Corona-Proteste in Europa
29. März 2021
Die Entwicklung der Corona-Pandemie hat nicht nur die europäischen Länder fest im Griff. Trotz der beginnenden Impfungen haben die verschiedenen Regierungen weiterhin Lock-down-Maßnahmen beschlossen, um eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus und damit eine Überlastung der jeweiligen Gesundheitssysteme zu bremsen.
Solche Regelungen treffen jedoch die Menschen in ganz unterschiedlichem Maße. In den meisten Ländern bleiben die Unternehmen und Produktionsstätten, wo ebenfalls ein hohes Infektionsrisiko besteht geöffnet, während Gastronomie-Betriebe mit einem Hygiene-Konzept oder Kultureinrichtungen weiterhin schließen müssen. Kleine Geschäftsleute, Selbstständige und Künstler haben seit fast einem Jahr keine Einkünfte mehr, während Großunternehmen sich mit staatlichen Hilfen sanieren und multinationale Konzerne wie Amazon die Krisengewinner sind.
Hinzukommt, dass die Einschränkungen des öffentlichen Lebens auch massive psychische Folgen insbesondere für Alleinstehende und ältere Menschen haben, die nicht mit elektronischen Medien für einen Ersatz des fehlenden gesellschaftlichen Austausch sorgen können. Das hat Folgen, die die Gesellschaft noch länger beschäftigen werden. Es gibt also gute Gründe, die jeweiligen staatlichen Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung und ihre wirtschaftlichen Folgen für die Menschen zu kritisieren und Alternativen zu fordern. In verschiedenen Ländern organisieren auch Gewerkschaften Proteste, bei denen sie aber gleichzeitig auf Mund-Nasen-Bedeckung und andere Schutzmaßnahmen achten.
Doch solch eine Kritik ist etwas vollkommen anderes als das, was wir zunehmend in den letzten Wochen in zahlreichen europäischen Städten erleben müssen. Am vergangenen Wochenende fanden wieder in verschiedenen europäischen Städten Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie statt. Mehrere tausend Menschen – die Mehrheit nicht politisch organisiert – versammelten sich zu Massenaktionen. Ihre Losung lautete „keine Diktatur“, gemeint war damit jedoch vor allem, ich will nicht, dass „meine Freiheiten“ eingeschränkt werden. Tatsächlich gestalteten sich die meisten dieser Versammlungen wie eine große Party – ohne Maske, ohne Abstand, mit Freunden und Alkohol.
Erschreckend war, dass neben den Reden der Verschwörungstheoretiker auf diesen Versammlungen auch offene Geschichtsrevision durch den Missbrauch von Symbolen betrieben wurde. Corona-Leugner bezeichneten sich als Anne Frank oder Sophie Scholl, da sie „Widerstand“ gegen eine angebliche „Corona-Diktatur“ leisten.
Gleichzeitig sind auf solchen Versammlungen offene Neofaschisten nicht nur toleriert, sondern nutzen den Raum mit Gewalt und geplanten Regelverstößen für ihre Ziele. Sie behaupten dabei, sie würden „Volkes Willen“ umsetzen. So marschierten angeführt von PEGIDA-Aktivisten mehrere tausend Corona-Leugner trotz eines gerichtlichen Verbotes ohne Maske und Abstand durch Kassel. Erschreckend war, dass die Polizei nicht die Anordnung des Gerichts durchsetzte, sondern den verbotenen Aufmarsch freundlich eskortierte.
Die antifaschistischen Verbände in den verschiedenen Ländern haben zu solchen Corona-Protesten klare Antworten formuliert:
Natürlich werden wir auf unsere politischen Botschaften nicht verzichten und öffentliche Aktivitäten unter Corona-Einschränkungen nicht einstellen. Wir achten jedoch darauf, dass wir mit unseren Aktivitäten uns und unsere Mitmenschen nicht gefährden.
Wir unterstützen die inhaltliche Kritik an den unsozialen Folgen der staatlichen Corona-Politik. Es ist aber für uns vollkommen unannehmbar, in Form kleinbürgerlicher Rebellion die angeordneten Schutzmaßnahmen zu ignorieren und stattdessen Individualfreiheiten zu propagieren.
Solidarität bedeutet für uns auch Solidarität mit allen Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Altenpflege, die mehr als nur Applaus verdient haben. Solidarität mit allen, die mit ihrer Arbeit das alltägliche Leben aufrechterhalten.
Antifaschisten sind solidarisch und gehen verantwortungsbewusst mit dieser Pandemie-Situation um.