Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2025 in Schwerin
8. Mai 2025

Vor 80 Jahren haben die Alliierten Streitkräfte den Zweiten Weltkrieg militärisch beendet und die bedingungslose Kapitulation Deutschlands erzwungen. Dieser Krieg Hiltlerdeutschlands hatte über 60 Millionen Opfer gefordert – Soldaten und Zivilisten, Frauen, Kinder und Alte. Darunter befinden sich auch sechs Millionen jüdische Opfer der systematischen und industriellen Vernichtung aus ganz Europa, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Menschen mit Behinderungen, politische Gefangene und Widerständler, Sinti, Roma, Christen und andere religiöse Menschen. Auf dem Vormarsch der Alliierten wurden Hundertausende Häftlinge in den KZs oder auf Todesmärschen, aber auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter befreit.
Das militärisch erzwungene Kriegsende ermöglichte die Befreiung des zuvor besetzten Europas und Deutschlands vom Faschismus in seinen nationalen Ausprägungen als Nationalsozialismus, italienischem Faschismus oder als faschistische Diktaturen in Ungarn, Rumänien oder Kroatien bzw. als Befreiung von faschistischer Okkupation. Auch die Deutschen wurden von einer Diktatur befreit, in der brutale Gewalt gegen Andersdenkende und Ausgegrenzte herrschte und die Menschen ihrer demokratischen und Freiheitsrechte beraubt wurden.
Diese Befreiung wurde von vielen Deutschen zunächst als Zusammenbruch wahrgenommen und es dauerte im Westen Deutschlands noch Jahrzehnte, bis Bundespräsident von Weizsäcker 1985 erstmals von einem Tag der Befreiung sprach. Selbst zu diesem Zeitpunkt gab es immer noch heftige Widerstände in Teilen der Bevölkerung gegen diese Einschätzung, die durch die konservative Geschichtsdebatte im sogenannten Historikerstreit und eine aktive Naziszene befördert wurden.
Heute gibt es in Deutschland eine aktive Erinnerungskultur, in der alle Opfergruppen der Nazi-Diktatur einen Platz und würdige Anerkennung erfahren. Die Erinnerung an die Naziverbrechen und insbesondere den Holocaust gehört zur deutschen Staatsräson.
Dennoch kritisieren Persönlichkeiten wie Michel Friedmann zurecht, dass trotz KZ-Gedenkstätten, Schulunterricht, politischer Bildung und Mahnreden immer noch zu wenig getan wird, um Antisemitismus, Nationalismus und der Ausgrenzung einzelner Menschengruppen aktiv und wirksam im Alltag entgegenzuwirken. Dies ist umso tragischer, weil die Zeit drängt.
Denn mittlerweile tragen ein Drittel der Wähler im Osten eine geforderte Wende in der Erinnerungskultur mit, nämlich weg vom Gedenken an die NS-Opfer oder nehmen sie billigend in Kauf. Politiker, für die die Nazi-Diktatur nur ein „Fliegenschiss der Geschichte“ war, das Holocaustdenkmal ein „Denkmal der Schande“ statt der Erinnerung und Mahnung ist, finden in Teilen der Bevölkerung offensichtlich bedenkenlose Zustimmung. Die Ausgrenzung von Menschengruppen wird vielfach wieder hingenommen oder sogar vorangetrieben.
Deshalb ist es heute wichtiger denn je, das Gedenken an das größte Verbrechen der deutschen Geschichte – an Holocaust, KZ-System und Vernichtungskrieg – wach zu halten, ansprechend zu vermitteln und im Gedächtnis des Landes und der Menschen zu verankern. Deshalb bleibt es wichtig, die mörderischen Erfahrungen der Ausgrenzung von Menschen für mehr Toleranz und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit immer wieder zu thematisieren und ins Bewusstsein zu heben.
Die neue Broschüre zu den Gedenkorten der Todesmärsche zum Kriegsende in Mecklenburg-Vorpommern kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Sie informiert umfassend, kann Zuversicht geben und zur Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte motivieren.
Davon zeugen die bisher ungebrochene aktive Erinnerungskultur des Landes in Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur aber auch die Unterstützung und Pflege der Erinnerungsorte des Todesmarsches durch zahlreiche Kommunen und Einzelpersonen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.