Bildungszensur für Neofaschismus-Ausstellung in der Kritik
18. Februar 2011
Gewerkschaften und Linke lehnen Ausstellungsverbot für Neofaschismus-Ausstellung ab und fordern, die Bildungszensur in Mecklenburg-Vorpommern aufzuheben.
Am letzten Januartag 2011 wurde im Schweriner Stadthaus die Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ von Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow eröffnet. Bereits im Vorfeld hatten Landräte, Bürgermeister und hochrangige Politiker die gemeinsame Ausstellung von ver.di Nord und VVN-BdA eröffnet oder begleitet. In Jena und Ilmenau fand die Ausstellung großes Interesse. Universitäts-Rektor Peter Scharff, hatte sich beim Studentenrat für die Ausstellung bedankt und betont, dass deren Anliegen mit dem Leitbild der Universität übereinstimme. Trotz des positiven Echos auf mittlerweile über 50 Ausstellungseröffnungen seit der Novellierung der Exposition zum 8. Mai 2010 hatten nun in Schwerin CDU/FDP-Fraktionschef Sebastian Ehlers und FDP-Landesvorsitzender Christian Ahrendt die Ausstellung auf das Heftigste öffentlich attackiert. Christian Ahrendt hantierte mit Extremismusvorwürfen, Unterstellungen und falschen Behauptungen, um den Abbruch der Ausstellung zu erzwingen. Ehlers unterstellte die Gleichsetzung von Demokraten mit vorbestraften Neonazis und die Verunglimpfung des „Spiegel“ -Magazins durch die Ausstellung. In der Ausstellung wurde ein Spiegel-Artikel hingegen als Beleg für jahrzehntelange revanchistische Forderungen des Bundes der Vertriebenen herangezogen. Der Bund der Vertriebenen versuchte zudem, mit einer Studie die eigene Geschichte zu beschönigen. Schwerins Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow lud alle Interessierten ein, sich ein eigenes Bild von der Ausstellung zu machen und lehnte jegliche Zensur ab. Unzählige Einwohner der Landeshauptstadt folgten der Einladung der Oberbürgermeisterin. Die Linke -Landtagsfraktion kritisierte die Absurdität der CDU/FDP-Vorwürfe, nach deren Logik der VVN-BdA und zugleich ver.di und der „Spiegel“ des Extremismus bezichtigt würden. Der Aufforderung des FDP-Politikers Ahrendt, sich von der VVN-BdA zu distanzieren, kamen ver.di und die Linke nicht nach. Im Gegenteil – die Linke im Landtag Mecklenburg-Vorpommern verwies auf die zahlreichen Ausstellungseröffnungen in Rathäusern und Universitäten, die durch Bürgermeister und Politiker positiv begleitet wurden. Ver.di Nord verteidigte die Neofaschismus-Ausstellung ausdrücklich, da sie die Ursachen für die Ausbreitung rassistischen, nationalistischen und militaristischen Denkens und Handelns aufzeige. Das CDU-geführte Bildungsministerium im nordöstlichen Bundesland antwortete mit einer Bildungszensur für die antifaschistische Ausstellung und warnte per Anschreiben alle Schulen des Landes vor der Ausstellung. Empört wiesen Linke, ver.di und DGB die Bildungszensur zurück. Ver.di -Chef Nord Rüdiger Timmermann kritisierte das Vorgehen des Bildungsministeriums als nicht nachvollziehbar und unverständlich, sei doch gerade das Bildungsministerium zur demokratischen Aufklärung verpflichtet. Mit scharfen Worten kritisierte auch DGB-Vize Ingo Schlüter das faktische Ausstellungsverbot in der Bildungsarbeit. Die Ausstellung sei äußerst wichtig, kritisierte er das Vorgehen von FDP und CDU. In der Ausstellung gebe es keine Gleichsetzung von Neonazis mit einigen demokratischen Politikern, die mit bedauerlichen und demagogischen Ausfällen aufwarteten. Die Macher der Ausstellung in das extremistische Spektrum zu stellen, halte er für ebenso abwegig wie gefährlich. Anders als in Mecklenburg-Vorpommern würde in anderen Ländern die Ausstellung empfohlen werden. Die täglichen Führungen durch die Ausstellung in Ilmenau im CDU-geführten Thüringen würden das große Interesse an der Ausstellung belegen. Der Versuch der CDU, auch in Suhl die Ausstellungseröffnung zu verhindern, scheiterte. Bürgermeister Jens Triebel lehnte eine Zensur ab. Er verwies auf die Entscheidung des lokalen Aktionsbündnisses für Demokratie, Toleranz und gegen Rechtsextremismus, eben jene Ausstellung in Suhl zu zeigen.
Keine Berücksichtigung in den Medien fand der mehrfache Hinweis der VVN-BdA darauf, dass die extremistischen Zuschreibungen im Bayerischen Verfassungsschutzbericht selbst in Bayern heftig umstritten sind. So hatte die SPD-Landtagsfraktion 2010 mit einem Antrag die Streichung der unsinnigen Bewertungen über die VVN-BdA in Bayerischen Verfassungsschutzbericht gefordert. Erhebliche Zweifel an der Aussagekraft der meisten Verfassungsschutzberichte erhob eine Studie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Dezember 2009. Außer dem Brandenburger und Berliner Verfassungsschutzbericht seien alle weiteren Länderberichte selbst verfassungswidrig, weil eine klare und unmissverständliche Unterscheidung zwischen Verdacht und Nachweis verfassungswidriger Bestrebungen in ihnen nicht gegeben sei. Diese klare Unterscheidung hatte aber ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.05.2005 gefordert.