Satiren, Geschichten und Cartoons gegen den Judenhass. Das ist der Untertitel des im Verlag Satyr im September erschienen Buches „Sind Antisemitisten anwesend?“. Herausgeber und Autoren sind Lea Streisand, die Essays und Kolumnen für taz, Berliner Zeitung und Jüdische Allgemeine schreibt, der Berliner Autor in „Die Wahrheit“, taz und Jungel World Michael Bittner sowie der taz-, Titanic-Autor und Lesebühnenaktivist Heiko Werning. Im Band sind 80 Satiren, Essays, Gedichte, Geschichten und Cartoons gegen den Hass versammelt. Die Autoren konstatieren, dass wieder mal die Juden an allem Schuld seien, selbst am 7. Oktober 2023. In diesen schrägen Gesang stimmten Linke und Rechte, Migrationshintergründler und „Kartoffeln“, Islamisten und Queere ebenso ein wie Neonazis, Berufszonis und DekolonilalistInnen, erläutert Herausgeberin Lea Streisand im Interview mit radioeins. Aus ihrer Familie hatte nur ihr Großvater die Nazi-Zeit überlebt. Wir vergessen niemals, schreibt sie in ihrer Geschichte über den Palast der Republik, aus dem ihre Eltern am Hochzeitstag eingravierte Löffel mitgehen ließen. Die Gravur lässt sich heute in so manchem ostdeutschen Küchenschrank wiederentdecken.
In der Einleitung zum Buch bestätigen die Autoren auf satirische Weise, dass dieses Buch natürlich von den Weisen Zions und Bill Gates gesponsert sei. Weitere antisemitische Klischees und Verschwörungserzählungen werden dem Leser durchgehend im Buch begegnen. Ob in den Achtzigern im ostdeutschen Pionierlager, beim Interrail-Trip westdeutscher Jugendlicher nach Marokko oder beim Israel-Besuch eines deutschen Teanagers zu seiner Freundin, als ihm ein Araber unaufgefordert das Türschloss repariert. Das Buch ist unterhaltsam und oft sarkastisch, der jüdische Humor eingeschlossen. Humor ist ohnehin etwas, mit dem Antisemiten oft nur wenig anfangen können.
Israel in Frage stellen
Arianne Lemme stört die Wut der propalästinensischen Proteste nach dem 7. Oktober, die mit der Haltung verbunden sei: Wir haben nicht das ganze Land, also lehnen wir jedes Angebot auf einen Teil ab. Besser wäre Mitgefühl, meint die Autorin. Aber dafür müsste die Gleichsetzung von Terror und Verteidigung endlich aufhören. Mark-Stefan Tietze verfolgt die Facebook-Einträge nach einer ZDF-heute-Sendung über die Tötung von sieben Mitarbeitenden der internationalen Hilfsorganisation „World Central Kitchen“, die Israels Führung als Versehen bedauert. In den Einträgen interessiere sich niemand für die Kriegsziele, die Hamas auszuschalten und die Geiseln zu befreien. Auch wenn keiner der Kommentatoren die Formel vom „ewigen Juden“ benutze – mit seiner unabänderlich bösen Natur, seinem zerstörerischen und kriegslüsternen Charakter und seiner seltsamen Besessenheit, aus heiterem Himmel Kinder zu ermorden. Eben dieser Antisemitismus scheint in den Kommentaren unter der Hand hervor.
In Vielfalt vereint
Die Lösung gegen Antisemitismus sucht Bodo Wartke und resümiert: Nationalisten, Islamisten, Fundamentalisten und Gangsterrap-Artisten hätten viel mehr gemeinsam als man meint. Neben Homophobie und Frauenfeindlichkeit eben auch Antisemitismus. Bei Miriam Wurster im Cartoon trauen sich jüdische Menschen nicht mehr raus. Sie könnten leider nicht erkennen, ob es sich um rechtsradikalen, muslimischen, linken Antisemitismus oder den aus der Mitte der Gesellschaft handele, heißt es in der Sprechblase dazu.
Das Pali-Tuch im Schrank
Die Geschichte eines Kleidungsstücks erzählt Volker Surmann, der Satyr-Verleger, der für die Berliner Lesebühne Brauseboys schreibt. Als Oberstufenschüler eines Landgymnasiums bei Bielefeld gehörte das Pali-Tuch bei der eher linken Schülerschaft einfach dazu. Die Tücher waren warm und haben beim Fahrradfahren sicher mancher Erkältung vorgebeugt, blickt der Autor zurück. Sie würden aber weiter ein Schattendasein hinten in seinem Kleiderschrank fristen. Es sei denn im Nahen Osten beginne ein Friedensprozess ohne Terror und radikale Siedler, mit Demokraten in zwei souveränen Staaten, Nobelpreis und dem ersten Gaza-Pride, kommentiert der Autor. Aber er befürchtet auch, die Motten könnten schneller sein.
Sind Antisemitisten anwesend?, Satiren, Geschichten und Cartoons gegen Judenhass, Buch Hardcover, 2024, 384 S., Satyr Verlag, ISBN 978-3-910775-18-3, Preis: 26 Euro