Das BKA erinnert sich

geschrieben von Axel Holz

15. März 2013

Anders als andere Bundesbehörden hat das BKA in 2008 einer Forschergruppe um den Hallenser Polizeihistoriker Patrick Wagner den Auftrag übertragen, nach Jahrzehnten des Schweigens den Aufbau der eigenen Behörde im Hinblick auf den Umgang mit den alten Nazi-Kadern nach dem Krieg zu beleuchten.

Das Amt gestaltete den Prozess der Erarbeitung öffentlich, begann mit einer Reihe Kolloquien und schloss das Vorhaben am 6. April 2011 mit einer Tagung und der Veröffentlichung des Buches „Der Nationalsozialismus und die Geschichte des BKA. Spurensuche in eigenes Sache“ ab.

Hierbei stellte sich auch die Frage, wie mit einer mehrheitlich nationalsozialistisch geprägten Führung Ende der vierziger Jahre der Aufbau einer Institution gelingen konnte, die sich Demokratie und Rechtsstaat verpflichtet fühlt. Folgt man Walter Belz, so hat diese Durchdringung der staatlichen Institutionen in der BRD mit ehemaligen Nazis den Demokratisierungsprozess des Landes erheblich verzögert. Immerhin gehörten noch 1958 von den 47 leitenden Beamten des BKA 33 im NS-Regime der SS an. Und das hatte durchaus Auswirkungen auf die Arbeit des BKA. Zwar behauptet die Studie, die braune Vergangenheit zahlreicher ihrer Kader hätte den Rechtsstaat nicht beeinträchtigt, aber genau das stellt Romani Rose als Vertreter der Sinti und Roma in Frage. Die Minderheitenkennzeichnung durch staatliche Behörden sei verfassungswidrig. Über Jahrzehnte hinweg wurde die Diskriminierung und Kriminalisierung der Sinti und Roma auch vom BKA weiter betrieben.

SS-Obersturmführer Ochs aus dem Reichssicherheitshauptamt war dort auch für die „Reichszentrale für die Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ tätig und für deren Deportation in die Vernichtungslager zuständig. 1951 setzte Ochs seine „Spezialistenkenntnisse“ im neugeründeten BKA ein. Unter dem Begriff „Landfahrer“ setzte er die Kriminalisierung der Sinti und Roma ungebrochen fort. Der Historiker Michael Zimmermann hat diese administrativ-bürokratischen Praktiken als kulturellen Rassismus bezeichnet. Für das BKA vertrat Ochs den Kurs einer zentralisierten Kontrolle der gesamten Gruppe der Sinti und Roma, um dadurch auf „kriminelle Elemente“ zugreifen zu können. Mehrfach versuchten er und andere über die AG Kripo der Innenministerkonferenz oder Fachtagungen die Debatten um eine Strafrechtsreform zu beeinflussen, um Sinti und Roma einer besonders scharfen Überwachung zu unterstellen. Erst Proteste der Sinti und Roma vor dem BKA 1983 und Bundestagsbeschlüsse von 1985 führten im BKA zu einem Umdenken und den Verzicht auf die Sprachregelung „Landfahrer“. Erst 2001 endet mit der Pensionierung die letzte Sachgebietsarbeitsstelle ZD43-22 im BKA, die sich der besonderen Strafverfolgung von Sinti und Roma widmete. Joseph Ochs brachte auch noch andere Kenntnisse in das BKA ein. Im Mai 1952 arbeitete er an der Aufklärung eines missglückten zionistischen Bombenanschlags auf Bundeskanzler Adenauer. Ochs glaubte an „Zentralen des Judentums“ in Europa, die dafür verantwortlich seien und empfahl die Errichtung von Internierungslagern für deren „Umfeld“ – aus Osteuropa stammende Juden.

Derartige personelle und inhaltliche Verwicklungen des BKA mit dem alten NS-belasteten Stammpersonal aus dem RSHA ließen sich mit Hilfe der neuen BKA-Studie fortsetzen. Nach Gründung des BKA rekrutierten dessen Personalabteilung und der selbst NS-belastete BKA-Vize Diekopf frühere Mitarbeiter von Kriminalpolizei und Gestapo. Die Teilnahme an Gewaltverbrechen des Nationalsozialismus war für sich genommen kein Ablehnungsgrund, heißt in der BKA-Dokumentation.