Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

geschrieben von Axel Holz

20. Dezember 2009

Vorurteile gegenüber Minderheiten sind in Europa weit verbreitet. Insgesamt ist gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Osteuropa stärker verbreitet als in den westeuropäischen Staaten. Konkret gibt es bei den Vorurteilen aber starke Unterschiede zwischen einzelnen Ländern.

Eine Studie der Universität Bielefeld hat in Kooperation mit anderen Trägern in acht europäischen Staaten Vorurteile gegenüber benachteiligten Gruppen analysiert. Die Werte der Vorurteile gegenüber Einwanderern , Schwarzen, Juden, Muslimen, Frauen, Homosexuellen, Obdachlosen und behinderten Menschen reichen europaweit im Durchschnitt von 24,4 % gegenüber Juden bis zu 60,2 % gegenüber einer gleichberechtigten Rolle von Frauen. Dazwischen rangieren europaweit Vorurteile gegenüber Schwarzen mit 31,3 %, gegenüber Schwulen und Lesben mit 42,6 % und gegenüber dem Islam als angeblicher Religion der Intoleranz mit 54,4 %. Unterschiedliche Faktoren der Vorurteilshaltungen haben ihren Kern in der Vorstellung der Ungleichheit von Menschen. Das Syndrom der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit konnte mit den gleichen Elementen für alle acht untersuchten Länder bestätigt werden. Gleichzeitig zeigt sich eine unterschiedliche Ausprägung der Vorurteile mit dem niedrigsten Ausmaß der Zustimmung zu Vorurteilen in den Niederlanden, gefolgt von Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Portugal und vergleichsweise hohen Werten der gruppenbezogenen Vorurteile in Polen und Ungarn. Diese vermeintliche Ost-West-Schere bestätigt sich allerdings bei der Betrachtung von konkreten Vorurteilen gegenüber einzelnen benachteiligten Gruppen nicht. So sind Vorurteile gegenüber Einwanderern besonders stark in Großbritannien und Polen ausgeprägt, wenig hingegen in Frankreich und den Niederlanden. Die Behauptung, es gäbe zu viele Zuwanderer, wurde in Großbritannien von 62,2 % der Befragten am Häufigsten getragen, in Deutschland von 50 % und in den Niederlanden von 16 %. Gleichzeitig bestätigten aber 69,1 % aller Befragten in Europa, dass Immigranten unsere Kultur bereichern. Beim Antisemitismus wurde hohe Werte in Polen und Portugal festgestellt, niedrige in Großbritannien und den Niederlanden. Mit der Behauptung, Juden hätten zu viel Einfluss in der Gesellschaft, schockierten 69,2 % der ungarischen Befragten, während diese Meinung in den Niederlanden nur zu 5,6 % verbreitet war. Gegenüber Schwarzen gibt es in Europa deutlich geringere Vorurteile als gegenüber Einwanderern. Nur 13,1 % der Befragten stimmen dieser direkten Form des Rassismus zu. Allerdings sehen in Polen und Ungarn mit fast 43 % überdurchschnittlich viele Menschen zwischen Schwarzen und Weißen eine natürliche Hierarchie. Gegenüber Schwulen und Lesben spiegeln sich die Vorurteile in der Leugnung gleicher Rechte und einem scharfen Urteil angeblicher Immoralität wieder. Wieder sind hier die Vorurteile in Polen, Italien und Portugal besonders stark ausgeprägt. Interessant ist das in Europa stärkste Ausmaß an Vorurteilen gegenüber einer gleichberechtigten Rolle der Frauen mit immerhin 60,2 % und mit hohen Ausprägungen bis zu 88% in Polen und Ungarn. Dies bezieht sich auf die Frage, ob Frauen ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter stärker nachkommen sollten. Bemerkenswert ist, dass Konservative und Neofaschisten dieses Muster gern bedienen. Schließlich zeigten sich bei der Frage, ob es zu viele Muslime im Land gäbe, mit 60,7 % die höchsten Werte in Ungarn und, vermutlich durch Jahrhunderte islamisch-christlicher Tradition geprägt, mit 27,4 % die niedrigsten Werte in Portugal. Insgesamt neigen in Europa mehr Menschen zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wenn sie autoritäre Lösungen in der Gesellschaft bevorzugen und Hierarchien statt sozialer Gleichheit den Vorrang geben. Die Vorurteile sind auch dann im Durchschnitt stärker ausgeprägt, wenn sich die Befragten selbst wirtschaftlich benachteiligt sehen, ohne Einfluss auf die politischen Verhältnisse empfinden, politisch eher rechts und zur Mitte neigen und wenn sie religiös sind. Frühere Untersuchungen wurden darin bestätigt, dass ältere Menschen und solche mit geringer Bildung stärker zu Vorurteilen gegenüber den untersuchten Gruppen neigen. Eine wichtige Schlussfolgerung aus der Studie ist die Einsicht, dass rechtsradikales, neofaschistisches und rechtspopulistisches Denken und Handeln in den Ländern Europas sich auf ausgeprägte Ressentiments gegenüber benachteiligten Gruppen stützt. Ohne diese konkreten Vorurteile in erheblichen Teilen der Bevölkerung hätten Neonazis und Rechtspopulisten kaum soviel dauerhafte Erfolge im politischen Spektrum. Die Auseinandersetzung mit diesen Vorurteilen und ihre zielgerichtete Eindämmung ist ein wichtiges Mittel, um rechten Populisten und neuen Nazis dauerhaft den Boden zu entziehen.