NPD und AfD »rechts oben«
12. August 2016
Analyse der rassistischen Mobilisierung in Mecklenburg/Vorpommern
Seit zehn Jahren sitzt die NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, ihrer letzten Landtagsbastion in Deutschland. Für die NPD ist das ein wichtiger Standort, denn von hier aus werden seit der Schließung der NPD-Zentrale in Berlin die Geschäfte der NPD geführt, von hier aus wird die regionale Szene organisiert und finanziert, von hier aus wurde die rechte Szene regional fest verankert, wie es Andrea Röpke in einem ihrer neuesten Bücher beschreibt. Bei der letzten Landtagswahl hatte die NPD im Lande mit 40.075 Stimmen fast ein Drittel ihrer Wähler verloren und mit sechs Landtagsmitgliedern ein Mandat. Nur knapp war ein weiteres Mandat durch einen Nachwahlgang auf der Insel Rügen erhalten geblieben. Das war das Ergebnis einer geringeren Wahlbeteiligung, aber auch einer jahrelangen konsequenten Auseinandersetzung der Medien mit der NPD, der demokratischen Parteien und der politisch aktiven Bündnisse, die vor einem weiteren Erstarken der Nazi-Partei und anderer völkischer Organisationen warnten und gegen sie antraten.
Auch bei den Kommunalwahlen verlor die NPD 2014 40 Prozent ihrer Stimmen. Dennoch sind seitdem weitere Kader der bundesweiten rechten Szene mit und ohne Anwesenheit im Landtag durch die Landtagsfraktion finanziert oder geschult worden. Als Praktikanten firmierten in der Fraktion Vertreter verschiedenster Kameradschaften, Stadt- und Kreistagvertreter der NPD aus Teterow und Rostock und aus den Landkreisen Rostock und Mecklenburgische Seenplatte, wie Adrian Wasner und Norman Runge. Seitdem provoziert die NPD weiter im Landtag und verbreitet ihre rassistischen Thesen, wie es der jetzige Bildungsminister Mathias Mathias Brodkorb über die erste Legislaturperiode der NPD in einem Buch beschrieben hatte. Die demokratischen Parteien im Landtag reagierten mit dem »Schweriner Weg«, der die effektive Arbeitsfähigkeit des Parlamentes erhalten sollte, indem alle Parteien die Anträge der NPD ablehnten und jeweils ein Demokratie-Vertreter sich öffentlich mit der NPD auseinandersetzte. Die Themen und Probleme, die die Menschen im nördlichsten Bundesland beschäftigen, wurden von der NPD selten und meist ohne aktuelle Bezüge angefasst. Stattdessen hetzt die NPD bereits seit Jahren gegen Geflüchtete und Asylbewerber und gegen die staatliche Unterstützung von Demokratieinitiativen. Begleitet wurden diese Angriffe durch eine Anti-Asyl-Tour der Landtagsfraktion, kaum beachtete Mahnwachen und Demos in Güstrow und Ückermünde. Die NPD-Kader blieben dabei meist unter sich. Im Landtag agierte die NPD mit der Herabwürdigung von Demokratie und Demokraten, nicht selten verbunden mit Beleidigungen und Drohungen. Gleichzeitig nutzt sie den Landtag, um Nazistrukturen in der Region zu verstetigen, begleitet von einer massiven Zunahme der Gewalt gegen Flüchtende und Andersdenkende. Der Landtag regierte auf die Attacken der NPD mit Argumenten, Ordnungsrufen und Anzeigen, die auch in Strafverfahren gegen NPD-Abgeordnete mündeten. Neben der Verunsicherung der NPD-Kader durch eine tiefe finanzielle Krise und das drohende Parteienverbot hat die Schweriner Landtagsfraktion auch keine Strategie für ihren Wiedereinzug. Durch die rechtspopulistische Konkurrenz der AfD, die kommunal vielfach mit der NPD gegen die regionale Flüchtlingsunterbringung und gegen Kirchenasyl stimmte, droht zudem eine existenzgefährdende Konkurrenz im Landtagswahlkampf. Seit geraumer Zeit agiert die NPD erfolgreich unter fremder Flagge in rechten Bündnissen, wie MV-GIDA, »Deutschland wehrt sich« oder »Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit« mit teilweise doppelt so hohen Zusprüchen auf 20 anonym eingerichteten Faceboock-Seiten, wie auf den Homepages der NPD und der AfD.
In 16 Demos seit Ende 2014 hatte das NPD-Produkt MV-GIDA bis zu 600 vermeintliche Wutbürger mobilisiert. Neu ist aber auch der Gegenprotest gegen die NPD in vielen Teilen des Landes. Die Landes-AfD tritt im Herbst als Teil rechter Mobilisierung mit einem im Spektrum der AfD erkennbar rechten Landesverband zur Landtagswahl an. Die Medien reagierten bisher mit der Offenlegung der personellen Kontinuitäten und Kontakte zur rechten Szene, mit der Information über wegen Volksverhetzung oder krimineller Geschäfte angeklagter oder verurteilter AfD-Funktionäre und der Ächtung rassistischer Äußerungen. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD-Programmatik, ihrer Rolle bei der Verschärfung von rassistischen Vorurteilen und über den Umgang mit der AfD im künftigen Landtag wird aber bisher wenig geführt.