens bei faschistischen Angriffen gegen unsere eigenen Aktivitäten. Bea verdeutlichte die wichtige Erfahrung von Unterstützung durch Stadt und bürgerliches Umfeld nach Diffamierungen Heideruhs durch die AfD.

Lühr Henken erläuterte faktenreich gespickt das Aufrüstungsprogramm von Nato und EU und erläuterte die Aufrüstungsschritte und Strategieveränderungen seit 1992. Er las dazu Passagen aus aktuellen Einschätzungen zum Weißbuch der Bundeswehr. Der Umbau der Bundeswehr folgt strategischen Veränderungen durch die Bundesregierung. Der langfristige Einsatz in 14 Ländern und die Festlegung auf Erhöhung des Budgets in Richtung auf 2% des BIP binnen zehn Jahren verlangt eine Erhöhung der Truppenzahl und eine erhebliche Erweiterung der Ressourcen. Das wären 80 Milliarden Euro jährlich. Mit einer neuartigen digital gesteuerten Ausrüstung und Bewaffnung sollen Divisionen und Brigaden in die Lage versetzt werden, Häuserkampf in den rasch wachsenden Städten Afrikas und Asiens zu führen. Schließlich geht es um Sicherung der Rohstoffe und Transportwege weltweit. Dazu sollen die deutsch-französischen Kapazitäten stärker ineinander integriert werden. In einer sehr lebhaft geführten Diskussion wurde das Verhältnis von Nato und EU bei der strategischen Konzeptionsentwicklung debattiert. Die Interessen an Zugriff auf die strategischen Rohstoffreserven in der Sahelzone lassen ahnen, dass sich die EU darauf einstellt, langfristig getrennte Wege gegenüber den USA zu gehen. China und Indien könnten 2050 eine bedeutend größere Rolle in der Weltwirtschaft einnehmen. Der Friedensbewegung kommt die Aufgabe zu, dazu beizutragen, dass die zu erwartenden Auseinandersetzungen nicht militärisch ausgetragen werden. Gemessen an den Jahren nach dem Nato-Doppelbeschluss sind die Strömungen der Friedensbewegung heute zahlenmäßig erheblich kleiner. Eine Vernetzung ist zwingender als je zuvor.

Mit einer Bildpräsentation wurden in Gesprächen Anliegen, Schwerpunkte und Zusammensetzung in 25 Jahren Nordkonferenz rückblickend betrachtet. Die Bedeutung Heideruhs als Kristallisationspunkt der Bildungsarbeit wurde hervorgehoben die langjährigen Mitstreiter in Vorträgen und Diskussionen vorgestellt. Musikalischen Abschluss bildete ein etwas schrilles Konzert der Gruppe Sokugayu mit Texten von Erich Mühsam und Klezmer.