Kriegsendphasenverbrechen
1. April 2015
Kriegsendphasenverbrechen, Masssenhinrichtungen, RSHA
In Dortmund findet alljährlich in der Bittermark/Rombergpark eine Gedenkkundgebung am Mahnmal, Nähe Tatort des Karfreitagsmassakers der Gestapo von 1945, statt. Der Förderverein Steinwache / Internationales Rombergparkkomitee trifft sich jedes Jahr zum Gründonnerstag / Karfreitag, um Erinnerungsarbeit zu leisten, dies auch gemeinsam mit den Hinterbliebenen aus jenen Ländern, aus denen die 300 Opfer kamen.
Hintergrund dieses und weiterer Verbrechen ist eine Anweisung des RSHA. Das Reichssicherheitshauptamt schreibt am 24. Januar 1945: – An die Leiter der Staatspolizei(leit)stellen – Geheime Reichssache – persönlich. „Die gegenwärtige Gesamtlage wird Elemente unter den ausländischen Arbeitern und auch ehemalige deutsche Kommunisten veranlassen, sich umstürzlerisch zu betätigen. Größte Aufmerksamkeit ist daher geboten. Dass der Feind Vorbereitungen getroffen hat, geht aus einer Meldung des O.B.-West (Oberbefehlshaber der Wehrmacht-West) hervor. Es ist in allen sich zeigenden Fällen sofort und brutal zuzuschlagen. Die Betreffenden sind zu vernichten, ohne im formellen Weg vorher beim RSHA Sonderbehandlung zu beantragen. Die Leiter der Kriminalpolizeistellen sind persönlich von Ihnen entsprechend zu informieren.“
Mordbefehle wie dieser erreichten die Gestapostellen im gesamten Deutschen Reich im Januar 1945. Solche Befehle führten zum Massenmord an unzähligen Gefangenen, an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und an wiederum inhaftierten politischen Widerständlern. Der Dortmunder Polizeihistoriker Alexander Primavesi schrieb später über diese Befehle und ihre Wirkungen (in den „Ruhrnachrichten“ vom 31. März 1994): „Hochmotiviert durch das Schreiben brachten die Gestapo-Beamten in den Wochen vor Ostern immer mehr Menschen in die Zellen der Steinwache und des Gestapo-Kellers in der Benninghofer Straße. Zwangsarbeiter aus dem gesamten Bereich des Regierungsbezirkes Arnsberg, Holländer, Belgier, Franzosen, Polen, Jugoslawen und Russen, verschleppten die Gestapo-Beamten in ein Lager im Bereich der Hütten-Union in Dortmund-Hörde.
Von jeder Verantwortung gegenüber einer höheren Stelle entbunden, folterten die Beamten hemmungslos, um weitere ‚umstürzlerische Elemente‘ aufzuspüren.“ Primavesi: „Es war der wahnwitzige Vorsatz, niemanden aus den Reihen der politischen Gegner am Leben zu lassen, damit sie nach dem Zusammenbruch nicht führende Positionen besetzen konnten, der die Gestapo zu dieser letzten Abrechnung bewegte.“ So wie im Ruhrkessel kam es zu unzähligen Verbrechen der Kriegsendphase in ganz Deutschland und Österreich. Oftmals waren es nicht nur von der Gestapo ausgeführte Massaker, sondern auch Mordaktionen, an denen sich einfache NSDAP-Pgs., Hitlerjungen und Volkssturmmänner beteiligten. Eine weitere abschließende Phase der Massenverbrechen begann, die sich bis zur Befreiung am 8. Mai 1945 hinzog.
Die Opferzahlen dieser Massenhinrichtungen, Menschenjagden, Todesmärsche und Erschießungen von Deserteuren gehen in die Hunderttausende; bis zu 700.000 werden geschätzt. Diese letzten vier Monate des Kriegs sind wenig erforscht. Allerdings haben sich in vielen Orten Geschichtsinitiativen gebildet, um die Verbrechen aufzuklären, deren Urheber zumeist nicht bestraft wurden. Es wird daran erinnert, was die Opfer bewegte, die eine Zeit des Friedens und der Freiheit nicht mehr erleben durften. Es ist daran zu erinnern, was sie uns für das Heute zu sagen haben, da rechte Kräfte in Europa wieder aktiv werden und sogar ein Krieg auf europäischem Boden droht.