Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist demokratisch eingestellt unter äußert Sorgen über den ansteigenden Rechtsextremismus. Das zeigt sich in der neuesten Mitte-Studie 2024/25 mit dem Titel „Die angespannte Mitte“. Seit über zwanzig Jahren erscheint die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie ist ein Seismograf für demokratische und antidemokratische Stimmungen im Land. Die neueste Studie entstand unter der Leitung von Prof. Zick von der Universität Bielefeld.
Nationalchauvinismus wächst
Mit 76,1 Prozent lehnen drei Viertel der Menschen in Deutschland rechtsextreme Einstellungen ab. Etwa 3,3 Prozent haben ein rechtsextremes Weltbild, deutlich weniger als mit 8,3 Prozent vor zwei Jahren. Möglicherweise haben die Wahlerfolge der AfD und der Vormarsch rechtsextremer Einstellungen mehr Demokraten nachdenklich gemacht. Trotz des Rückgangs rechtsextremer Einstellungen in den Feldern Befürwortung einer Diktatur, dem Nationalismus, der Fremdenfeindlichkeit, dem Antisemitismus und Sozialdarwinismus gegenüber der letzten Mitte-Studie ist der Hang zum Nationalchauvinismus auf 19,8 Prozent gewachsen, im Graubereich der teil-teils-Antworten weiter auf 37,8 Prozent gestiegen und erfasst damit mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Obwohl 87,8 Prozent der Befragten meinen, dass in einer Demokratie die Würde und Gleichheit aller an erster Stelle stehen sollte, vertreten zugleich mit 34,1 Prozent ein Drittel die Ansicht, dass im nationalen Interesse nicht allen die gleichen Rechte gewährt werden könnten. Menschen, die sich zur Demokratie bekennen, sind teils selbst vorurteilsbeladen. Ein Viertel der Befragten meint, es werde zu viel Rücksicht auf Minderheiten genommen. Abwertenden Einstellungen finden sich bei 30,2 Prozent der Bevölkerung gegenüber Asylsuchenden, bei 36,1 Prozent gegenüber Langzeitarbeitslosen und in Form von antisemitische Einstellungen bei 17,0 Prozent der Bevölkerung, ergänzt durch 22,4 Prozent Zustimmung im teils-teils-Graubereich.
Trotz der Abnahme gefestigter rechtsextremer Positionen äußert sich jede fünfte befragte Person nicht klar gegen rechtsextreme Positionen. Der Graubereich bleibt konstant. Die Menschen in Deutschland sind nicht rassistischer geworden, aber sie äußern sich im Zweifel weniger klar antirassistisch. Das liege auch daran, dass sich die Mitte der Gesellschaft teils bewusst und teils unbemerkt an rechtsextreme Politik, Kampagne und Ideologie gewöhnt, konstatieren die Macher der Studie. Das zeigt sich besonders deutlich beim Nischenthema der Transfeindlichkeit, bei dem die Umfrage mit 19 Prozent einen neuen Höchstwert ergab. Gleichzeitig steigt die Zahl der organisierten Rechtsextremisten ebenso wie die der Hasstaten und rassistische Verbrechen an.
Mehrheit steht hinter Demokratie
Zugleich steht mit 79 Prozent der Bevölkerung die große Mehrheit hinter der Demokratie und 52 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sie im Großen und Ganzen ganz gut funktioniere. Doch das Misstrauen gegen die Demokratie wächst. 21,1 Prozent der Befragten haben kein Vertrauen mehr in die demokratischen Institutionen und 18,2 Prozent fehlt das Vertrauen in die demokratischen Wahlen. Befördert werden diese antidemokratischen Stimmungen auch durch eine liberal-autoritäre Ideologie bei 25 Prozent der Bevölkerung, die Menschen nach Leistung und Nützlichkeit bewertet und individualistische mit neoliberalen und autoritären Vorstellungen vom gesellschaftlichen Miteinander vereint. Diese Gruppe neigt mit 13,5 Prozent deutlich stärker einem rechtsextremen Weltbild zu. Das führt auch dazu, dass Jugendliche aus einem autoritären und leistungsbezogenen Elternhaus besonders anfällig für politische Überlegenheitsfantasien sind. Antidemokratische Einstellungen gehen auch mit Unzufriedenheit mit dem Lebensumfeld einher. Wer Schulqualität, Gesundheitsversorgung und Kulturangebote vermisse, gehe auf Distanz zum politischen System, heißt es in der Studie. Ungelöste politische Probleme der Mehrheit und das Schüren von Vorurteilen durch die Rechtspopulisten haben einen Rechstdrall befördert, der die gesamte Gesellschaft weniger abwehrbereit gegenüber gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und ihre politischen Auswirkungen macht. Die einst orientierende und Konflikte mäßigende Mitte habe sich an den Rändern in radikale und extremistische Milieus verschoben und dabei den Extremismus jenseits dieser Ränder normalisiert, analysieren die Autoren. Radikale Gegenentwürfe von rechts würden die Gesellschaft in Richtung eines Kipppunktes treiben, heißt es zusammenfassend. Die Mitte könne ihre Fähigkeit verlieren, sich von rechtsextremen Positionen abzugrenzen, wenn sie kontroverse Debatten über drängende krisenhafte Probleme scheue.
Wie können wir diesem Trend entgegenwirken? Jeder zweite Befragte ist bereit, selbst etwas gegen Rechtsextremismus zu tun und 61 Prozent stimmen dem teilweise zu. Mehr politische Bildung fordern 61 Prozent der Befragten und 23 unterstützen diese Forderung teilweise. Auch die Medien sind gefragt, um der Verharmlosung und Rechtfertigung rechtsextremer Ideologie entgegenzutreten. Dazu gehört auch, der schleichenden Akzeptanz der Umkehr von Begriffen, die den Rechtsextremismus kennzeichnen, und der Umkehr von Schuld und Verantwortung klar entgegenzutreten.















