Widerstand im Glauben

geschrieben von Axel Holz

10. April 2025

Die US-Produktion „Bonhoeffer“ in der Regie von Todd Komarnicki läuft seit Mitte März in den deutschen Kinos und ist umstritten. Das liegt auch daran, dass es der Regisseur mit der historischen Wahrheit nicht ganz so genau nimmt und diese Abweichungen als künstlerische Freiheit verkauft. Wenn aber dabei herauskommt, dass Bonhoeffer angeblich mit Churchill in Verbindung stand und an Attentatsplänen auf Hitler direkt beteiligt war, entspricht das nicht der Wahrheit. Bonhoeffer kannte über Hans von Dohnanyi solche Pläne, war aber nicht an deren Umsetzung beteiligt. Im Film wird Bonhoeffer zum Kriegsende von den Nazis hinter einer Scheune auf einem Feld erhängt. Tatsächlich fand die Hinrichtung am 9. April 1945 nackt im Konzentrationslager Flossenbürg statt, wie dies in der Verfilmung des Stoffs mit Ulrich Tukur aus dem Jahr 2000 gezeigt wird, ohne dabei die Würde des Opfers zu verletzen. Der Film hat aber auch Stärken darin, wie das Ringen Bonhoeffers mit seinen Entscheidungen und seinem Glauben dargestellt und seine Zweifel und Schwächen vermittelt werden. Auch wenn einige Details von Bonhoeffers Aufenthalt in den USA erfunden sind, macht der Film seine tiefe Betroffenheit über den dort herrschenden Rassismus deutlich. Ein afroamerikanischer Freund hatte ihn mit nach Harlem in die Kirche mitgenommen und auch später eine gemeinsame Reise in den besonders rassistischen Süden der USA der dreißiger Jahre organisiert. Dass Bonhoeffer in einem Jazzclub gleich am Klavier mit exzellenter Begleitung brilliert, sei dahingestellt. Entscheidend ist für die filmische Verarbeitung, dass Bonhoeffer durch seine Berührung mit dem amerikanischen Rassismus auch gegen die Diskriminierung und Entrechtung der Juden in Deutschland besonders gewappnet war.

Vereinnahmung durch fundamentalistische Evangelikale

Der Film „Bonhoeffer“ wurde durch christliche-nationalistische Kreise in den USA vereinnahmt. Das war der entstellenden Vermarktung durch die rechtsevangelikale Firma Angel Studios geschuldet. In den USA erschien der Film unter dem Titel „Priester, Spion und Attentäter“ mit einem Porträt von Bonhoeffer auf dem Plakat, das ihn mit einer Waffe zeigte. Diese Gewaltinszenierung habe mit dem pazifistischen Denken Bonhoeffers nicht das Geringste zu tun, kritisierten die Nachfahren seiner sieben Geschwister in einem Brief. Auch die Produktionsfirma, Regisseur Komarnicki und die Schauspieler des Films schlossen sich dieser Kritik an. Die Produzenten betonen inzwischen auch auf ihrer Homepage, dass der Film keinerlei Verbindung mit der umstrittenen Bonhoeffer-Biografie von Eric Metaxa habe, die Bonhoeffer mit rechtem und nationalistischem Gedankengut in Zusammenhang bringt. Bonhoeffer stand genau für das Gegenteil – für Freiheit, für Liberalität und gegen Ausgrenzung. Aus seiner christlichen Prägung heraus war er überzeugt, dass alle Menschen gleich sind und wandte sich gegen jeglichen Mißbrauch der Macht. Nationalistische Sprüche wie „America first“ wären nie über seine Lippen gekommen, wie der Trump-Anhänger Metaxa in seiner Bonhoeffer-Biografie den Theologen verzerrend umdeutet.

Bessere Alternative

Es stellt sich die Frage, warum der Stoff um Bonhoeffer neu verfilmt wurde, zumal die amerikanisch-deutsch-kanadische Verfilmung „Dietrich Bonhoeffer – die letzte Stufe“ vom Jahr 2000 mit Ulrich Tukur als Bonhoeffer die Latte für eine qualifizierte Verfilmung hoch gelegt hatte. Auf dem Monte-Carlo TV Festival gewann dieser Film ebenfalls wie auf dem Filmfest München einen Preis. Er war unter intensiver Einbeziehung von Bonhoeffer-Experten entstanden und bringt das Denken, die Theologie und den Glauben Bonhoeffers viel klarer auf die Leinwand als die Neuverfilmung. Die Verfilmung unter der Regie von Eric Till in Kooperation mit dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg stellt auch deutlicher dar, wie es zum Faschismus gekommen war und wie die ganze Gesellschaft von den Nazis vergiftet wurde.

Bonhoeffer hatte sich in der Bekennenden Kirche mit anderen Pfarrern gegen den Missbrauch des Glaubens durch die deutschen Kirchen gewandt, die sich weitgehend an die Nazis angepasst hatten. Die deutsche Kirche müsse sich auf Gottes Wort allein berufen, nicht auf eines Mannes Wort und insbesondere nicht auf das Wort des Führers, wird von Bonhoeffer im Film mutig von der Kanzel gerufen. Sich gegen die Nazis zu stellen, erforderte Mut. Dabei wird Bonhoeffer aber in der Neuverfilmung mit zu viel Pathos versehen und zu einer Art Heiligenfigur stilisiert. Das ist dem Film durchaus abträglich. Zu Recht hat der Regisseur hingegen seinen Film „eindeutig als antifaschistisch und antinationalistisch“ bezeichnet.

80 Jahre Selbstbefreiung des KZ Buchenwald

geschrieben von Ulrich Schneider

8. April 2025

Am ersten April-Wochenende kamen auf Initiative der FIR, der belgischen
„National Confederation of Political Prisoners“ (CNPPA) und des
belgischen War Heritage Instituts etwa 500 junge Menschen zu einem
Internationalen Jugendtreffen in der Gedenkstätte Buchenwald zusammen.
Gemeinsam mit dem Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos
(IKBD). den deutschen Lagergemeinschaften Buchenwald-Dora und „Paint
it read“ erinnerten sie an die Selbstbefreiung des Lagers vor 80
Jahren am 11. April 1945. Teilnehmende aus zehn europäischen Ländern
von Portugal bis Ungarn, die größte Gruppe aus verschiedenen Teilen
Belgiens, beschäftigen sich mit der Erinnerung an die Häftlinge und
Überlebenden des Lagers.

Der gemeinsame Höhepunkt des Treffens war der Gedenkgang der Jugend vom
Obelisken über den Gedenkweg und die Blutstraße zum Mahnmal. Dort
fanden an den nationalen Säulen eindrucksvolle Gedenkveranstaltungen
statt, bevor auf dem Platz vor dem Glockenturm die „Kundgebung der
Jugend“ Statements in verschiedenen Sprachen vorgetragen wurden.
Abschließend legten die Jugendlichen viele hundert Blumen an der
eindrucksvollen Plastik von Fritz Cremer und an anderen Orten in der
Gedenkstätte nieder.
Mit ihrer gemeinsamen Teilnahme an der Kundgebung des IKBD auf dem
Appellplatz ehrten sie das politische Vermächtnis der Überlebenden,
wie es sich im „Schwur von Buchenwald“ ausdrückt: „Vernichtung
des Nazismus mit seinen Wurzeln“ und „Schaffung einer neuen Welt des
Friedens und der Freiheit“. Das ist eine Aufgabe auch für heute und
morgen.

Erklärung zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus

geschrieben von VVN-BdA

4. April 2025

Am 8. Mai wurde ganz Europa von der Geißel des Faschismus befreit. In Deutschland erlebten in erster Linie die überlebenden Verfolgten und Widerstandskämpfer:innen diesen Tag als Befreiung. Aber auch wir alle, die wir heute leben, verdanken die Möglichkeit eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den Siegern des 8. Mai. Die Bevölkerung der Sowjetunion mit Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu tragen. Die Kräfte der Anti-Hitler Koalition, sind und bleiben auch unsere Befreier. Mit besonderer Dankbarkeit erinnern wir an den Beitrag, den der deutsche antifaschistische Widerstand in Deutschland, in der Emigration, als Teil von Partisanenverbänden und in den Streitkräften der Anti-Hitler-Koalition geleistet hat.

Mehr als 55 Millionen Menschen fielen Nazi-Terror, Vernichtungskrieg und Völkermord zum Opfer.   Sie bezahlten den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit unvorstellbarem Leid und ihrem Leben. Dazu gehören auch die politischen Gegner:innen der Nazis ebenso wie die gesamte jüdische Bevölkerung, die Sinti und Roma, Menschen mit Einschränkungen ebenso wie Menschen, deren Lebenssituation und Lebenswandel nicht der NS-Ideologie entsprach, und Kriegsdienstverweigerer und Deserteure. Dazu kamen allein in Hamburg bis zu 500.000 Zwangsarbeiter:innen. Die deutsche Wirtschaft, allen voran Chemie- und Rüstungsindustrie und Banken waren die Gewinner von „Arisierung“, Krieg und der Ausbeutung von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeit. Diese Gewinne bildeten die Grundlage des „Wirtschaftswunders“ in der Bundesrepublik, während die Opfer um jede Mark Entschädigung kämpfen mussten und bis heute kämpfen müssen.

In nahezu allen ehemals von Nazi-Deutschland besetzten Ländern wurden der 8. und/oder 9. Mai gesetzliche Feiertage, das war auch in der DDR der Fall. Genau 40 Jahre kämpften die Verfolgten darum, bis ein Präsident der Bundesrepublik an einem 8. Mai von Befreiung gesprochen hat. Bis dahin hatte die Sicht der Nazis, der Deutsch-Nationalen, der „Frontkämpfer“, der Profiteure und Mitläufer das offizielle Vokabular geprägt: Zusammenbruch, Kapitulation, Besatzer. Mit Weizsäckers Rede wurde die Perspektive der Verfolgten des Nazi-Regimes „gesellschaftsfähig“.

Damit das so bleibt, fordern wir, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg endlich auch in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag wird.

Überall in Europa feiern extrem rechte Parteien Erfolge. In Deutschland verfügt die extreme Rechte mit der AfD erstmals seit 1945 flächendeckend über einen „parlamentarischer Arm“. Sie bildet heute das Zentrum der (neo-)faschistischen Szene und hat mit den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg erstmals machtpolitische Bedeutung erreicht. Zu ihren Zielen gehört die Auslöschung der Erinnerung an die Menschheitsverbrechen der Nazis ebenso wie die Verklärung der faschistischen „Volksgemeinschaft“, die Leib und Leben Aller bedroht, die als nicht dazu gehörig definiert werden.

Zugleich ist die AfD seit ihrer Gründung ein wesentlicher Motor der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung im Land: Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus und Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit – alle möglichen Ideologien sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben Konjunktur.  Wir wissen, infolge jahrzehntelanger neoliberaler Politik hat die soziale Spaltung der Gesellschaft ein Ausmaß erreicht, in dem die Angst vor dem Abstieg Anpassungsdruck und Ausgrenzungsbereitschaft erhöht. Wir erleben, dass Grundrechte immer weiter eingeschränkt werden. Wir sehen mit Sorge, wie unbarmherzig Politik und Gesellschaft die Abschottung Europas unter vollständiger Abkehr von Menschenrechten und internationalem Recht und in Kooperationen mit rechten Regierungen rund um Europa herum vorantreibt und Menschen auf der Flucht kriminalisiert und entrechtet werden.

Der russische Angriff auf die Ukraine ermöglichte in Deutschland eine „Zeitenwende“, die mit gigantischer Aufrüstung und einer rasanten Militarisierung der Gesellschaft verbunden ist. Ein 100 Milliarden-Vermögen für die Bundeswehr steht nun im Grundgesetz, das jahrelang umstrittene „Zwei-Prozent-Ziel“ der NATO wurde im Parlament durchgewinkt, Rheinmetall darf sich auf Mega-Gewinne freuen. Ideen der Rüstungskonversion und weltweiter multilateraler Abrüstung sind Schnee von gestern. Sämtliche Staaten sind in eine neue Phase der Aufrüstung getreten. Dabei spielen in der hybriden Kriegsführung auch vormals zivile Felder der Informationsverbreitung und Datenverarbeitung eine immer zentralere Rolle. Nicht selten werden Falschinformationen gezielt gestreut, um den jeweiligen Opponenten zu schaden – Opfer sind dabei immer Meinungspluralismus und der demokratische Diskurs.

Zeitgleich sehen wir in Deutschland bedenkliche Entwicklungen, wie die verstärkte Präsenz der Bundeswehr in den Schulen, die Rekrutierung Minderjähriger, die Wehrerfassung männlicher Jugendlicher als Vorbereitung zur Wehrpflicht oder gigantische Werbefeldzüge fürs Töten und Sterben. Auch die kürzliche Änderung der Schuldenbremse zu Gunsten einer schuldenbasierten Aufrüstung gehört dazu. Die Ausweitung der globalen militärischen Einsatzfähigkeit ist jedoch kein singulär deutsches Phänomen, sondern gilt grundsätzlich für alle Groß- und Regionalmächte

Der terroristische Überfall/Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 mit über 1000 getöteten und 250 entführten Menschen hat einen neuen Krieg im Nahen Osten ausgelöst, in dem die rechte Regierung Israels den Tod von zehntausenden Menschen und eine humanitäre Katastrophe in Gaza in Kauf nimmt. Mit den Bombardierungen Beiruts und der Bodenoffensive im Libanon droht sich dies zu wiederholen. Weder das Massaker der Hamas noch die Kriegsverbrechen der israelischen Armee sind hinnehmbar. Die Waffenruhe zwischen Israel und Hamas war leider nicht von Dauer. Die israelische Regierung verschärft mit ihrem Handeln erneut die humanitäre Situation der Menschen in Gaza. Wie sind überzeugt, dass eine friedliche Beilegung des Konflikts nur möglich ist, wenn die Interessen der palästinensischen und der israelischen Zivilbevölkerung gleichberechtigt berücksichtigt werden.

Parallel zum Krieg im Nahen Osten hat der Antisemitismus in Deutschland eine neue Qualität erlangt: Jüdische Menschen, Geschäfte und Einrichtungen werden zu Zielen von Angriffen, Veranstaltungen werden gestört, Beteiligte bedroht. Wir stehen an der Seite der Betroffenen. Jüdische Menschen für die kriegerische Reaktion Israels auf den Angriff der Hamas verantwortlich zu machen, ist antisemitisch. Ebenso weisen wir den zunehmenden antimuslimischen Rassismus zurück.

Gerade wegen dieser schrecklichen Entwicklungen wollen wir den Tag zum Feiertag machen, den die Überlebenden als „Morgenröte der Menschheit“ erlebt haben, wie es der als Jude und Kommunist verfolgte Résistance-Kämpfer Peter Gingold ausgedrückt hat. Wir wollen am 8. Mai vor allem an die Hoffnung der Befreiten auf eine Welt ohne Kriege, Elend und Unterdrückung erinnern und diese als Impuls nehmen, weiter an der Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit zu arbeiten, so wie es die befreiten Häftlinge von Buchenwald geschworen haben und wie es in der Charta der UN aufscheint.

In diesem Sinne rufen wir auf:

Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!

Zeit-Zeugin Eva Umlauf in der Europaschule Rövershagen

geschrieben von Axel Holz

3. April 2025

Am 1. April war eine der jüngsten Holocaustüberlebenden, die 82-jährige Zeit-Zeugin Eva Umlauf, zu Gast in der Europaschule Rövershagen bei Rostock. Sie wurde im Alter von zwei Jahren am 27. Januar 1945 von der Roten Armee in Auschwitz befreit. An der Europaschule leitet die Lehrerin Petra Klawitter eine AG, die sich mit dem Gedenken an die Opfer des NS-Regimes beschäftigt. Eva Umlauf führt seit fünf Jahren Zeitzeugen-Gespräche in ganz Deutschland durch und erhielt für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz, ebenso wie Petra Klawitter für ihre pädagogische Gedenkarbeit. Sie sprach vor etwa 100 Kindern, zahlreichen LehrerInnen, der Schulleiterin, einem VVN-Vertreter und vor Christoph Heubner, Vizepräsident des Auschwitz-Komitees. Die Landeszentrale für politische Bildung und die VVN-BdA MV hatten die Veranstaltung finanziert. Nach der Lesung aus ihrem Buch „Die Nummer auf deinem Arm ist blau wie deine Augen“ beantwortete die aus der Slowakei stammende Autorin, die als Kinderärztin und Psychotherapeutin Jahrzehnte in Deutschland gearbeitet hat und lebt, die Fragen der Jugendlichen. Sie bedankte sich für die klugen Fragen der Jugendlichen und spiegelte sie gelegentlich zurück. Etwa wenn es darum ging, ob sich so etwas, das Eva Umlauf erlebt hatte, wiederholen könne. Wir müssen dem Hass entgegentreten, entgegnete die fragende Schülerin daraufhin. Eva Umlauf berichtete auch über selbst erlebten Antisemitismus. Sie wünsche sich, dass ihre Kinder ihre Geschichte später weitererzählen, beantwortete sie die Frage einer Schülerin. Eva Umlauf legte viel wert darauf zu erläutern, dass die SchülerInnen von den Erlebnissen verschont bleiben sollten, die ihre Familie erlitten hatte, und dafür heute viel gegen Rassismus und Rechtspopulismus getan werden kann und muss.

Zeitzeugin, Kinderärztin und Psychotherapeutin Eva Umlauf

Eva Umlauf und Petra Klawitter

Eva Umlauf erläutert eine antisemitische Karikatur

Ausstellung in der Europaschule Rövershagen

Der Weg in den Postfaschismus

geschrieben von Axel Holz

31. März 2025

Italien wählte 2022 Giorgia Meloni zur Ministerpräsidentin. Die Postfaschistin hatte sich in der Corona-Krise als Unterstützerin von Corona-Protesten gegen die ebenfalls rechtsextreme Lega unter Matteo Salvini durchgesetzt. Aber anders als bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich, wo sich ein Cordon sanitaire der Parteienlandschaft gegen den Durchmarsch von Marine Le Pens Rassemblement National gestellt hatte, gab es in Italien keinen Widerstand gegen die Inthronisierung der Postfaschisten. Meloni, die politisch der konservativen Alleanza Nazionale unter Gianfranco Fini entstammte und zuvor in der neofaschistischen Movimento Sociale Italiano aktiv war, war 2006 mit nur 29 Jahren in das italienische Abgeordnetenhaus eingezogen, wurde dessen Vizepräsidentin und nach dem rechten Wahlsieg unter Berlusconi 2008 als Jugendministerin die jüngste Ministerin in der Geschichte Italiens.

Wie konnte es zu diesem widerstandlosen Durchmarsch der Rechtsextremen kommen? Der Italienkorrespondent und Programmdirektor der Friedrich-Ebertstiftung in Italien, Michael Braun, legt dafür keine Analyse vor. Er dokumentiert aber die Entwicklung des italienischen Parteiensystems und seiner Akteure über dreißig Jahre hinweg und lässt wesentliche gesellschaftliche Begleitumstände für den Vormarsch der extremen Rechten erkennen. Eine  zersplitterte Linke hatte nach dem Zusammenbruch des Parteiensystems Anfang der 90er Jahre begünstigt, dass Berlusconi mit seiner rechtspopulistischen Forca Italia in diese Lücke springen konnte. Er hatte allen alles versprochen – nur noch zwei Einkommensteuerstufen, die Bekämpfung der Kriminalität, Mindestrenten von 517 Euro, die Schaffung von Millionen Arbeitsplätzen und öffentliche Strukturmaßnahmen in Straßen, Eisenbahnen, U-Bahnen und die Brücke von Messina von Sizilien zum italienischen Festland. Nach der Wahl standen im Mittelpunkt seines Interesses aber die Stärkung seines Medienkonzerns mit drei der sechs landesweiten Medienanstalten und seine Auseinandersetzungen mit der Justiz wegen Vorwürfen der Korruption, Bilanzfälschungen und mit Sexskandalen. Begünstigt wurde der Durchmarsch der Rechten auch durch die gespaltene und schwache Gewerkschaftsbewegung sowie eine kriminelle Steuervermeidungskultur, die durch Steueramnestien und staatliches Freikaufen von Schwarzbauten unter Berlusconi eher befördert wurde. Nicht unschuldig ist auch die sozialdemokratische Partito Democratico, die unter dessen Vorsitzenden Matteo Renzi als Regierungschef durch milliardenschwere Einsparungen an Investitionen von 2007 bis 2014 ein Sinken des BIP um zehn Prozent bewirkte und die Verschuldungsrate damit stärkte. Ausbleibendes Lohnwachstum und fast eine Verdopplung der Arbeitslosenzahlen auf 3,1 Millionen waren das Resultat der neoliberalen Arbeitsmarktreformen, die die  Verarmung von Millionen Italienern vorantrieb. Schließlich hatte nicht nur die Privatisierung der Medienkonzerne Berlusconi  bei den Wahlen Sendezeiten von 70 Stunden je Woche ermöglicht. Auch die regierungstreue Ausrichtung des Staatssenders RAI konnte nun rechtspopulistische Regierungsbeteiligungen stärken.

Rechte Strategie

Grundlegende soziale Veränderungen konnte die Fünfsternebewegung bewirken, die sich nach der Ablösung der gescheiterten neoliberalen Regierung Renzi 2018 unter Ministerpräsident Giuseppe Conte durchgesetzt hatte. Die benötigte aber nun aus den drei stabilen politischen Blöcken einen Koalitionspartner, den sie in der gewendeten Lega Matteo Salvinis fand. Die ehemalige Lega Nord unter Parteichef Umberto Bossi hatte sich vom Separatismus zum Ultranationalismus gewandelt. Plötzlich waren das Abtreibungsrecht, die Staatsbürgerschaft für Kinder von Ausländern und die Homo-Ehe für die Lega keine Tabus mehr.  In seiner neuen Funktion als Innenminister behinderte der neue Lega-Chef Matteo Salvini aber Einwanderung und Seenotrettung massiv und erschwerte Ausländern den Zugang zu Sozialwohnungen. Gleichzeitig gelang es Wirtschaftsminister Luigi di Maio von der Fünfsternebewegung eine Grundsicherung für 1,4 Millionen Menschen durchzusetzen, die mit 500 Euro und Familienzuschlägen an geringe Rücklagen sowie ein  begrenztes Immobilienvermögen gebunden waren und dem Staat neun Milliarden Euro kosteten. Hundertausende Menschen waren damit weniger der Armut ausgeliefert. In der Wählergunst dominierte aber die von Salvini angestachelte Ausländerfeindlichkeit. Vom politischen Experiment profitierten schließlich die Rechten.

Der Umbau des Staates

Unter der postfaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wurde zunächst die gerade errungene Grundsicherung wieder um die Hälfte auf etwa vier Milliarden Euro gekürzt. Die von der Opposition geforderte Einführung eines Mindestlohnes lehnte Meloni ab, obwohl in Landwirtschaft und Dienstleitungswesen Löhne von nur fünf Euro üblich sind. Gespräche mit Drittstaaten über Zuwanderung und ein juristisch angreifbare Ausreisezentrum in Albanien brachten Meloni europäische Aufmerksamkeit, aber nicht die gewünschte Begrenzung der Zuwanderung. Wichtigstes Ziel aber ist für Meloni der Umbau des Staates hin zu einem Präsidialregime und die Schwächung der Justiz. Die bisher unabhängige Kammer der Richter und Staatsanwalte soll geteilt und die Staatsanwälte sollen dann dem Justizministerium unterstellt werden. Ein direkt gewähltes Präsidialsystem mit kontrollierten Gerichten ist das Ziel dieses antidemokratischen Staatsumbaus, der nicht mehr in weiter Ferne steht. Melonis Weg zum Postfaschismus könnte als Blaupause für die staatliche Verankerung der Rechtspopulisten in Europa dienen.

Mussolini, Franco, Bandera, Lukov – Keine NS-Verherrlichung zulassen!

geschrieben von Ulrich Schneider

7. März 2025

Man könnte es für eine Nachricht aus Absurdistan halten, wenn man liest, dass 80 Jahre nach der Befreiung von der nazistischen Barbarei immer noch Kommunen und größere Städte in Europa endlich den Schritt vollziehen, die Ehrenbürgerschaft von faschistischen Repräsentanten zu streichen.
Ende Februar hat nun die norditalienische Kommune Salò beschlossen, Benito Mussolini die Ehrenbürgerschaft zu entziehen. Auf der einen Seite ist es von großer symbolische Bedeutung, dass diese Kommune endlich den Schritt vollzogen hat, denn Salò war der letzte Rückzugsort der italienischen Faschisten nach der Absetzung von Mussolini und der Befreiung großer Teile des Landes durch die Alliierten und die italienische Resistenza. Ganz und gar abhängig von der deutschen Wehrmacht, die die Nordhälfte Italiens seit September 1943 besetzt hielt, errichteten Mussolini und seine Vasallen in dem Städtchen im Alpenvorland die „Republik von Salò“, ein Marionettenstaat von Nazideutschlands Gnaden. Man nannte sich offiziell Repubblica Sociale Italiana, kurz RSI. Dieses vorgeblich „Soziale“ war die radikalisierte und entfesselte Version der faschistischen Herrschaft über ganz Italien, Judenverfolgung und Deportation inklusive.
Eigentlich könnte man kritisieren, dass es längst an der Zeit gewesen wäre, diesen Schritt zu vollziehen. Dennoch ist er bemerkenswert, da die Mitte-links-Mehrheit im Gemeinderat von Salò diesen Beschluss genau zu dem Zeitpunkt vollzieht, wo in Rom eine Regierungsmannschaft herrscht, die sich in der politischen Tradition der italienischen Faschisten versteht. Der Präsident des italienischen Senats huldigt Mussolini mit einer Duce-Statue in seinem Wohnzimmer. Und die Regierungschefin Meloni hat über ihre Sympathien für Mussolini niemals Zweifel gelassen. So ist dieser Gemeinderatsbeschluss tatsächlich auch ein Zeichen gegen die faschistische Regierung in Rom.
Wenn man den Blick nach Spanien wendet, dann hätten dort auch zahlreiche Kommunen Grund und Möglichkeit, sich gegen den immer noch bestehenden Franco-Kult aktiv zur Wehr zu setzen. Das wäre ein politisches Signal gegen die Versuche der Partido Popular und der extrem rechten VOX, die ideologische Ausrichtung des Landes wieder in faschistische Richtung zu drehen. Antifaschisten führen bereits seit Jahrzehnten den Kampf, die Opfer der Franco-Herrschaft angemessen zu würdigen. Zwar sind frühere Wallfahrtsstätten für die Franquisten durch politische Beschlüsse der Zentralregierung aufgelöst worden, aber in vielen Teilen Spaniens gibt es nicht nur Erinnerungsstätten, sondern auch andere öffentliche Formen der Ehrung von Franco. Hier haben die antifaschistischen Kräfte noch große Aufgaben, nicht nur an die Kämpfer für die Spanische Republik und die Opfer der Franco Ära zu erinnern, sondern sich auch für die Auflösung von Erinnerungsorten an die Franco-Herrschaft einzusetzen.
Problematisch ist insbesondere in verschiedenen osteuropäischen Staaten die geschichtsrevisionistische Wiedereinsetzung von NS-Kollaborateuren in eine gesellschaftliche Würdigung. Skandalös ist die Ehrung des ukrainischen Nationalisten und NS-Kollaborateur Stepan Bandera. Hier handelt es sich nicht allein um die Rehabilitierung durch Neonazis und extreme Rechte, sondern der Bandera-Kult umfasst das gesellschaftliche Narrativ des heutigen ukrainischen Staates.
Seit vielen Jahren wehren sich die FIR und ihre Mitgliedsverbände gegen NS-Verherrlichung und SS-Rehabilitierung in den Baltischen Staaten oder gegen die öffentliche Würdigung von ungarischen Kollaborateuren anlässlich des „Ausbruchs“ im Februar 1945. dem so genannten „Tag der Ehre“, an dem in diesem Jahr wieder über 1000 Menschen teilgenommen haben. In Sofia ehrten Ende Februar – trotz Verbot – mehrere hundert Neonazis mit einem Fackelzug den bulgarischen General Hristo Lukov, einen Faschisten und Kollaborateur, der seit über zwanzig Jahren zur Symbolfigur des bulgarischen Neofaschismus stilisiert wird. Der “Lukov-Marsch” zieht damit Neonazis aus ganz  Europa an, darunter aus Italien, Spanien, Rumänien, Frankreich, Ungarn, Österreich und Deutschland.
80 Jahre nach der Befreiung von der Nazi-Barbarei ist es an der Zeit, eine deutliche Botschaft gegen jegliche NS-Verherrlichung zu senden. Das wäre eigentlich eine politische Aufgabe des Europäischen Parlaments. Angesichts der jüngsten geschichtsrevisionistischen Beschlussfassung wird man darauf jedoch wohl vergeblich warten.

Tag 1 nach der Wahl: Kampfansage der CDU/CSU an die demokratische Zivilgesellschaft

geschrieben von Cornelia Kerth, Florian Gutsche

27. Februar 2025

Nur einen Tag nach der Wahl ergänzen CDU und CSU ihre rechte
Regierungsagenda um einen weiteren Punkt: in Form einer „Kleinen
Anfrage“ an die Bundesregierung werden kritische NGOs aus den Bereichen
Antifaschismus, Klimabewegung und Ökologie in ihrer materiellen Existenz
bedroht. Damit ist der demokratische öffentliche Diskurs unmittelbar
bedroht!

Wir kennen dieses Muster bisher von der AfD. Die Denunziation einer
derart großen Zahl von zivilgesellschaftlichen Akteuren und eine derart
detaillierter Fragenkatalog sind jedoch neu und deuten auf langfristige
Vorarbeit hin. Auch die bei Orban und Co. übliche Frage nach Zuwendungen
aus dem Ausland ist neu.

Es liegt auf der Hand, dass hier regierungskritisches Potential schon im
Vorfeld eingeschüchtert und künftig materiell wesentlich geschwächt
werden soll. Die Wahl von Zeitpunkt und Methode wirkt dabei – noch vor
der Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der SPD – als Angebot an die
AfD.

Wir stehen solidarisch an der Seite der betroffenen Vereine und erinnern
an die wichtige Rolle, die die Allianz „Rechtssicherheit für politische
Willensbildung“  für die Verteidigung der Gemeinnützigkeit hat.
Gemeinsam sind wir stark!

KZ überlebt

geschrieben von Axel Holz

5. Februar 2025

Zehn Jahre lang nahm Stefan Hanke Kontakt zu KZ-Überlebenden auf. Er wollte ihre Geschichte hören und mit einem persönlichen Porträt weitergeben. Zahlreiche KZ-Insassen hatten den Mord an Millionen KZ-Opfern überlebt, aber ihr Leidensweg war nicht zu Ende.  Viele schwiegen über ihr Schicksal oft ein Leben lang oder sprachen darüber erst im hohen Alter. Hankes Projekt war ein Wettlauf gegen die Zeit. Die Überlebenden aus sieben Ländern waren mittlerweile zwischen 70 und 105 Jahre alt. Sie waren jüdischer Herkunft, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Kriegsgefangene, ehemalige politische Häftlinge oder als „Asoziale“ diskriminierte Häftlinge. Das Interview mit einem homosexuellen Opfer kam nicht mehr zustande, weil der betreffende KZ-Überlebende zum Fototermin bereits verstorben war. Mittlerweile sind zahlreiche Interviewpartner von Stefan Hanke nicht mehr am Leben. Der Autor hat ihnen einen Denkmal gesetzt – und damit stellvertretend allen NS-Opfern.

Stefan Hanke wollte seine Interviewpartner mit Empathie und Neugier ihre Lebensgeschichte erzählen lassen. Er hatte dafür akribisch Fachliteratur über die Konzentrationslager gewälzt und sich gut vorbereitet, bei Aufnahmen in den Gedenkstätten umfassende Informationen über die Örtlichkeiten eingeholt und versucht, deren Bezug zu den Überlebenden herzustellen. Er wollte keinen Opferschablonen für sein Vorhaben folgen, sondern die KZ-Überlebenden selbst unbefangen erleben und aus dieser Situation heraus fotografieren. Den Überlebenden sollte eine Atmosphäre geboten werden, ihre Geschichte zu erzählen und nicht zu erklären.

Er erlebte KZ-Überlebende oft stundenlang, manchmal tonlos, manchmal lachend, manchmal weinend, mit geschlossenen Augen, aber auch singend. Etwa Barbara Pankowsky, die in der Gedenkstätte Auschwitz das Volkslied Kalinka anstimmte, das sie erstmals hörte, als sowjetische Soldaten sie befreiten. Shlomo Graber hatte 32 Familienmitglieder verloren, die die Nazis ermordet hatten. Er selbst überlebte den Todesmarsch nur knapp. Bei der Geburt seines ersten Kindes lachte er. Dies sei seine Rache an Hitler, erzählte Graber im Interview mit dem Fotografen.

Die Zeitzeugen konnten sich den Ort ihres Fotos selbst aussuchen. Pavel Stransky hatte seine Frau mit einem im Lager geschmiedeten Eisenring im KZ geheiratet und damit seinen Überlebenswillen gestärkt. Er wählte den Gerichtssaal 600 des Nürnberger Gerichtspalastes als Kulisse für sein Foto, dem Ort, am dem zahlreiche NS-Täter verurteilt worden waren. Die Polin Wieslana Borsysiewicz blickte immer noch ängstlich aus dem Fenster der Baracke 16a des Frauenlagers in Auschwitz. Hier hatte sie ihre dunkelsten Stunden erlebt und durfte seinerzeit unter Strafandrohung nicht aus dem Fenster schauen. Andere wollten sich nicht an den Orten fotografieren lassen, die sie zu sehr an ihr Leid erinnerten.

Hanke wollte empathisch sein, hörte zu und versuchte, seine Emotionen nicht in den Vordergrund zu stellen. Das gelang ihm nicht immer. 2011 zeigt ihm eine Überlebende das Foto ihrer ermordeten Schwester, die mit lustigen Zöpfen zuversichtlich zur Schule schritt. Es erinnerte Hanke an ein ähnliches Foto seiner Tochter. Plötzlich sei das Grauen sehr greifbar und der Terror präsent gewesen, erinnerte sich Hanke.

Hankes Bildband erzählt Geschichten von KZ-Überlebenden. Darunter die von Esther Bejerano in den Lagern Auschwitz-Birkenau und Ravensbrück. Ihr Vater war Oberkantor einer jüdischen Gemeinde, so dass Musik ihr Leben stark beeinflusste. In Auschwitz überlebte sie im Mädchen-Orchester, wo sie sich das Akkordeonspiel selbst beigebracht hatte. Musik begleitete sie ein Leben lang, zuletzt bei zahlreichen Lesungen und Auftritten mit der Rap-Gruppe Microphone Mafia. Esther Bejerano war Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, engagierte sich politisch als Antifaschistin, als Zeitzeugin und im Auschwitz-Komitee.

Ernst Grube stand auf dem Porträtfoto des Bildbandes am Güterbahnhof Milbertshofen, von dem aus viele Münchner Juden in KZs deportiert wurden. Der Sohn einer jüdischen Mutter erfuhr in der NS-Zeit schon bald Diskriminierungund Verfolgung. Im Februar 1945 wurde er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Auschwitz deportiert. Alle erlebten ihre Befreiung, aber die Geschwister der Mutter waren zusammen mit deren Ehemännern und Kindern ermordet worden. Ernst Grube hat sich in der KPD, der VVN-BdA und in der Gewerkschaft im Sinne der von den Nazis verfolgten Menschen eingesetzt und war dabei in der Bundesrepublik neuen Verfolgungen ausgesetzt.

Hugo Höllenreiner erinnerte sich an den SS-Arzt Josef Mengele, der durch seine Verbrechen zum „Todesengel von Auschwitz“ wurde. Der 1933 in einer Sinti-Familie Geborene wurde von der Rassenhygienischen Forschungsstelle der Nazis als „Zigeunermischling“ abgewertet. Er überlebte die Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Ravensbrück, Mauthausen und Bergen-Belsen. Westdeutsche Gerichte erkannten die rassistischen Bewegründe seiner Verfolgung nicht an. Sie stützten sich auf diskriminierende Polizeiakten, die für die Verfolgung der Sinti und Roma unter den Nazis verantwortlich waren.

Regensburgs Oberbürgermeister  Joachim Wolberg bezeichnete Hankes Porträts als ein gelungenes Beispiel für den Kampf gegen das Vergessen und gleichzeitig als Mahnung an uns alle, an unsere Menschlichkeit. Hankes Recherchen zu seinem Bildband füllen mehrere Schränke aus. Darin ist mittlerweile auch ein neuer Ordner über Absagen von Veranstaltern zu seinem Ausstellungsangebot über KZ-Überlebende. Die Absagen kommen überwiegend aus Deutschland.

Kein Gedenken gemeinsam mit der AfD am 27. Januar!

26. Januar 2025

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten ist entsetzt, dass auch in diesem
Jahr die aktive Teilnahme von AfD-Mitgliedern zu verschiedenen
Veranstaltungen am 27. Januar, dem Internationalen Tag des Gedenkens an
die Opfer des Holocaust, vorgesehen sind. Wir sehen in der Teilnahem von
AfD Vertretern, wie beispielsweise in Coswig (Sachsen), eine Verhöhnung
der Opfer des NS-Regimes. Der italienische Holocaust-Überlebende Primo
Levi erklärte 1974 mahnend: „Jede Zeit hat ihren eigenen Faschismus“.
Für uns ist die AfD eine im Kern faschistische Partei, das heutige
Gesicht des Faschismus in der Bundesrepublik. Die Ermittlungen zu der
terroristischen Vereinigung „Sächsische Separatisten“ wie auch zur
„Gruppe Reuß“ zeigen, dass es auch personelle Verbindungen der AfD in
dieses Milieu gibt.

Wir appellieren deshalb an alle Bundestagsabgeordneten der
demokratischen Parteien, dem Gruppenantrag auf Einleitung eines
Prüfverfahrens auf Verfassungswidrigkeit zuzustimmen. Wir mahnen, dass
das Schüren rassistischer Ressentiments durch andere Parteien letztlich
zur weiteren Stärkung der AfD führen wird. Die Demonstrationen an diesem
Wochenende haben gezeigt, dass weite Teile der Bevölkerung die Politik
der AfD ablehnen, da sie in der AfD eine Gefahr für die Demokratie und
ihre körperliche Unversehrtheit sehen. Die demokratischen Parteien sind
gefordert endlich eine Politik zu betrieben, die die AfD nicht hofiert,
sondern in die Schranken weist.

Todesmärsche – faschistische Verbrechen vor der Befreiung

geschrieben von Ulrich Schneider

10. Januar 2025

Mit Beginn der Weichsel-Offensive der sowjetischen Streitkräfte am 12. Januar 1945 wurde in großer Hektik im Osten damit begonnen, die dortigen Arbeits- und Vernichtungslager des faschistischen Deutschlands zu räumen. Waren beim Heranrücken der Roten Armee auf die Vernichtungslager Majdanek und Sobibor noch die verbliebenen Häftlinge als potentielle Zeugen der Massenmorde getötet worden, so galt zum Ende 1944 der Befehl aus Berlin, dass kein arbeitsfähiger Häftling den alliierten Streitkräften in die Hände fallen dürfe. Trotz der Agonie des Regimes und der erkennbaren militärischen Niederlage sollte die Arbeitskraft der Häftlinge bis zum bitteren Ende im Interesse der faschistischen Kriegsproduktion ausgeplündert werden.
Während die regulären Transporte seit Sommer 1944 zu den Arbeitseinsatzstellen von Auschwitz, bei denen rund 65.000 Häftlinge in das Deutsche Reich deportiert wurden, noch relativ geordnet vonstatten gingen, erwies sich die überstürzte Räumung des Lagers Auschwitz im Januar 1945 als Tortur für die Häftlinge. Tatsächlich befanden sich Mitte Januar noch knapp 70.000 Häftlinge in den drei Lagerbereichen von Auschwitz und in den Außenkommandos. Die eingleisige Bahnverbindung, die für die Massentransporte zur Vernichtung in Auschwitz genutzt worden war, reichte für eine Deportation ins Reich nicht mehr aus, zudem wurden Lokomotiven und Waggons für die Logistik der Reichswehr benötigt.  
Die brutale Konsequenz war, dass über 50.000 marschfähige Häftlinge in Gruppen von 1.000 bis 2.500 Menschen zu Fuß auf eine Strecke von 50 bis 60 Kilometer nach Gleiwitz bzw. andere Eisenbahnstationen getrieben wurden. Da die Häftlinge entkräftet waren, dauerte der Marsch mehrere Tage. Von dort wurden sie bei Minustemperaturen in Güterwaggons in Lager im Deutschen Reich, z.B. in das KZ Buchenwald, deportiert. Auch diese Transporte dauerten mehrere Tage, an denen die Häftlinge weder Verpflegung noch Wasser zum Trinken von den SS-Wachen bekamen. Bei der Ankunft in den neuen Lagern mussten aus den Transportzügen zumeist viele Leichen geholt werden. Allein bei den Todesmärschen von Auschwitz ins Deutsche Reich starben nach unterschiedlichen Berechnungen zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge – ermordet durch die SS-Wachmannschaften oder gestorben unter den Transportbedingungen.  
Etwas geordneter verliefen die Deportationen aus dem Westen. Als die US-Truppen am 25. November 1944 das KZ Natzweiler im Elsass erreichten, fanden sie das Lager leer vor. Schon im September 1944 war ein Großteil der Häftlinge in das KZ Dachau deportiert worden. Im Oktober wurde die Verwaltung in das KZ Außenlager Neckarelz verlegt. Vor dem Eintreffen der alliierten Streitkräfte wurden die verbliebenen Häftlinge in andere Außenlager verbracht.
Mit dem weiteren Vormarsch der alliierten Streitkräfte wurden in allen Teilen des Deutschen Reiches KZ-Außenlager aufgelöst und Häftlinge auf Transport in Lager in noch nicht besetzten Teilen des Reiches geschickt. Dabei waren diese Transporte natürlich auch für die Zivilbevölkerung sichtbar. Bezeichnend für die Haltung der deutschen „Volksgemeinschaft“ war , dass diese Todesmärsche, insbesondere wenn sie zu Fuß erfolgten, vor allem als Zumutung empfunden wurden. Vielleicht verstärkten die Eindrücke auch die Angst davor, was passieren würde, wenn die Alliierten den Krieg gewinnen, da man ja selber mittelbar beteiligt war an den faschistischen Massenverbrechen. Durchhalte-Parolen der Nazis führten dazu, dass sogar Wachmannschaften aktiv unterstützt wurden beim Weitertransport der Häftlinge oder beim Verscharren der Leichen der Transporte. Beteiligt waren nicht nur Funktionsträger, Polizisten, lokale Nazi-Funktionäre oder Mitglieder von „Volkssturm“ und  „Hitler-Jugend“. Die Akteure kamen aus allen Schichten und Altersgruppen. Es gab nur wenige Beispiele, dass Menschen den KZ-Häftlinge bei diesen Transporten geholfen hätten.

Ältere Nachrichten ·