NPD-Verbotsdebatte
11. Juli 2010
Die Debatte um ein NPD-Verbot ist entbrannt. Hintergrund sind zahlreiche Strafprozesse gegen NPD-Mandatsträger und die Zunahme rechtsextremer Gewalt. Seit Jahresbeginn haben Rechtsextreme 24 Büros von Parteien und Landtagsabgeordneten aller demokratischer Parteien in Mecklenburg-Vorpommern beschädigt.
Die Zunahme der Gewalt durch Rechtsextreme als Teil der ca. 20.000 bundesweiten rechtextremen Straftaten jährlich führt mittlerweile im Landtag Mecklenburg-Vorpommern nahezu einhellig zur Forderung nach einem NPD-Verbot. Selbst FDP-Abgeordnete, die bisher gegen ein Verbot der neofaschistischen NPD stimmten, haben nach Nazi-Überfällen auf ihre Büros ihre Meinung geändert. Ein Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion hatte zuvor im Internet zur Gewalt gegen Abgeordnetenbüros demokratischer Parteien aufgerufen. Gegen den NPD-Fraktionsvorsitzenden in Mecklenburg-Vorpommern Udo Pastörs laufen verschiedene Strafverfahren, die sich im Kern auf den Tatbestand der Volksverhetzung beziehen. Erst kürzlich hatte die Landtagsfraktion der Linken Pastörs angezeigt, weil er im Landtag mit antisemitischen Tiraden Stimmung machte. Während der letzten Kommunalwahlen hatte die NPD in Vorpommern mit der Losung „Poleninvasion stoppen“ auf sich aufmerksam gemacht. Ein Gericht sah darin den Tatbestand der Volksverhetzung für erfüllt, worauf der Landkreis Ücker-Randow die Plakate entfernen ließ. Zudem spielt die enge Zusammenarbeit der NPD-Fraktion mit den Kameradschaften eine wichtige Rolle für die Verbotsforderung. Im Lande entstehen mit Unterstützung der NPD zunehmend Nazi-Szeneläden, in denen mit CDs, Bekleidung und Devotionalien neofaschistische Inhalte transportiert werden, während gleichzeitig Landesprojekte gegen Neonazis aufklären. Im inzwischen geschlossenen Nazi-Laden „Dickkoepp“ hatte ein Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion in Rostock mit dem FAX des dort angesiedelten NPD-Wahlkreisbüros Nazi-Produkte angeboten. Landtagspräsidentin Sylvia Brettschneider hatte dies kritisiert und eine gerichtlich Prüfung angekündigt. Die NPD verfügt im Landtag über eine staatliche Finanzierung von ca. sechs Millionen Euro in der derzeitigen Legislaturperiode, während gleichzeitig Millionen Euro für Programme gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Toleranz eingesetzt werden – eine schizophrene Situation. In Mecklenburg-Vorpommern spricht sich neben dem Innenminister auch Ministerpräsident Sellering für ein NPD-Verbot aus. Insgesamt acht Innenminister unterstützen bundesweit ein Verbot der NPD. Auf Bundesebene haben sich jetzt neben SPD und den Linken auch die Grünen für ein Verbot der NPD ausgesprochen. DGB, Ver.di, sowie die Zentralräte der Juden und der Sinti und Roma unterstützen die Verbotsforderung ohnehin. In der Bevölkerung haben Umfragen eine knappe Mehrheit ergeben, die ein NPD-Verbot fordert. Mit ihrer Kampagne für ein NPD-Verbot hat die VVN-BdA 2007 sowie von Januar 2009 bis Mai 2010 zunächst 175.000 Unterschriften und später 5.400 Stellungnahmen für das Verbot der neofaschistischen NPD gesammelt, davon 655 in Mecklenburg-Vorpommern. Die Statements sollen nun in gebundener Form medienwirksam eingesetzt werden, etwa indem sie den Innenministern der Länder übergeben werden. Bundesweit sind diese Aktivitäten auf großes Interesse gestoßen, weil die VVN-Kampagne dem Verbotsthema dauerhaft Präsenz verliehen hat. Kernpunkt der Debatte bleibt der Abzug der V-Leute aus den Spitzenpositionen der NPD-Parteigremien. Verfassungsrechtler haben darauf aufmerksam gemacht, das ein komplettes Abschalten der V-Leute des Verfassungsschutzes aus der NPD für ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren nicht erforderlich ist. Grundsätzlich bleibt aber das Problem bestehen, dass V-Leute in der NPD bezahlte Neofaschisten sind, die für den Verfassungsschutz geworben wurden. Der Verfassungsschutz finanziert damit indirekt die NPD-Aktivitäten mit. Die NPD dürfte nach § 139 des Grundgesetztes ohnehin nicht legal wirken dürfen, weil dieser Paragraph in Anlehnung an die Regelungen des Alliierten Kontrollrates die Wiederbelebung oder Neugründung neonazistischer Organisationen verbietet. Leider wird er aber nicht konsequent angewandt. Ein Kommentar des ehemaligen Verfassungsrichters Roman Herzog hatte seiner Zeit die Anwendung dieses Paragraphen erschwert. Die Forderung nach einem Verbot der NPD ist heute so wichtig wie kaum zuvor, zumal die rechtsextreme Szene 2009 nicht einmal davor zurückschreckte, im Baden-Württembergischen Lörach Sprengstoffattentate auf ein linkes Kulturzentrum zu planen. Junge Antifaschisten hatten der Polizei die entsprechenden Informationen zukommen lassen, die darauf die Ermittlungen aufnahm. Die NPD fungiert wiederum als organisatorisches, inhaltliches und vernetzendes Zentrum der gesamten Neonaziszene in Deutschland. Die novellierte Ausstellung der VVN-BdA „Neofaschismus in Deutschland“ beschäftigt sich mit diesen Hintergründen, mit den Ideologieelementen, Organisationen und der Logistik der neuen Nazis. Auch die organisatorischen und inhaltlichen Parallelen der Diskriminierungen der Neofaschisten zu einzelnen Äußerungen von Medien, Politikern oder Organisationen, die den Intensionen der NPD nicht selten entgegenkommen, werden in der Ausstellung beim Namen genannt. Die Ausstellung wurde gegen Widerstand innerhalb der CDU-Kreistagsfaktion im Landkreis Nordwestmecklenburg auf einem Fachtag gegen Rechtsextremismus vor Kreistagsabgeordneten, Lehrern, Schulleitern, Sozialarbeitern und Jugendklubleitern in Grevesmühlen vorgestellt und eröffnet. Nach der Eröffnung fand auch CDU-Fraktionschef Uhlmann die VVN-Ausstellung gut. Insbesondere die Nähe den NPD-Werte und -Inhalte zur Ideologie des Faschismus soll mit der Ausstellung verdeutlicht werden, um vor allem bei Jugendlichen den immer noch in Teilen der Bevölkerung verbreiteten Schein der NPD als einer „normalen“ Partei zu nehmen. Gleichzeitig sind Initiativen bundesweit in den letzten Monaten erfolgreich mit Demonstrationen und Blockaden Nazi-Aufmärschen entgegengetreten oder haben diese verhindern können – wie in Dresden und Berlin. Solche Blockaden gegen Nazi-Aufmärsche, die rassistische, antisemitische und volkverhetzende Ideen verbreiten helfen, werden von einigen Juristen als legitimes demokratisches Mittel beurteilt. Dies wurde nicht zuletzt auch im jüngsten Prozess gegen den Berliner Landesvorsitzenden der VVN-BdA Hans Coppi deutlich, dessen Eltern von den Nazis als Wiederstandskämpfer ermordet wurden. Hans Coppi hatte sich an einer Blockade gegen Neofaschisten in Berlin beteiligt und sei angeblich gegen Polizisten vorgegangen. Der Prozess endete mit einem Vergleich, da das Gericht offensichtlich kein Interesse an der Bestrafung von Zivilcourage gegen Neonazi-Aufmärsche hatte. Die VVN-BdA wird sich weiter an Aktivitäten gegen alte und neue Nazis beteiligen und diese auch mit organisieren. Im September werden am zweiten Sonntag bundesweit traditionell VVN-Veranstaltungen zur Erinnerung und Mahnung an den Faschismus durchgeführt. In Schwerin treffen sich die Antifaschisten um 10 Uhr am Platz der Opfer des Faschismus und in Rostock um 15 Uhr am Gedenkstein für die Opfer des Faschismus am Steintor, um der Opfer und der Ursachen des Faschismus zu gedenken.