Massendemonstrationen gegen die AfD in Deutschland
2. Februar 2024
Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt die FIR die aktuelle politische Entwicklung in der BRD, wo in den vergangenen Wochen eine breite zivilgesellschaftliche Mobilisierung gegen die extreme Rechte zu erleben ist. Eine Presseveröffentlichung über ein Treffen von Funktionären der „Alternative für Deutschland“ (AfD), dem Frontmann der Identitären Bewegung in Österreich und anderen Vertretern rechtskonservativer Gruppen in einer Villa in Potsdam, auf dem über die Ausweisung von Millionen Menschen aus Deutschland fantasiert wurde, löste diesen Massenprotest aus.
Bis heute sind über zwei Millionen Menschen in allen Teilen der Bundesrepublik gegen die extreme Rechte, gegen die AfD und für eine weltoffene Gesellschaft auf die Straße gegangen. Die größten Kundgebungen fanden bislang in Berlin mit 350 000 Teilnehmenden, in München (laut den Veranstaltern) bis zu 250 000, in Düsseldorf mit 200.000, in Hamburg mit über 100 000 und in Bremen mit 70 000 Menschen statt. In Köln waren es mitten in der Woche 35 000, später noch einmal 70 000. Solche Massenaktionen fanden nicht nur in den Großstädten statt. Auch in den östlichen Bundesländern, in denen die AfD bei zum Teil 30% Zustimmung (laut Demoskopen) steht, kamen in Dresden, Erfurt, Freiberg, Halle, Leipzig, Magdeburg und selbst Pirna, wo ein AfD Oberbürgermeister gewählt worden war, viele Tausend zusammen. An diesem Wochenende sind weitere Großdemonstrationen geplant.
Schon einmal waren in der BRD viele tausend Menschen auf den Straßen gegen Rechts, als im Jahre 2000 der damalige Bundeskanzler Schröder zum „Aufstand der Anständigen“ rief, als es einen Brandanschlag gegen eine Synagoge in NRW gab. Doch diesmal folgen sie keinem Regierungsappell, auch wenn sich auf manchen Kundgebungen Regierungsvertreter zeigen. Es ist eine zivilgesellschaftliche Bewegung, die die Menschen auf die Straße treibt. Organisationen, wie Gewerkschaften oder Parteien, die in der Vergangenheit zu solchen Massenaktionen mobilisierten, wurden von der Bewegung überrollt. Neue Akteure melden die Aktionen an, Medien berichten über die geplanten Aktionen und viele bislang nicht politisch engagierte Menschen sind auf der Straße. Auf den Kundgebungen sieht man selbst gebastelte Schilder mit Losungen, nur wenige Partei- und Organisationsfahnen. In Metropolen, wo es eine entwickelte politische Szene gibt, werden die bekannten Antifa-Transparente gezeigt. In vielen anderen Städten aber sieht man mehr Pappschilder oder kleinere Symbole gegen Rechts.
Erfreulich ist, dass es der herrschenden Politik bislang nicht gelingt, diesen Protesten ihren Stempel aufzudrücken, selbst wenn Bürgermeister und andere in der Landespolitik wichtige Persönlichkeiten als Rednerin oder Redner eingeladen wurden. So begrüßte Bundespräsident Steinmeier diese Massenbewegungen als bürgerschaftliches Engagement, warnte aber gleichzeitig vor „Radikalisierung“.
Tatsächlich wurde auf diesen Kundgebungen in manchen Redebeiträgen vollkommen zurecht auch die gegenwärtige Bundesregierung kritisiert, die mit ihrer Politik Mitverantwortung für den Aufstieg der extremen Rechten trägt. Es ist nicht nur die extreme Rechte, die von „Remigration“, also Vertreibung, spricht, sondern eine ganz große Koalition sorgt für eine Verschlechterung der Aufnahmebedingungen für Migranten und schafft auf europäischer Ebene gesetzliche Grundlagen, diese schnell wieder abschieben zu können. Kritisiert wurde die populistische Propaganda z.B. des CDU-Chefs Merz, der behauptete, Arztpraxen seien überfüllt, weil Geflüchtete sich dort mit Zahnersatz versorgen. Auch heißt es, man müsse die „Flut der Migranten“ stoppen, lehne die „Verunstaltung“ der Sprache durch das Gendern ab und wolle Arbeitslosen gerne das bisschen Bürgergeld kürzen – nicht anders als die AfD.
Interessant ist die Reaktion der Medien. Zum einen hilft die Berichterstattung über die Massendemonstrationen bei der Mobilisierung auch in abgelegenen Orten. Die Medien vermitteln Bilder, die die zivilgesellschaftliche Welle über das ganze Land trägt. Gleichzeitig erlebt man Versuche, die Aktionen aus der Mitte der Gesellschaft zu delegitimieren. Und es ist nicht nur die Springer-Presse, von der man es in Deutschland gewohnt ist, dass sie demokratische Bewegungen, Gewerkschaften und Antifaschismus als Feindbilder behandelt. Selbst etablierte Medien behaupten, dass der zivilgesellschaftliche Protest von „Klima-Chaoten“ und „Israel-Hassern“ unterwandert sei. Die Tatsache, dass in den Ansprachen nicht nur die AfD, sondern auch das Handeln der Regierenden kritisiert wurde, ist Anlass für solche Vorwürfe.
Die FIR begrüßt den gesellschaftlichen Protest gegen die extreme Rechte in Deutschland. Er ist eine gute Voraussetzung, die politische Stimmung der Akzeptanz der AfD zu ändern und damit die Gefahr des Vormarsches zu stoppen. Solche Proteste, die jüngst auch in Wien stattfanden, sind im Sinne des FIR-Appells zur Europawahl, gegen die extreme Rechte „auf internationaler Ebene bestehende Initiativen, soziale Organisationen, Gewerkschaften und Bewegungen zu vernetzen, um eine gemeinsame politische Stimme für Europa zu werden“.