Lichtenhagen-Gedenktafel verschwunden

geschrieben von Axel Holz

29. August 2019

 

Bereits zum dritten Mal ist die Metallplatte am Rostocker Rathaus zum Gedenken an die Schande von Lichtenhagen verschwunden. Allerdings wurde die Platte inzwischen wiedergefunden und der Täter gefasst, hieß es auf Anfrage einer VVN-Aktivistin im Rostocker Rathaus. Nun soll eine technische Möglichkeit gefunden werden, die das Abschrauben unmöglich machen soll. Die VVN-BdA bleibt dran.

Der Zwischenfall hat eine Vorgeschichte. Nach den rassistischen Gewalttaten in Rostock-Lichtenhagen, die 1992 medial um die ganze Welt gingen, hatte eine Gruppe der „Söhne und Töchter der deportierten Juden Frankreichs“ um Beate Klarsfeld eine Gedenktafel am Rostocker Rathaus angebracht. Die Tafel wurde sofort entfernt, während die Polizei 43 Aktivisten unter Einsatz massiver Gewalt festnahm. Zwanzig Jahre später erinnerte die Stadt Rostock zusammen mit 6.000 Akteuren der Zivilgesellschaft mit einer Demonstration an die rassistischen Übergriffe in Rostock. Der damalige Juso-Vorsitzende Sascha Voigt kritisierte zuvor, dass CDU-Innenminister Lorenz Caffier die Demonstration des breiten Bündnisses als gewalttätig und linksextremistisch diffamiert hatte. Eine Vorbereitungsgruppe hatte zugleich mit der Stadtverwaltung vereinbart, dass die besagte Erinnerungstafel zum Jahrestag des Gedenkens erneut am Rathaus angebracht werden sollte. Die Vorsitzende der VVN-BdA, Cornelia Kerth, hatte dann die Tafel unter den Augen tausender Demonstranten und zahlreicher Pressevertreter erneut angeschraubt. Doch bereits am 5. Dezember desselben Jahres war die Gedenkplatte von Nazis über Nacht entfernt worden. Stattdessen prangte an der Wand ein Schild mit den Worten „Für immer Deutschland“. Noch im Dezember 2012 wurde die Gedenkplatte von Antifaschisten und Rostocker Politikern erneut montiert. In gewisser Weise wurde so mehrfach an die Lichtenhagener Gewaltexzesse erinnert und eine Diskussion um ein festes Mahnmal befördert. Ende 2016 war es dann soweit, als Ministerpräsidentin Manuela Schwesig die erste von fünf weißen Marmor-Stelen des Künstlerkollektivs „Schaum“ enthüllte – zur Erinnerung an fünf Tage und das Versagen von Politik, Medien, Gesellschaft und Staatsgewalt sowie die rassistische Selbstjustiz.

Ausstellung „Deutschland muss leben, deshalb muss Hitler fallen“ in Neustrelitz

geschrieben von Axel Holz

23. Juli 2019

Die Ausstellung „Deutschland muss leben, deshalb muss Hitler fallen“ ist vom 15.05.-01.09.2019 ist in der Stadtkirche  Neustrelitz zu sehen. Die Ausstellung der Gedenkstätte deutscher Widerstand wird in Kooperation mit der VVN-BdA Schwerin-Westmecklenburg und der Landeszentrale für Politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern gezeigt. Bereits im ersten Monat nach der Eröffnung haben über 900 Kirchen-Besucher die Ausstellung besucht.  Zahlreiche Gäste waren der Einladung zur Eröffnung der Ausstellung am 15. Mai gefolgt. Neben der Begrüßung durch Pastor Feldkamp sprach Pröpstin Britta Carstensen  zum 75. Jahrestag des Hitlerattentats über Widerstand gestern und heute.  Diplom-Landwirt Gerhard Fischer informierte über die Wanderung der Ausstellung durch 14 Orte in Mecklenburg-Vorpommern. Mit Orgelmusik und einem Imbiss wurde die Veranstaltung abgerundet.

Interessenten haben bis zum 1. September die Möglichkeit die Ausstellung zu besuchen.

Veranstaltung am 30. August zum Weltfriedenstag in Ribnitz-Damgarten

geschrieben von Marianne Linke und Eckart Kreitlow

23. Juli 2019

am 30.08.2019 – nahe dem Vorabend des Weltfriedenstages – führen wir eine gemeinsame Veranstaltung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA- Gruppe Stralsund) und des Heimat- und Bildungsvereins Ribnitz-Damgarten e. V. im Begegnungszentrum Ribnitz-Damgarten durch. Die Veranstaltung beginnt um 17.00 Uhr aus Anlass des 80. Jahrestages des verbrecherischen Überfalls des faschistischen Deutschlands auf Polen.
Unser Gast dieses Friedensgesprächs ist der Osteuropa-Experte und Ex-ARD-Korrespondent Reinhard Lauterbach.
Ihr seid herzlichst eingeladen! Bringt Freunde, Nachbarn und Familie mit!
Marianne Linke und Eckart Kreitlow

Vor 75 Jahren: Wir erinnern an das Attentat deutscher Offiziere auf Adolf Hitler

geschrieben von Dr. Ulrich Schneider

20. Juli 2019

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Vor 75 Jahren, am 20. Juli 1944, versuchte eine Gruppe von Offizieren der deutschen Wehrmacht Adolf Hitler mit einem Bombenanschlag zu töten. Sie hatten versucht, wenn auch erst 5 Minuten vor 12, angesichts der drohenden militärischen Niederlage des deutschen Faschismus die – aus ihrer Sicht – schlimmste Katastrophe für ihr Land abzuwenden, indem sie Hitler beseitigen wollten und mit einer neuen Regierung Friedensverhandlungen mit den Westalliierten planten. Unterstützt wurden diese Offiziere durch Frauen und Männer des Kreisauer Kreises. Dies waren Angehörige der alten Eliten, bürgerliche und christliche Nazigegner, selbst Mitarbeiter in Ministerien, die ebenfalls den Krieg als verloren ansahen und für einen Neuanfang auf nichtfaschistischer Grundlage eintraten.
Das Attentat von Claus Graf von Stauffenberg war nicht erfolgreich, das Unternehmen „Walküre“, das die Entmachtung der SS und der faschistischen Organisationen erreichen sollte, scheiterte. Die Verschwörer, die Angehörigen des Militärs und die zivilen Angehörigen des Kreisauer Kreises, wurden verhaftet, wegen Hoch- und Landesverrat angeklagt und hingerichtet, ihre Familienangehörigen in Sippenhaft genommen.
Wir wissen heute: Wären die Attentäter des 20. Juli 1944 erfolgreich gewesen, hätte das in den folgenden Monaten Millionen Menschen in ganz Europa das Leben gerettet, nicht nur Soldaten, die an der Front ums Leben kamen. Gerettet worden wären viele Opfer der Deportationszüge in die Vernichtungslager, die Häftlinge in den Konzentrationslagern, die am Ende des Krieges auf Todesmärsche geschickt wurden, die Zivilisten, die im Zuge des Bombenkrieges und bei der faschistischen Rückzugsform „verbrannte Erde“ ihr Leben oder ihre Lebensgrundlage verloren, nicht zu vergessen die Millionen Flüchtlinge, die vor den Schrecken des Krieges ihre Heimat verlassen mussten.

Wir erinnern daran, dass bis Ende der 50er Jahre selbst diese Nazigegner in der Bundesrepublik Deutschland als „Vaterlandsverräter“ beschimpft wurden. Heute wird in der ganzen BRD zur Erinnerung an die Frauen und Männer des 20. Juli 1944 geflaggt, in einem Festakt im Bendler-Block (Verteidigungsministerium) wird öffentlich ihr Mut gewürdigt. Gleichzeitig wird an diesem Tag in Kassel ein neofaschistischer Aufmarsch genehmigt, der faktisch den jüngsten Mord an dem nordhessischen Regierungspräsidenten Dr. Lübcke durch einen Neofaschisten verhöhnt.

Die FIR würdigt den Mut und die Tat eines Claus Graf von Stauffenberg und der anderen Angehörigen des Militärs vom 20. Juli 1944. Die Erinnerung an diesen Widerstand verpflichtet uns heute mit den Mitteln des gesellschaftlichen Handelns allen neofaschistischen Umtrieben aktiv entgegenzutreten, wie es das Kasseler Bündnis von über 100 Organisationen, Initiativen und gesellschaftlichen Kräften am 20. Juli 2019 unter Beweis stellt.

Verlorene Mitte – Feindselige Zustände

geschrieben von Axel Holz

2. Juni 2019

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Rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung haben tendenziell abgenommen. Aber neue rechte Mentalitäten in der Mitte der Gesellschaft gefährden die Demokratie.

Seit 2002 untersucht eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aller zwei Jahre die politischen und sozialen Einstellungen und prüft, wie fragil und gespalten die gesellschaftliche Mitte ist, die bisher stets als Garant für Stabilität und feste Normen galt. Im Mittelpunkt steht dabei, wie weit rechtsextreme, rechtspopulistische und menschenfeindliche Einstellungen in die Mitte der Gesellschaft eingedrungen sind. Haben Polarisierungen und Konflikte die Norm von der Gleichwertigkeit aller Gruppen verschoben? Ist die demokratische Mitte geschrumpft oder verloren?

Antworten gibt die neue Studie über rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/2019 mit dem Titel „Verlorener Mitte – Feindselige Zustände“. Sie zeigt zunächst, dass rechtsextreme Einstellungen in der Gesamtbevölkerung nicht zugenommen haben, allerdings in einigen Subgruppen. Auffallend ist der Anstieg rechtsextremer Einstellungen bei den Jüngeren, bei Einkommensstärkeren und bei Gewerkschaftsmitgliedern mit Blick auf spezifische Dimensionen wie Antisemitismus und Chauvinismus. Auch hat der Antisemitismus bei Frauen zugenommen, so dass sich die bisher wahrgenommenen Einstellungsunterschiede nach Soziodemografie nivellieren.

Die Entwicklung rechtsextremer Einstellungen wird in der Studie an sechs Kriterien mit den immer gleichen Fragen gemessen. Auf den Gebieten Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Verharmlosung des NS-Regimes, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus uns Sozialdarwinismus haben sich die Werte von 2002 bis 2018 deutlich verringert – mit einem leichten Anstieg von 2016 bis 2018. So ist über 16 Jahre tendenziell der Hang zum Chauvinismus von 18,3 auf 12,5 Prozent um ein Drittel gesunken. Die Fremdenfeindlichkeit hat sich im gleichen Zeitraum von 26,9 auf 8,9 Prozent um fast zwei Drittel verringert. Insbesondere beim Antisemitismus findet sich bei den Befragten nicht selten eine Zurückweisung oder Ablehnung, während gleichzeitig nationalchauvinistischen und fremdenfeindlichen Positionen umso stärker zugestimmt wird.

Das klingt alles sehr gut und scheint im Widerspruch zum Titel der aktuellen Studie zu stehen. Woran wird dann die „verlorene Mitte“ festgemacht, die von Experten ohnehin ungern als extrem eingeschätzt wird, weil sich damit der Begriff Extremismus selbst überflüssig mache? Darauf gibt ein Aufsatz von Alexander Häusler und Beate Küpper in der Studie Auskunft. Rechtsextreme Einstellungen finden derzeit nicht mehr so viel Zustimmung wie andere antidemokratische Einstellungen, darunter Anti-Establishment-Einstellungen, Unterstellung eines Meinungsdiktats, Islamverschwörung, nationale Rückbesinnung, Ethnopluralismus und Antifeminismus. In der Bundesrepublik wurden rechtsextreme Erscheinungsformen lange Zeit als gesellschaftliche Randphänomene wahrgenommen. Sie fokussierten sich auf Wahlerfolge der traditionellen Rechtsaußenparteien, auf Aufmärsche neonazistischer Kameradschaftsnetzwerke und auf neonazistisch motivierte Gewalttaten.  Mittlerweile hat sich die Grauzone der neuen Rechten im Spannungsfeld zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus zu einem realpolitischen Prozess ausgewachsen, der die Mitte der Gesellschaft zunehmend erfasst. Rechtsextreme Kleinparteien verlieren an Bedeutung oder verschwinden zu Gunsten der rechtspopulistischen AfD. Milieuübergreifende Straßenmobilisierung durch „Pegida“ oder die „Identitären“ verändern das rechte Bewegungsfeld, das zunehmend von einer sozialen und organisatorischen Durchmischung von vormals getrennt agierenden Protestmilieus geprägt ist. Rechtspopulistische Wahlerfolge und rechte Straßenmobilisierung münden zunehmend in autoritär strukturierte und teilweise gewaltaffine Formern rechter Selbstermächtigung.

Unter neurechtem Einfluss erodiert die Abgrenzung zwischen Konservatismus und Rechtextremismus. Mit sozialpopulistischer Demagogie gelang der AfD ein Einbruch in das Lager ehemals linker Wähler und die Mobilisierung von Nichtwählern. Anders als bei den Neonazis wird hier die demokratische Ordnung formell nicht in Frage gestellt, aber durch einen Rückgriff auf den ultranationalistischen Mythos eine Radikalisierung nach rechts und damit eine Revision der Verfassungswirklichkeit bzw. einzelner Normen angestrebt. Dabei gehen die Rechtpopulisten von einer ethnisch bedingten Ungleichheit der Menschen aus, verlangen nach ethnischer Homogenität der Völker, lehnen das Gleichheitsgebot der Menschenrechts-Deklaration ab, betonen den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum, unterordnen den Bürger unter die Staatsräson, lehnen den Wertepluralismus liberaler Demokratie ab und wollen Demokratisierung rückgängig machen. Über völkisch-autoritären Populismus wird der alte harte Rechtsextremismus in modernem, soften Gewand verpackt.

Der AfD gelingt es, verschiedene Phänomene des Rechtsaußenspektrums zu repräsentieren und in die Parlamente zu tragen. Wer meint, mit diesen Kräften einen Dialog führen zu wollen, sollte nicht glauben, sie mit freundlichen Argumenten auf den Pfad der Demokratie führen zu können, kommentieren die Autoren der Studie. Sie erinnern daran, dass die Nationalsozialisten nie die absolute Mehrheit erlangen konnten und auch niemals formal die Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt haben. Dennoch konnten sie ihr autoritäres Herrschaftssystem etablieren, bei dem viele mitgemacht und mitgejubelt haben.

Der Fall Collini

geschrieben von Axel Holz

30. Mai 2019

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cinecitta.de

Der SpielfilmDer Fall Collini“ thematisiert neben dem jahrzehntelangen Versagen des bundesdeutschen Staates bei der Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern dessen Kollaboration mit den Tätern. Ein unscheinbares Gesetz verhinderte 1968 die effektive Verfolgung von Kriegsverbrechern.

Nach langem Schweigen wurde in Deutschland das gesellschaftlich unbewältigte NS-Erbe auch künstlerisch thematisiert. Ob in den 60er Jahren mit „Die Ermittlung“ von Peter Weiss, „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth oder im Film „Der Rosengarten“ über ermordete Kinder vom Bullenhuser Damm und ihre unangetasteten Täter von 2013, seit über 60 Jahren gibt es nun eine gesellschaftliche Debatte um den Umgang der Deutschen mit ihren Kriegsverbrechern. Mit der jüngsten Verfilmung des 2011 erschienenen Romans „Der Fall Collini“ von Ferdinand von Schirach durch Regisseur Marco Kreuzpainther wird diese Tradition zugespitzt. Im Film geht es nicht nur um die jahrzehntelange Verschleierung von NS-Kriegsverbrechen und um die Behinderung ihrer Verfolgung durch die NS-durchsetzten Eliten der 50er und 60er Jahre, sondern um das Versagen des Staates. Warum kamen eigentlich so wenige NS-Kriegsverbrecher vor Gericht? Eine Ursache liegt in einem unscheinbaren Gesetz aus dem Jahre 1968, dem nach dem ehemaligen Nazi-Staatsanwalt und Ministerialbeamten benannten Dreher-Gesetz. Als „Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG)“ wurde es kritiklos durch den Bundestag gewinkt und hatte doch verheerende Wirkungen auf die Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern.  Aus Mördern machte es Mordgehilfen, deren Taten 1960 verjährt waren. Das Gesetz unterbrach sofort viele bereits laufende Verfahren. Auf dieser Grundlage mussten nun ehemaligen Wehrmachtssoldaten und SS-Leuten erst individuell niedrige Beweggründe oder andere Mordmerkmale nachgewiesen werden, um eine Verurteilung zu erwirken. Der Film bringt das vergessene Schand-Gesetz wieder ans Tageslicht und zeigt in einer auf Tatsachen beruhenden Geschichte, welche verheerende Wirkung der Rechtsstaat mit einem Recht bewirkte, dass die NS-Opfer im Stich ließ und die Täter schützte.

Im Film tötet der vom alternden Franc Nero gespielte Gastarbeiter Fabricio Collini den angesehenen Industriellen Hans Meyer in einer Berliner Hotelsuite – scheinbar ohne jedes Motiv. In Deutschland führte er seit dreißig Jahren ein unauffälliges Leben, bevor er überraschend den wohlhabenden und sympathisch wirkenden Konzern-Vorstand erschießt und wütend auf sein Opfer eintritt. Ein guter Job-Start für den frisch gebackenen Strafrechtler Caspar Leinen, gespielt durch Elya M’Barak, der vielen aus „Türkisch für Anfänger“ und „Fack ju Göhte“ bekannt ist. Schwierig wird es für den Anwalt, als er erfährt, dass das Opfer sein ehemaliger Ziehvater ist, der den türkischstämmigen Jungen bereits früh gefördert hatte.  Caspar, der Junge einer alleinerziehende türkischen Mutter, hatte dort faktisch sein zweites zuhause gefunden. Fabrikbesitzer Meyer wiederum war der Großvater eines Schulfreundes, der ihn vor rassistischen Anwürfen des eigenen Enkels in Schutz nahm – anders als in Schirachs Buchvorlage, in der der Industrielle Meyer ein unbelehrbarer Sadist ist. Schwierig wird es für ihn auch dadurch, dass Alexandra Maria Lara in der Rolle von Johanna Meyer die Enkelin des Industriellen und seine Jugendliebe ist, die nun alles für die Aufklärung des Mordes tut und einiges mehr. Nur mit Mühe gelingt es dem jungen Anwalt Leinen, die Motive des müden Gastarbeiters während des Prozesses zu ermitteln, der im ganzen Film nur wenige Sätze von sich gibt und dennoch mit ausdrucksvoller Verbitterung beeindruckt. Wie bei Schriach im Buch besteht der Coup des Anwalts Leinen auch im Film darin, dass er die deutsche Justiz auf die Anklagebank setzt. Der Gastarbeiter Collini hatte als Kind mit ansehen müssen, wie SS-Offizier Meyer seinen Vater zusammen mit weiteren Männern des Dorfes Montecatini 1944 im Rahmen einer sogenannten Vergeltungsaktion erschießt. Die Mörder des Massakers werden nie bestraft, sondern im Gegenteil durch eine Rechtsänderung erst vor Verfolgung geschützt, wie Anwalt Leinen im Prozess offenbart. Realistisch erscheint auch, dass der erfahrene Onkel des Industriellen als renommierter Strafrechtsprofessor Richard Mattinger in Absprache mit Enkeltochter Johanna Meyer nicht nur als Kläger auftritt, sondern eine Offenlegung des Nazi-Vergangenheit des angesehenen Industriellen mit allen Mitteln zu verhindern sucht. Die Mittel reichen von der Einschüchterung bis zum Angebot, Anwalt Leinen bei Verzicht auf die Verteidigung lukrative juristische Aufträge in Aussicht zu stellen. Der Film bleibt bis zum Schluss spannend. Tatsächlich wurde bis auf eine Ausnahme kein deutscher Wehrmachts- oder SS-Täter jemals von einem deutschen Gericht wegen in Italien begangener Kriegsverbrechen verurteilt. Es ist das Verdienst des Films, dass er das schwer verständliche und nie korrigierte Versagen der deutschen Justiz bei der Verfolgung von Naziverbrechen eindrucksvoll einem breiten Kinopublikum ins Bewusstsein rückt.

 

Rede zum 74. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus in Malchin

7. Mai 2019

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Am 6. Mai versammelten sich knapp 30 Menschen am Friedhof der bei der Befreiung Malchins und Umgebung gefallenen Rotarmisten, um dem Ende der faschistischen Terrorherrschaft und dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu gedenken. Nico Burmeister, Sprecher unserer Landesvereinigung, hielt einen Redebeitrag.

Liebe Freund*innen und Kamerad*innen,

diesen Mittwoch begehen wir in vielen Städten M-V’s den 74. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus. Nach sechs langen Jahren des Krieges war das Dritte Reich endlich militärisch besiegt. Der deutsche Faschismus ging unter, so schien es.

Fast ein dreiviertel Jahrhundert nach dem Ende des Krieges breiten sich menschenverachtende Ideologien in Deutschland wieder aus. Nach dem vermeintlichen Niedergang der NPD knüpften unmittelbar die Erfolge der AfD an. Längst sind rechtsextreme Einstellungen in der sogenannte Mitte der Gesellschaft wieder angekommen.

Wenn Nazis wieder in SA Manier unter Polizeischutz durch Plauen marschieren dürfen,

Wenn Rechtsextreme über die AfD in die Landtage und den Deutschen Bundestag einziehen,

Wenn täglich irgendwo in der Bundesrepublik Geflüchtete und deren Unterstützer*innen angegriffen werden,

Wenn sich Rechtsextreme augenscheinlich in der Polizei Hessens breit machen dann wissen wir,

dass „der Kampf gegen den Nazismus mit all seinen Wurzeln“, den die Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald 1945 ausriefen, immer noch nicht zu Ende ist.

Doch der Kampf für eine „neue Welt des Friedens und der Freiheit“ ist noch nicht verloren. Immer öfter gehen nicht nur ältere, sondern auch junge Menschen auf die Straße und engagieren sich für eine weltoffene Gesellschaft.

In Rostock gehen jeden Monat aufs neue vor allem Jugendliche gegen die rechten Aufmärsche der AfD auf die Straße

In Güstrow stellten sich in den letzten Monaten Jugendliche Naziaufmärschen in den Weg und waren dabei sogar in der Überzahl.

Auch waren es junge Menschen, die sich am 1. Mai in Wismar der NPD direkt in den Weg stellten, während es andere vorzogen, sich mit ihrem Alibiprotest möglichst weit von den Nazis weg zu bewegen und ihnen damit quasi die Straße überließen.

Diesen Mittwoch werden wieder hunderte Menschen, jung und Alt gemeinsam, gegen den rechtsextremen Aufmarsch der Nazis in Demmin protestieren.

Ja, die Nazis sind wieder da. Oder waren nie weg. Aber eins ist sicher: wir sind auch da. Wir lassen nicht locker, bis der Hass der Nazis und anderer Rassist*innen endgültig geächtet ist.

Wir bleiben hier und überlassen den Rechten nicht das Feld. Weder in Malchin, noch sonst wo in Mecklenburg- Vorpommern. Nicht einen Quadratmeter. Und deshalb hoffe ich, dass wir uns allealle am 8. Mai in Demmin sehen.

Ich danke für eure Aufmerksamkeit.

VVN-BdA M-V unterstützt Spendenaktion gegen rechtsextreme Demo in Demmin

29. April 2019

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Der Landesvorstand der VVN-BdA unterstützt die Aktion gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen am 8. Mai mit einer Spende in Höhe von 200 €. Mitglieder des Verbandes unterstützen seit vielen Jahren die friedlichen Proteste und freuen sich, dass sich immer mehr Menschen den Gegenveranstaltungen anschließen und damit deutlich machen, dass sie nicht gewillt sind, dass die schrecklichen Ereignisse am Kriegsende 1945 in Demmin für rechtsextremes Denken und Handeln missbraucht werden.

Peter Ritter, MdL

Landessprecher der VVN-BdA Mecklenburg-Vorpommern

Ausstellung Europäischer Widerstand in Schwerin

28. April 2019

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Ab Dienstag den 30. April 2019 wird in der Volkshochschule „Ehm Welk“ in der Schweriner Puschkinstraße 13 die Ausstellung “Antifaschistischer Widerstand in Europa 1922-1944“ der Internationalen Förderation der Widerstandskämpfer FIR und des belgischen Institut Vétérans für zwei Wochen zu sehen sein. Auf fünfzig Schautafeln wird der Widerstandskampf gegen den Faschismus in 21 Staaten Europas dargestellt. Die Ausstellung wurde bereits in Brüssel, Berlin, Moskau, Hamburg, Bremen, Rostock, Kassel und in der Gedenkstätte Buchenwald gezeigt. Antifaschistischer Widerstand hatte in den verschiedenen Ländern Europas ganz unterschiedliche Formen. Dabei ging es darum, ob es im Land selber einflussreiche faschistische Bewegungen gegeben hat wie in Deutschland, Italien, Frankreich, Ungarn oder Spanien – oder, ob die nazistische Herrschaft erst während der militärischen Okkupation durch die deutschen oder italienischen Truppen in das Land kam. Auch die Zugänge zum Widerstand waren von den jeweiligen nationalen Besonderheiten abhängig. Antifaschisten reagierten auf die jeweiligen Maßnahmen der faschistischen Herrschaft. In Deutschland, Italien und Bulgarien kämpfte man zuerst gegen die Einschränkungen aller Freiheitsrechte und für die Bewahrung der früher erkämpften sozialen und politischen Standards. In den angrenzenden Ländern setzte sich der Widerstand für Verfolgte ein, man unterstützte deutsche und italienische Flüchtlinge und Antifaschisten. Man bekämpfte mit politischen Mitteln die faschistischen Organisationen, die in weiteren Ländern zur Macht strebten. Mit Beginn des deutschen Angriffskrieges wandelte sich der politische Charakter des Widerstands. Nun ging es nicht mehr allein um die Solidarität mit ausländischen Verfolgten, Antifaschisten oder rassisch Ausgegrenzten, nun ging es um die Freiheitsrechte und die persönliche Unversehrtheit jedes einzelnen Bürgers und um die Unabhängigkeit des eigenen Landes. Die Geschichtsausstellung ist aktueller denn je, denn neofaschistische  und rechtspopulistische Kräfte sind in Europa auf dem Vormarsch.

Extremismus-Begriff schadet der Jugendbildungsarbeit

geschrieben von Axel Holz

28. April 2019

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Zu diesem Schluss kommt der Reader „Das Extremismusmodell. Über seine Wirkungen und Alternativen in der politischen (Jugend-)Bildung und Jugendarbeit“ des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismus-Arbeit IDA in Düsseldorf. IDA ist seit seiner Gründung 1990 gewachsen und bildet mit mittlerweile 30 Mitgliedsverbänden ein breites Spektrum jugendpolitischer und jugendverbandlicher Organisationen ab. Insbesondere in der Debatte um die „Demokratieerklärung“ für förderwürdige Projekte von 2011 habe sich im öffentlichen Diskurs gezeigt, dass der Extremismus-Begriff wenig trennscharf definiert oder kritisch hinterfragt wird. Mit dem Reader versucht IDA nun den Diskurs um das Extremismus-Modell zu bündeln, die Anwendung des Begriffs für die politische Arbeit zu hinterfragen und Alternativen zu entwickeln.

Der Begriff Extremismus ist als antikommunistischer Kampfbegriff im Kalten Krieg entstanden und lehnt sich stark an den Totalitarismus-Begriff an. Mit dem wurde politisch vor allem im Historikerstreit der achtziger Jahre durch den Vergleich von mittlerweile historischen Gesellschaftsmodellen versucht, die Singularität der Naziherrschaft in Deutschland zu relativieren, die jahrzehntelangen Versäumnisse bei der Aufklärung der Naziherrschaft zu vertuschen und die Ursachenforschung für die Entstehung diskriminierender Einstellungen und undemokratischer Prozesse zu verdecken. Mit der Einführung des Extremismus-Begriffs in die politische Bildungsarbeit in den achtziger Jahren wurde diese Fehlsteuerung fortgesetzt. Im Umfeld von Geheimdiensten entstanden, gehört er heute trotz einer kritischen staatlichen Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit v.a. seit Ende der 90er Jahre bei  Inlandsgeheimdiensten, in der politischer Bildung aber auch in der Presse und Teilen der Zivilgesellschaft zu einem oft unkritisch hingenommenen Instrument der politischen Bewertung und öffentlichen Brandmarkung. Die Extremismus-Theorie wird auch immer wieder systematisch durch die kostenlosen Verteilung des von Verfassungsschützern und Extremismus-Experten geprägten „Jahrbuchs für Extremismus“ und durch andere derartige Schriften in Bildungseinrichtungen und Bibliotheken gespült, um den Diskurs im Sinne dieser Theorie zu beeinflussen. Dabei steht die „Hufeeisentheorie“ von den vermeintlichen Extremen am Rande der sonst makellos demokratischen Gesellschaft schon lange in der Kritik. Sie entlaste die gesellschaftliche Mitte mit hohen Anteilen an diskriminierenden Einstellungen, setzte linke und rechte Aktivitäten gleich, kriminalisiere antifaschistisches und antirassistisches Engagement, kritisiert Bernhard Weidinger im Reader. Insbesondere wird der Ungleichheitsansatz, die Folge eines hierarchischen Menschenbildes und die Notwendigkeit von Autorität und Unterordnung bei der Analyse von Rechtsextremismus nicht klar benannt, während es in der linken Diskussion aktuell keine ernstzunehmenden „extremen“ Ansätze für die Infragestellung von Grundrechten und bei der Anerkennung der Gleichheit der Menschen gäbe. Gerade heute wird deutlich, dass populistische Parteien und Bewegungen zunehmend mit nazistischem und völkischem Gedankengut sympathisieren und damit nicht nur am Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft auf beachtliche Resonanz stoßen. Die Orientierung der Extremismus-Theorie am bürgerlichen Verfassungsstaat erscheint problematisch, weil die Anhänger der Theorie damit dem heute vorherrschenden Arrangement der extremen Rechten mit der Demokratie auf dem Leim gehen, so Weidinger. Deshalb sei die Bestimmung antidemokratischer Gesinnung weniger formal, sondern vielmehr auf inhaltliche Kriterien abzustellen. Damit würde sich der Blick auf die Haltung der Akteure zur Demokratisierung des gesellschaftlichen Lebens richten als ein nicht abgeschlossener bzw. nicht abzuschließender Prozess. Demokratiefeindlichkeit zeige sich zum Beispiel in der Geringschätzung des Individuums und der Masse als demokratischer Souverän, in der Verächtlichmachung von demokratischen Prozessen, in der Verherrlichung staatlicher und patriarchaler Autorität, in der Ethnisierung des Sozialen und zuletzt in der Fronstellung gegen Bewegungen, die sich Demokratisierung als gleichberechtigte Teilhabe auf die Fahnen geschrieben haben. Die Infragestellung von Grundrechten und Demokratie wird heute vor allem deutlich in Form der Naturalisierung gesellschaftlich produzierter Ungleichheit, durch Forderungen nach Rückbau demokratischer Errungenschaften als Folge vermeintlicher ökonomischer und administrativer Sachzwänge und schließlich durch eine kulturalisierende Ursachenbestimmung gesellschaftlicher Entwicklungen.

Wie ungeeignet der Extremismus-Begriff für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen  ist, zeigen die Autoren an zwei Beispielen sehr anschaulich.  Da ist zum einen der zeitweise als potentiell linksextremistisch gebrandmarkte Münchner Verein a.i.d.a. Nach jahrelangem Rechtsstreit konnte nicht nachgewiesen werden, warum der Verein linksextremistisch sein soll. Sowohl der Eintrag im Verfassungsschutzbericht als auch der Entzug der Gemeinnützigkeit mussten zurückgenommen werden. Geblieben ist eine ungestrafte nachhaltige Rufschädigung und die jahrlange Behinderung antirassistischer Dokumentations- und Öffentlichkeitsarbeit. Auf der anderen Seite zeigen die Autoren, wie in Sachsen jahrelang die Gefahr neonazistischer und rechtsextremer Einflussnahme und Gewalt durch die Landesregierung systematisch beschönigt wurde, die durch den maßgeblichen Begründer des Extremeismusbegriffs  Prof. Jesse diesbezüglich nachhaltig beraten wurde. Zugleich wird deutlich gemacht, wie mit dem Extremismus-Ansatz zivilgesellschaftliche Initiativen in Sachsen über Jahre systematisch behindert, torpediert und zerschlagen wurden, die sich gegen rassistische Meinungsmache und zunehmende rechte Gewalt gerichtet hatten. Es wird Zeit, dass sich nicht nur Einrichtungen der Jugendarbeit, sondern auch Gewerkschaften, Organisationen sowie emanzipatorisch und teilhabeorientierte Parteien mit dem Versagen der Extremismus-Keule auseinandersetzen, alternative menschrechtsorientierte Ansätze politisch diskutieren und auch institutionell in den von ihnen regierten Bundesländern verankern.

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