STOLPERSTEINE in Schwerin – ein Projekt mit Schülerinnen und Schülern
2. Juli 2009
„Niemand kann aus der Geschichte seines Volkes austreten. Man soll und darf die Vergangenheit nicht auf sich beruhen lassen, weil sie sonst aufstehen und zu neuer Gegenwart werden könnte“ Jean Améry
Als ich 2001 von Berlin nach Schwerin kam, wunderte ich mich darüber, dass hier keine STOLPERSTEINE zu sehen waren. In der Landeshauptstadt keine STOL-PERSTEINE? Warum nicht? Diese Frage ließ mich nicht wieder los. Und dann war eine Portion Glück dabei. Die Stelle beim Schweriner Jugendring e.V. ermöglichte mir die Beschäftigung mit der Umsetzung des Projektes. Nach langem warten kam eine Antwort von Uta Franke, der Koordinatorin von Gunter Demnig. Für mich war klar, dass unbedingt junge Menschen an dem Projekt mitarbeiten soll-ten. Gerade für sie ist es interessant, weil hier der Nationalsozialismus herausgeris-sen wird aus abstrakten Zahlen und Fakten. Was den Opfern dieses Systems wider-fahren ist, spielt nicht in Auschwitz oder Buchenwald, sondern quasi direkt vor der eigenen Haustür. Plötzlich erhalten Häuser eine Bedeutung, an denen die Jugendli-chen früher achtlos vorbei gegangen sind. Nationalsozialistische Gesetze zeigen ihre fatale Auswirkung auf vorher unschuldige Menschen, Zeitgeist und Klima werden lebendig, in denen Denunziation an der Tagesordnung war Am damaligen Herdergymnasium stieß ich bei Schulleitung und Lehrerinnen auf of-fene Ohren und es fanden sich Schülerinnen und Schüler, die gern mitarbeiten woll-ten. Dieses setzte sich später am Gymnasium Fridericianum fort. Die AG „STO-LERSTEINE in Schwerin“ traf sich einmal pro Woche, um an dem Projekt zu arbei-ten. Zunächst lernten die Teilnehmer/innen geschichtliche Fakten in Bezug zu indivi-duellen Lebensläufen zu setzen. In Kleingruppen erarbeiten sie Präsentationen zu den verschiedenen Opfergruppen des NS: Juden, Christen, politische Gegner des Regimes, ziviler Ungehorsam, Euthanasie Dann mussten die konkreten Daten re-cherchiert werden. Damit ein STOLPERSTEIN verlegt werden kann, benötigt man den Namen, das Geburtsdatum und die genaue Adresse des Menschen um den es hier geht. Besonders beim Studium der Akten aus dem Archiv wurden die Auswir-kungen von gesellschaftlichen Entwicklungen auf das Leben von Einzelnen deutlich. In Gesprächen, Stadtrundgängen und Begegnungen mit Zeitzeugen und Experten konnten die Schüler/innen Einblicke in persönliche Erfahrungen gewinnen. Nicht nur um für Spenden zu werben, sondern auch, um eine breite Öffentlichkeit für das Pro-jekt zu interessieren und vielen Menschen den Blick für die Regionalgeschichte und für Verbrechen in ihrem Heimatort zu öffnen, war eine vielseitige Öffentlichkeitsarbeit wichtig. So konnten Stadtvertreter/innen vom Anliegen des Projektes viel leichter von Schüler/innen überzeugt werden. Die Mitglieder der STOLPERSTEIN-AG nutzten jede Gelegenheit, bei Projekttagen, auf Informations- und Gedenkveranstaltungen ihre Erkenntnisse aus der Projektarbeit vorzustellen. Es bildete sich eine Filmgruppe, die den Prozess der Arbeit dokumentierte und einen Kurzfilm von 15 Minuten her-stellte, der allen Interessierten zur Verfügung gestellt wurde. Hervorzuheben ist die gute Zusammenarbeit mit der lokalen Presse. Auf deren Berichterstattung hin melde-ten sich nach der ersten Verlegung immer mehr Angehörige und ehemalige Schweri-ner/innen. So entstanden herzliche Kontakte zwischen den Schüler/innen und den Angehörigen von Opfern. Bei jeder feierlichen Einweihung stellten die Teilneh-mer/innen die Schicksale der Menschen vor, für die an diesem Tag von Gunter Dem-nig STOLPERSTEINE verlegt worden sind. Bis jetzt gibt es 42 STOLPERSTEINE in Schwerin. Wir hoffen, dass noch viele dazu kommen!