Wo bleibt der Aufschrei? NPD und AfD nach den Wahlen
12. Januar 2017
AfD, NPD, Thomas Willms, Wahlen
Nehmerqualitäten kann man der NPD, mit ihrer an Debakeln reichen Geschichte, nicht absprechen. So wusste ihr Vorsitzender Frank Franz, der sich für eine Filmrolle als Hauptsturmführer nicht sonderlich umschminken müsste, kürzlich im hauseigenen »DS-TV« aus der Niederlage in MV noch das Beste zu machen. Trotz größter eigener Leistung im Wahlkampf sei man gegen den Trend nicht angekommen. Paradoxerweise ist dieser Trend genau der, auf den man selber immer hingearbeitet hat: Eine breite Welle der Ablehnung von Einwanderern und Flüchtlingen, gepaart mit einem diffusen Gefühl nationalen Aufbegehrens, was will man eigentlich mehr als neofaschistischer Kader? Leider habe die Konkurrenz davon profitiert, obwohl es dieser an der notwendigen inhaltlichen Eindeutigkeit mangele. Man werde nun eben einfach weiterarbeiten, das Abebben der Zustimmung für die AfD abwarten und am Ende eines »Drei-Jahres-Planes« in Sachsen wieder in den Landtag einziehen und selber die Ernte einfahren. Natürlich setzt dies voraus, dass man das Verbotsverfahren überlebt. Franz graut offensichtlich vor der Urteilverkündung, die noch in diesem Jahr zu erwarten ist. Vom Scheitern des Verbotsantrages muss er vor der Kamera aber natürlich ausgehen. Diese Haltung ist nicht völlig unrealistisch. Einerseits wird allerorten bereits wieder kräftig gegen ein NPD-Verbot angeschrieben, andererseits weiß im Grunde auch niemand, wie es mit der AfD weitergehen wird. Das Ausmaß an Macht und Einfluss, das diese Partei in drei Jahren haben wird, ergibt sich im Kräftefeld der eigenen Organisation, ihres Unterstützerumfelds, ihrer bürgerlichen Konkurrenten und ihrer Gegner. Für sich allein genommen wirkt die AfD auch noch nach ihren neuerlichen Wahlerfolgen als Ganzes eher blass. So wird ihr Berliner Spitzenkandidat Georg Pazderski es wohl nicht zum Star im politischen Show-Business bringen, wohingegen sein Kollege Leif-Erik Holm in MV fleißig quasselt ohne je auf den Punkt zu kommen. Der Online-Auftritt der Partei, aber auch ihr interner Infodienst »AfD kompakt« sind kaum der Rede wert. Die wichtigen Fragen zur Partei, allen voran die nach dem Grad ihrer Faschisierung, werden immer noch eher in der »Jungen Freiheit« und sogar in »Zuerst!« behandelt. Derweil geben reihenweise Politiker anderer Parteien, aber auch Medienschaffende dem gefühlten Druck der AfD nach, den diese selbst noch gar nicht voll entfalten kann. Dies gilt zuallererst für die CSU, deren Vorsitzender nur noch »Obergrenze!« zwischen den Zähnen hervorbringt. In der CDU beginnen sich bei den Kandidatenaufstellungen für die nächste Bundestagswahl Personen durchzusetzen, die ebenso gut für die AfD kandidieren könnten. Für den Wahlkreis Potsdam bestimmte die CDU z.B. Saskia Ludwig, die vor wenigen Jahren mitsamt ihren guten Beziehungen nach Rechtsaußen ausrangiert worden war. Etwas mehr realistische Untergangsstimmung wäre währenddessen in der SPD vonnöten, die sich auch nach den größten Wählerklatschen immer noch für einen Sieger hält. Ihr Bundesvorsitzender Gabriel, dem man persönlich die Ablehnung faschistischer Widerlinge ohne weiteres abnimmt, kann sich nicht entscheiden, ob er die CDU von links oder von rechts kritisieren soll. MVs Ministerpräsident Sellering ist da eindeutiger. »Merkel ist schuld an den Flüchtlingen, deshalb SPD wählen!« kann man seine Haltung zusammenfassen. Und bei der Linken stellt Frau Wagenknecht mit steigender Intensität die Eindeutigkeit des antifaschistische Renommees der Partei in Frage – etwa durch gemeinsame Medienauftritte mit Frauke Petry, was an sich schon ein »no go« ist. Noch beunruhigender ist allerdings ihre Rhetorik, an der Diskursanalytiker ihre Freude haben werden, so durchsetzt ist sie mit widersprüchlichen und eben auch nationalistischen Halbsätzen. Wird jetzt wohl »Merkel muss weg!« zum übereinstimmenden Schlachtruf Rechter und Linker? Den erhofften gesellschaftlichen Aufschrei nach den neuerlichen Wahlerfolgen der AfD hat es nicht gegeben. Wo bleiben die beinharten Kriegserklärungen der Gewerkschaften an ihren natürlichen Feind? Ginge es nach »Ver.di publik«, einer der größten Zeitungen Deutschlands, wüsste man gerade so eben, dass es da irgendwie ein Problem gibt. Man fürchtet wohl Austritte, würde man offen gegen die AfD schreiben. Da war selbst die Katholische Kirche konsequenter, die die AfD von ihrem Kirchentag ausschloss, übrigens im Gegensatz zu den Evangelischen. Die Hauptstärken der AfD sind die halbe Panik in den Reihen der großen Parteien, die Beflissenheit der Medien ja keinen »besorgten Bürger« zu übersehen und die erkennbare Schwäche ihrer Gegner.