Die Spur des Terrors
29. Februar 2020
Zwölf Todesopfer rechten Terrors gab es innerhalb eines halben Jahres in Deutschland. Das stellt eine neue Qualität neofaschistischer und rechtspopulistischer Bedrohung in Deutschland. Das haben mittlerweile alle demokratischen Parteien erkannt.
Doch der rechte Terror ist in der Bundesrepublik nicht neu. Er zieht eine Blutspur durch die Geschichte des Landes. In der jüngeren Geschichte ist neben dem NSU-Morden und Bombenanschlägen vor den Morden von Hanau die Tat eines Schülers bekannt, der am 22.07.2016 neun Menschen mit Migrationshintergrund tötet. Erst später wird die Tat als rechtsextremistischer Anschlag anerkannt. Im Juni 2019 erschießt der Rechtsextremist Stephan E. den Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke auf der Terrasse dessen Hauses. Am 9. Oktober tötet Stephan B. zwei Zufallsopfer, nachdem der von ihm geplante Anschlag auf die Besucher der Hallenser Synagoge gescheitert war.
Aber die Geschichte des westdeutschen rechten Terrors reicht weiter zurück. Die Historikerin Barbara Manthe hat die Kontinuität rechter Gewalt erforscht. Viele Gruppen von Rechtsterroristen der 70er und 80er Jahre waren bisher eher unbekannt oder sind es bis heute.
Wie etwa die Gruppe um Paul Otte, die ab 1977 mit Neonazis aus Hamburg, Hannover und Schleswig-Holstein zwei Anschläge auf Justizgebäude in Flensburg und Hamburg verübte. Die waren als Symbole und Repräsentanten des Rechtsstaates oft Angriffsziele von Neonazis.
In den ersten Jahren der BRD gab es viele antikommunistisch motivierte Terrorangriffe und Übergriffe auf Einrichtungen der DDR und der Sowjetunion in der BRD, aber auch auf den vermeintlichen inneren Feind in Form von DKP-Büros und Juso-Einrichtungen.
Ende der siebziger Jahre führte das Narrativ vom Widerstand gegen den amerikanischen Imperialismus auch zu rechten Terror gegen amerikanische Truppen. So durch die Hepp-Hexel-Gruppe, die 1982 mit zwei Anschlägen den Abzug der amerikanischen Truppen erzwingen wollten.
Die meistens aus einem bürgerlichen Leben heraus agierenden rechten Gruppen vertraten einen offenen Antisemitismus. 1980 wurde in Erlangen der jüdische Verleger Shlomo Lewin und dessen Frau von Neonazis ermordet. Bereits 1970 waren bei einem Anschlag auf ein jüdisches Altersheim sieben Menschen gestorben.
In den achtziger Jahren gab es durch die „Deutschen Aktionsgruppen“ um Manfred Röder die ersten Anschläge auf Flüchtlinge. Bei einem Anschlag am 22.08.1980 auf eine Flüchtlingsunterkunft in Hamburg waren zwei Vietnamesen umgekommen. Die Terroristen um Manfred Röder verübten auch Anschläge auf Orte der NS-Vergangenheitsbewältigung. Nach 13 Jahren Haft kam Manfred Röder wegen eines Farbanschlags auf die Wehrmachtsausstellung erneut vor Gericht. Mit im Saal saßen die späteren NSU-Terroristen Mundlos, Böhnhardt und mehrere ihrer Helfer.
Die Gruppe um Nikolaus Uhl und Kurt Wolfgram agierte im Untergrund aus Frankreich. Sie plante von dort aus Aktionen, Attentate und führte einen Banküberfall durch. Die deutschen Ermittler interessierten sich kaum für sie. Im WDR gab Nikolaus Ott trotz Fahndung in einer Monitor-Sendung ein Interview.
Die Wehrsportgruppe Hoffmann war nach ihrem Verbot in ein PLO-Camp in den Libanon gegangen. In der Hoffmann-Gruppe gab es ein Mitglied, das 1971 Bundespräsident Heinemann ermorden wollte. Ein weiterer Rechtsterrorist,Frank Schubert, hat 1980 an der deutsch-schweizerischen Grenze zwei Schweitzer Grenzbeamte erschossen. 1982 erschoss der Neonazi Helmut Oxner in einer Nürnberger Diskothek zwei farbige US-Bürger und später einen Ägypter.
Nicht vergessen werden darf der bis heute nicht aufgeklärte rechtsterroristische Anschlag auf das Oktoberfest 1980 mit zwölf Toten und zweihundert Verletzten. Nicht selten wurden die rechtsterroristischen Taten als Amoklauf oder als Tat eines Einzeltäters bewertet. Die Wissenschaftlerin Barbara Manthey geht in den siebziger und achtziger Jahren von 25 terroristischen Gruppen mit zwei bis zwanzig Mitgliedern in der BRD aus. Die Expertin beklagt das Fehlen ausreichender Forschungsstrukturen zum Rechtsterrorismus. Insbesondere fehle dafür eine langfristige institutionelle Förderung. Ganz anders beim Linksterrorismus. Hierfür wurde das Münchner Institut für Zeitgeschichte in einem Forschungsverbund jahrelang gefördert. Von einem Institut zum Terrorismus wie dem norwegischen „Center for Research on Extremism“ zur extremen Rechten, zu Hasskriminalität und politischer Gewalt sei man in Deutschland weit entfernt.